Das elektronische Musikgenre Techno und die dazugehörigen Veranstaltungen, sog. Raves, erleben gerade eine Renaissance. Insbesondere im alten Osten Deutschlands hatte diese Kultur in den 90ern einen großen Boom. Nach der Corona-Pandemie stieg die Lust auf Raves wieder – auch in Erfurt und Umgebung. Das t.akt-Magzin sprach mit einer der größten Techno Gruppierungen der Region, der Hard Techno Group Mutabor.
Mutabor – Erfurts größte Hard Techno Group
Dieses Jahr feiert Mutabor rund um Gründer Florian Hoffmann und Dominic Koch vierjähriges Bestehen. Insgesamt 27 Mitglieder zählt die Gruppierung, davon sind zehn aktive DJs, welche die Genres Trance, Hardtechno, Schranz und Groove bedienen. Von Beginn an hatten Florian und einige Mitglieder das Ziel vor Augen, überregional aktiv zu sein: „Vordergründig wollen wir anstreben, uns Deutschlandweit zu verbreiten und Events zu veranstalten.“ Auch deswegen nennt sich Mutabor „Hard Techno Group“ und nicht Kollektiv, wie es sonst in diesem Bereich üblich ist. Mutabor ist für Florian eine berufliche Tätigkeit und fordert daher viel Zeit und Herzblut: „Für einige Kollektive ist das etwas, was sie nebenher aus Spaß und als Hobby machen. Ich bin da schon immer mit der Intention herangegangen, das beruflich zu machen.“
Warum eigentlich Mutabor? Die Idee kam einem ehemaligen Arbeitspartner von Florian und geht zurück auf das Kunstmärchen „Kalif Storch“ von Wilhelm Hauff. Darin fungiert „Mutabor“, übersetzt „Ich werde verwandelt werden“, als Zauberspruch, um sich von einer Tiergestalt zurück in einen Menschen zu verwandeln. „Das ist ein interessantes Wort und ich habe es dann abgenickt“, schmunzelt Florian. Mit dem Erfurter Club Kalif Storch, mit dem auch Mutabor zusammenarbeitet, hat dies aber nichts zu tun. Die ähnliche Namensherkunft sei reiner Zufall gewesen.
Musikalische Lücke in der Region
Angefangen hat alles 2020 als Zusammenschluss von verschiedenen, bunt zusammengewürfelten Leuten, die einfach Bock auf Techno und Veranstaltungen hatten, erzählt Dominic. Nach der Pandemie sah die Gruppe eine musikalische Lücke in der Region, die es zu schließen galt: „Damals war Hardtechno in Erfurt und Umgebung noch nicht so etabliert.“ Unter anderem mit dem Club Heizhaus in Gebesee hätten sie das in den letzten Jahren geschafft, befindet Florian: „Das war ein langer und harter Weg, aber das haben wir ganz gut gemacht.“
Ein wichtiges Sprungbrett
Diesen Weg verfolgte der Technofan schon vor 2020: Er ist in der Branche groß geworden und hatte unter anderem Namen bereits vorher Events veranstaltet. Mit dem Heizhaus in Gebesee ist er sowohl beruflich als auch familiär verbunden, der Inhaber des Clubs ist sein Cousin. Was zunächst als kleines Familienprojekt startete, wurde langsam größer und lebte von gegenseitigem Support. Ein wichtiges Sprungbrett, um Fuß zu fassen und sich einen Namen zu machen – Florian und Dominic betonen immer wieder, wie wichtig Kontakte und Networking in der Branche sind. Besonders in den sozialen Medien fand Mutabor schnell Anklang, es bildete sich eine sehr treue und eingeschworene Community
Wie gut vernetzt diese Community ist, zeigte sich letztes Jahr. Mutabors DJ TRITØNUS gewann einen freien Platz beim Hive Festival 2023, eines der größten Techno-Festivals in Sachsen-Anhalt, welcher durch eine Abstimmung über Instagram ermittelt wurde. „Der Support unserer Community war kompletter Wahnsinn, wie viel da geteilt und kommentiert wurde. Das hat auch dazu beigetragen, uns ein gewisses Standing zu verschaffen“, berichtet Dominic stolz. Dieses Jahr betreut Mutabor sogar eine eigene Stage beim Hive Festival, welches vom 7. bis 9. Juni stattfindet. Zu verdanken war das auch Florians Talent fürs Networken: „Wir hatten den Chef vom Hive für eine unserer Veranstaltungen gebucht und ich hatte ihm gezeigt, was wir für Projekte machen. Das fand er cool und dann hat er mich drei Wochen nach dem Booking angerufen und gefragt, ob wir Bock hätten, die ‚Talent Factory‘ Stage zu machen.“
Zusätzlicher Support
Mit dem Erfolg wuchs auch das Arbeitspensum: „Dieses und letztes Jahr ist das Programm straff, da wir viele große Events nacheinander haben. Wir haben für die Organisation ein festes Team von ca. zehn Leuten und zusätzliche Leute, die uns unterstützen.“ Der zusätzliche Support ist für die vielfältigen Aufgaben bitter nötig: „Das fängt an bei Transport, Auf und Abbau, geht über Kasse, Bar, Deko-Bau und interner Verpflegung bis hin zu Awareness-Schichten“, zählt Dominic auf. Das gehe ins Geld und die Inflation macht auch vor der Techno-Szene nicht Halt: „15 Euro sind mittlerweile ein normaler Preis und reichen gerade so, um die Kosten der Partys zu decken“, so Florian. Für kleine Clubs wird es immer schwieriger, gute Bookings an Land zu ziehen, meint Dominic: „Es kommt alles zusammen: Vom Strom über die DJs bis zu deren Management-Gebühren und Reisekosten.“
Und dann gibt es da noch das leidliche Thema Gentrifizierung, welches auch in Erfurt angekommen ist und die Kulturszene unter Druck setzt. Freie Flächen werden getilgt, die Schaffung von Clubs sei mit vielen finanziellen und bürokratischen Hürden verbunden, kritisiert Dominic. Deshalb nahm Mutabor auch dieses Jahr an der „Freien Kulturkarawane“ teil, welche jedes Jahr zum Pfingstsonntag durch Erfurt zieht, um für kulturelle Vielfalt, den Erhalt und die Förderung der Thüringer Kulturszene zu demonstrieren. Denn in Erfurt herrscht dahingehend großer Nachholbedarf, meint Florian: „Das allgemeine Problem ist, dass in der Stadt viele Leute Führungspositionen innehaben, die eher ‚ältere Kultur‘ in Erfurt haben wollen. Elektronische Musik wie Techno wird nicht so unterstützt. Da müsste es deutschlandweite Entscheidungsträger geben und nicht nur ein paar alte Leute, die in Erfurt sitzen und am Sonntag lieber Roland Kaiser hören wollen als eine Freie Kulturkarawane.“
In Erfurt verwurzelt
Nichtsdestotrotz will Mutabor zukünftig in Erfurt verwurzelt bleiben. Ein Traum wäre eine eigene Location oder eigenes Festival. Zwar hätten einige Mitglieder sicherlich im Sinn, das Projekt eher im Untergrund zu halten. Florian bekräftigt jedoch, dass Mutabor von Anfang an als kommerzielles Projekt angelegt war: „Klar gibt es mal Meinungsverschiedenheiten, aber mittlerweile weiß auch jeder in welche Richtung es geht und wir versuchen, alle an einem Strang zu ziehen“. Mit lokalen Clubs will Mutabor weiter zusammenarbeiten und für die Monate nach dem Hive Festival sind bereits zahlreiche Termine für den Rest des Jahres geplant.
Hard Facts:
- Hive Festival 2024: 7. bis 9. Juni
- Ferropolisstraße 1, Gräfenhainichen
- Mehr Infos unter www.hive-festival.de
- Mutabor bei Instagram
- Hompage des Heizhauses in Gebesee