Wir sprechen mit dem Elektronica-Duo Ätna zwischen Tür und Angel. Inéz und Demian bereiten sich gerade auf die anstehende Tour vor. Am 8. April spielen sie im Kassablanca in Jena. Kurz vor dem Telefonat kümmerten sich die beiden um die Aufbewahrung ihrer Instrumente, sind im nächsten Moment schon im Auto unterwegs. Blinker und Fahrgeräusche sind ständige Hintergrundbegleiter des Interviews. Zunächst ist es Inéz, die ans Telefon geht. Demian muss schnell noch etwas erledigen. Er kommt fünf Minuten später dazu. Wir beginnen trotzdem mit einem Gespräch, das stets mit einem Augenzwinkern daherkommt und das Bild eines Duos zeichnet, das durch Innovation und Synergy zum Gesamtkunstwerk avanciert.
Um euch den unbedarften Leser etwas näherzubringen; in euren eigenen Worten: Was ist Ätna?
Inéz: Wir sind eine Band bestehend aus Schlagzeug und Stimme (lacht). Das ist die simpelste Beschreibung. Dann kommt aber noch allerhand Elektronisches dazu.
Ihr seid schon recht künstlerisch unterwegs. Ätna erscheint wie ein Gesamtkunstwerk? Was ist euch wichtig, wenn ihr nach außen auftretet?
Inéz: Wichtig ist vor allem der Ausdruck. Primär sind wir natürlich Musiker:innen, trotzdem gibt es noch viele andere Spielfelder, in denen wir uns austoben, wie zum Beispiel die visuelle Komponente.
Ihr legt aber schon Wert darauf, dass alles rund ist, oder?
Inéz: Auf jeden Fall. Es bereitet große Freude, das alles mitzugestalten – wenn man eine weiter Ebene erschaffen kann, durch Kontrastieren oder Übertreibung.
Wäre es gerechtfertigt zu sagen, dass ihr ein Kunstprojekt seid?
Inéz: Wir würden uns jetzt selbst nicht so bezeichnen, aber wenn das jemand Außenstehendes sagt, fühlen wir uns natürlich geehrt (lacht). In der Ankündigung eures Albums, das am 1. April erschien, steht: „In ihrem zweiten Album bauen Ätna ihr Multiversum aus Sound, Design, Mode … weiter aus.“
Wie ist das zu verstehen. Designt ihr eure Mode selbst?
Inéz: Für unsere Outfits zum Beispiel überlegen wir zugleich, was auf der Bühne funktional ist, aber auch gut in unsere Welt passt. Unsere Musik und alles rundherum entstehen immer im Austausch mit anderen Fachleuten oder Menschen, aus anderen künstlerischen Bereichen. Sei es Video-Art, Outfit oder Sound – durch Austausch entstehen schöne Sachen. So entwickeln sich gemeinsame Projekte und auch Freundschaften. Es ist super, wenn man über seine gemeinsame Kunst mit anderen Menschen sprechen kann, die bei uns natürlich immer aus der Musik resultiert.
Musik. Gutes Stichwort. Euer neues Album heißt PUSH LIFE. Was hat es mit dem Titel auf sich? Immerhin gibt es keinen Song auf dem Werk, der diesen Titel trägt.
Inéz: Die Zeile „push life“ kommt im Text des Songs LONLEY vor, hat mit dem Track aber nicht viel zu tun, weil der Inhalt ein etwas anderer ist. Push life heißt einfach: Geh nach vorne! Man hat immer die Chance, es zu probieren oder etwas zu machen. Nicht stehen bleiben, nicht zurückschauen. Mach was draus!
Seid ihr also im Großen und Ganzen eher lebensbejahend und optimistisch?
Inéz: Es ist immer so ein Wechsel (lacht). Es gibt Hochs und Tiefs. Das ist ja bei jedem Menschen so. Bei einem mehr, beim anderen weniger. Demian ist da auf jeden Fall emotional stabiler als ich, was ganz gut für unsere Zusammenarbeit ist (lacht) … weil er mich dann aus meinen Löchern rausholen kann. Aber ja. Im Großen und Ganzen sind wir lebensbejahend. Nach jedem Tal kommt ein großer Berg.
Also ist Demian manchmal dein stabiler Anker?
Inéz: Wir sind zu zweit. Bei uns geht es Stimme gegen Stimme. Zudem bin ich immer etwas perfektionistischer als er, wodurch ich öfter mal schlechte Laune bekomme, wenn es nicht nach meinem Kopf läuft. Dann ist Demian schon ein Anker, der mich aus meinem Loch und auch mal auf den Boden der Tatsachen zurückholt (lacht).
Der Austausch zwischen euch beiden ist also dynamisch?
Inéz: Ja. Total. Wir sind beide gleichberechtigt. Nur dass Demian den Bonus hat, ein bisschen ausgeglichener zu sein.
Zurück zu eurer Platte. Ein Song auf eurem Album heißt WEIRDO (dt. Verrückter). Seid ihr manchmal auch verrückt?
Inéz: Klar. Aber eigentlich ist jeder ein Weirdo, der sich nicht komplett an andere Menschen anpasst und nicht jedem Trend hinterherrennt. Ein wenig verrückt sein gehört einfach dazu. Der Song ist eine Kollaboration mit der Band Meute.
Wie kam’s dazu?
Inéz: Meute lernten wir auf einem Festival kennen. Wir hatten eine supercoole Zeit zusammen. Irgendwann schreiben uns die Jungs: „Hey, wir sind gerade im Studio und hätten Bock, etwas mit euch aufzunehmen …“ Uns fiel direkt ein Song ein, der perfekt passte. Den schickten wir rüber, und Meute war begeistert. Sie haben das aufgenommen, und wir änderten lediglich noch etwas am Schlagzeug. Es hat Spaß gemacht und hört sich mega an!
Offenbar ist Synergie wichtig bei eurer Arbeit und Musik?
Inéz: Ja. Es ist großartig, etwas gemeinsam mit anderen Leuten zu erschaffen.
Demian: Da kommt musikalisch ein neuer Blickwinkel dazu. Neue Ideen entstehen. Das Beste aus der Energie von mehreren Menschen kommt zusammen. Es entsteht etwas, worauf man allein vielleicht gar nicht gekommen wäre. Das ist eine enorme Bereicherung – auch auf zwischenmenschlicher Ebene, weil Freundschaften entstehen und man gemeinsam etwas erleben kann.
Und da entstehen gute Sachen, wie mit Meute oder Materia …
Inéz: Natürlich. Das merkt man schon bei uns als Duo. Wir sind gemeinsam so stark wie die Summe von uns beiden. Das kann man ausweiten. Stell dir vor, wir würden unsere Videos alleine machen (lacht) …
Zurück zu PUSH LIFE. Was sind neben Lebensbejahung und Verrücktheit die Themen eures Albums?
Inéz: Das Beste aus sich und seinem Leben rausholen. Selbstakzeptanz. Anderssein. In LONLEY geht es darum, nicht vor seinen Problemen zu flüchten, sich damit auseinanderzusetzen …
Demian: Es sind häufig Themen, die Inéz aus ihrem Umfeld einatmet oder aufschnappt. Inéz: Oft ist es einfach der Alltag.
Wie entstehen bei euch die Tracks? Wer macht was?
Inéz: Wir improvisieren viel zusammen. Nehmen das auf und sortieren es. Dann geht es weiter in die Verfeinerung. Wir jammen, um gute Ideen zu bekommen.
Demian: … um den ersten Funken zu erzeugen.
Inéz: Genau. Dann fängt die Arbeit an, und wir machen einen Song daraus, wenn wir merken, dass uns das gefällt. Wenn das Arrangement steht, kommt der Text.
Lernt man so etwas an der Musikhochschule in Dresden, wo ihr euch kennengelernt habt?
Inéz: Das Studium hat auf jeden Fall geholfen. Wir studierten beide Jazz-Musik, und der Angriffspunkt dieses Genres ist definitiv die Improvisation. Improvisation ist aber auch der Grundpfeiler von Komposition. Im Studium lernte ich viel Gesangstechnik, aber auch Harmonielehre und wie man eben improvisiert.
Demian: Natürlich haben wir dort gelernt, die Instrumente zu spielen – zumindest unser Hauptinstrument. Beim Klavier und den elektronischen Instrumenten war viel Eigeninitiative dabei. Aber so ein Studium ist ein guter Start ins Musik-Business.
Eure Musik ist genretechnisch schwer zu greifen. Ein Schlagwort, das oft in Zusammenhang mit euch fällt, ist der Begriff „Innovation“. Wie ist man musikalisch innovativ?
Demian: Für uns ist das toll, dass unsere Musik und wir als Band mit Innovation assoziiert werden. Eine provokative These für unseren Innovationsdrang wäre: Uns wird schnell langweilig. Aber wirklich innovativ macht uns die Lust Dinge auszuprobieren, die man so noch nicht gehört hat. Deshalb erfinden wir das Rad natürlich nicht immer neu. Aber wir versuchen in unserem musikalischen Kontext immer Dinge neu zu machen und ungewöhnlich zu kombinieren. Dieser Moment entfacht unsere Leidenschaft für das Ganze.
Probiert ihr da einfach immer neue Instrumente aus oder nutzt neue Technik?
Inéz: Ich besorge mir oft neue Instrumente und probiere mich mit ihnen aus. Das ist oft der Startpunkt. Demian produziert häufig mit neuen Programmen oder neuen Samples.
Demian: Oft sucht man einen ganz besonderen Klang. Der soll industriell oder warm sein. Das gibt es oft als Instrument nicht, und da werden wir erfinderisch. Wir suchen im Haushalt und überall nach Dingen, die wir als Tongeber nutzen können. Das ist fast Forschergeist.
Fast wie bei Kraftwerk und Depeche Mode.
Inéz: Genau. Nur jetzt mit Frau.
Am 8. April tretet ihr in Jena auf. Aber ihr wart natürlich schon hier und habt sogar mit dem Weimarer Musiker Martin Kohlstedt den Freistaat entdeckt. Was habt ihr da mitgenommen?
Demian: Wir drehten gemeinsam ein Video, zu einem Rework eines Liedes von Martin, das wir gemacht haben. Er nahm uns mit nach Lehesten, in das Schieferabbaugebiet, das war ein richtig schöner Tag. Thüringen ist wunderschön und idyllisch.
Euer erstes Album ist 2020 erschienen. An eine normale Tour war da nicht zu denken. Freut ihr euch jetzt endlich auf das Tourleben?
Demian: Boah, riesig.
Inéz: Ja! Wir kommen gerade aus Leipzig, wo wir unsere Tour-Boxen bauen ließen, damit alle unsere Instrumente für die Konzerte gut verstaut sind und transportiert werden können.
Demian: Seit Wochen sind am Bauen und Werkeln und bereiten uns vor. Man kann sich nicht vorstellen, wie sehr wir uns darauf freuen, live vor Publikum zu spielen.
Was darf auf eurem „Hospitality-Rider“ nicht fehlen? Was muss bei jedem Konzert da sein?
Demian: Äpfel.
Inéz: Ginger Bier.
Gut. Dann wissen die Veranstalter in Thüringen schon mal Bescheid … Am 8. April tretet ihr in Jena auf. Aber ihr wart natürlich schon hier und habt sogar mit dem Weimarer Musiker Martin Kohlstedt den Freistaat entdeckt. Was habt ihr da mitgenommen?
Demian: Wir drehten gemeinsam ein Video, zu einem Rework eines Liedes von Martin, das wir gemacht haben. Er nahm uns mit nach Lehesten, in das Schieferabbaugebiet, das war ein richtig schöner Tag. Thüringen ist wunderschön und idyllisch.
Ist es anders, im Thüringer Club oder auf einer großen Festivalbühne aufzutreten?
Demian: Es ist immer gleich unterschiedlich. Auch Festivals sind immer anders. So ist das auch bei Clubkonzerten. Die kann man von Nord- bis Süddeutschland immer anders erleben.
Hart Facts:
- Konzert: Freitag | 8. April | 19 Uhr Kassablanca | Felsenkellerstraße 13 A | Jena
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