Zehn Jahre nach der letzten Platte “What” weist Bodi Bill endlich wieder “Zurück in die Zukunft”, mit eklektischen Sounds zwischen Indie-Folk, Electronica und den futuristischen Themen auf ihrem neuen Album “I Love U I Do”. Als Knotenpunkte in einem unregelmäßig geknüpften Netz führen Bodi Bill die ihnen eigenen Energien nun wieder zusammen. Am Freitag spielt das Berliner Kollektiv rund um den Sänger und Produzenten Fabian Fenk im Rahmen ihrer „Better Than Reality Tour 2022“ in Erfurt. Mit neuer Musik im Gepäck kommen die ins Franz Mehlhose. Uns gewährte Frontmann Fabian vorab deshalb eine Telefon-Audienz.
Hallo Fabian. Ein neues Album nach zehn Jahren. Was war mit euch als Band in den vergangenen Jahren los?
Wir arbeiteten an anderen Projekten. Darunter die Band „The/Das“ – die zwei von uns auf die Beine stellten. Das war ein elektronischeres Projekt mit mehr Gesang. Alex dagegen, der viel Geige und Klavier spielt, ist in die Neoklassik gegangen und hat sein eigenes Label gegründet. Damit waren wir beschäftigt und pausierten deshalb mit Bodi Bill. Die Band gründeten wir in unsere Spätjugend. Wir brauchten in den vergangenen 10 Jahren einfach mal eine Abwechslung. Spaß hatten wir trotzdem. Ich selbst habe richtig elektronische Musik produziert und aufgelegt.
Wie kam es zur Reunion?
2019 produzierten wir wieder zwei, drei Songs, die nach Bodi Bill klangen. Die veröffentlichten wir. Außerdem hatten wir wieder Lust, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Daraus entstand dann die Tour 2019 – eine kleine über drei Wochen. Zu Beginn unserer gemeinsamen Karriere waren wir noch wilder und haben uns häufig gezofft. Jetzt ging es entspannter zu. Wir konnten die Tour genießen. Wir haben neues und altes Material genutzt und uns dann gedacht: lass doch einfach eine Platte machen …
Euer aktuelles Album heißt “I love you, I do” – Erwarten uns 13 Songs voller Liebe?
Der Name der Platte entstand in der Zeit der Pandemie, wo man auf vieles verzichten musste. Gleichzeitig ist es auch ein Bekenntnis zu unserem Planeten und die Erkenntnis, dass man sein Leben vielleicht ändern muss. Die Songs drehen sich auch um Beziehungsthemen, dennoch sprechen wir auch Fantasien, Dystopien und Zukunftsvisionen an. Daher ist der Name des Albums eher das Überthema und außerdem noch eine positive Aussage.
Ihr stellt viele Fragen in euren Songs. Ist Musik eure Antwort?
Das geht auf meine Kappe. Ich bin jemand, der gerne Fragen stellt. Als Kind nervte ich bestimmt auch meine Eltern mit dem ewigen „Warum?“. Die Hörer:innen stellen sich ja auch Fragen. In jedem Song wird Neues ausprobiert, eine Mischung aus auf den Busch hauen, den Stock zerbrechen und dazu Geige spielen. Und wenn das Schlagzeug dazu kommt, ist es wie bei einem Kind, das zum erst mal Musik macht. Das sind die geilen Momente bei Bodi Bill.
Stichwort „Self Improvements“ – ist das ein Anspruch an euch selbst, sich immer und ständig zu verbessern?
Im Song „Self Improvements“ habe ich diesen ganzen Optimierungswahn aufgegriffen. Da ist einerseits die Selbstdarstellung und andererseits die Selbstoptimierung angesprochen, vor allem in den jüngeren Generationen. Ich dachte zudem an die Umwelt, denn wir als Mensch wollen immer optimierter, größer und schneller, teurer und reicher sein, aber es gibt nur begrenzte Luft. Für mich ist das in den Texten ein Spiel. Ich singe dann von jemanden, der einen Kredit für eine Schönheits-OP aufgenommen hat und sich nicht sicher ist, ob die Leute merken, dass er jetzt geile braune Haut hat. Natürlich spiele ich mir Übertreibung. Ich finde es strange, wenn die Leute so viel Wert auf diese Selbstoptimierung legen. Ich hoffe, dass sie entspannter werden.
Beschreib doch mal eure Musik dem unbedarften Leser mit drei Worten.
Wir sind empathisch und elektronisch. Aber da gab es ein schönes Wort namens Technotender, denn wir haben einerseits diese sensible Seite und anderseits diese harte Technoseite.
Ist es schwer, euch selbst in ein Genre zu stecken?
Wir leben in einer Zeit, wo es Genres nicht mehr so richtig gibt. Die Genres sind in den 60er bis 80er Jahren entwickelt worden. Und dann kam Techno in den 90ern. Für Musiker ist eher interessant, wie kann ich das alles miteinander kombinieren und was kann ich für mich entdecken. Ich selbst würde mich nicht an Jazz rantrauen. Das höre ich eher selten. Was nicht heißt, dass ich das doof finde. Aber es gibt auch Sachen, die noch nicht kombiniert wurden oder selten: zum Beispiel Crunch und Techno. Und das hat vielleicht den Grund, dass es nicht zueinander passt. Häufig dagegen wurde Hardcoretechno und HipHop kombiniert. Das wird heute nicht mehr so häufig gehört.
Für einen Musiker sind Genres wie Koordinaten, an die er sich halten kann. Wie die Uhrzeit eines Tages. Du kannst um 20 Uhr ins Bett gehen, aber du kannst auch anderen Zeiten ins Bett gehen. Die Frage bleibt, woher du als Musiker deine Inspiration herbekommst. Aber dies kannst du nicht machen, wenn du einen Vertrag mit einem großen Label hast. Wenn die einen Popsong wollen, kannst du nicht einfach einen Indie-Technosong liefern. Das ist unser Vorteil mit dem eigenen Studio. Dort können wir uns frei entfalten.
Eure Songs sind zugleich schnell, langsam, hektisch und still. Sie hören sich häufig melancholisch und bedrückt an, dennoch hört man die Hoffnung, die dahintersteckt. Wir kommt ihr zu euren Beats? Wie entstehen eure Songs?
Wir waren alle mal in Schülerbands. Damals hörte ich zum ersten Mal Boards of Canada. Das hat mich umgehauen, das wollte ich selbst machen. Jetzt mache ich seit 25 Jahren selbst Techno. Man hat seine Vorstellungen, seine über die Jahre gelernten Handgriffe. Die Töne von Synthesizer, Drummaschine und Gitarren werden dann am Rechner zusammengebaut. Das funktioniert anders, als wenn du alles nur mit einem Instrument erarbeitest. Wir nehmen unsere Samples selbst auf und bauen daraus unsere Beats.
Einem Krümelmonster ähnliche Muschel frisst die Erde – Ein spezielles Artwork habt ihr auf eurem Albumcover. Was hat es mit dem Bild auf sich?
Es gab schon den Titel für das Album. Ich wollte kein brennendes Ölfeld, sondern eine gewisse humoristische Note. Vor etwa vier Jahren war ich auf Bali schnorcheln. Da waren alle Korallen tot. Ein Schock für mich. Anderseits finde ich obskuren Sachen geil wie Flat-Earth. Dieses Rote ist so etwas wie das weibliche Geschlechtsteil des Meeres. Das hat so einen Naturerotik, ist ein bisschen witzig und überzogen. Andererseits frisst sie die Erde und wir leben gar nicht in einem Universum, sondern in einer Muschel. Ich wollte so eine neue Flat-Earth-Theorie schaffen, so als Überraschung. Man nimmt sich selbst nicht so ernst. Wenn wir große Themen ansprechen, bewegen wir uns ja schnell auf dünnem Eis. Das Cover sieht auf den ersten Blick witzig aus. Doch dann denkt man an die toten Korallen. Oder das Gefühl, das die Erde von einem Monster gefressen wird, ich finde das Verwirrspiel gut.
Ihr seid auf Tour. Kommt auch nach Erfurt. Habt ihr ´ne Bühnenshow vorbereitet? Freut ihr euch nach so langer Zeit wieder gemeinsam aufzutreten?
Wir haben viel Material und Songs aus den letzten Jahren. Jetzt haben wir sogar einen Schlagzeuger dabei. Ich freue mich auf unser Old-School-90er-Jahre-Techno-Banner. Das hängt hinter unserem Schlagzeuger. Und neben ihm sind zwei große Augen. Die anderen Sachen muss man auf der Bühne auf sich wirken lassen. Wir liegen in den letzten Zügen bei den Vorbereitungen. Es ist total cool, so das Ganze abzuschließen. Es klingt vielleicht komisch, aber für uns hat die Tour etwas von Entspannung. Noch dazu hat man eine sehr persönliche Beziehung mit seinem Publikum, wenn es nicht zu groß ist. Das alles nach der Pandemie und der Pause… Einfach krass. Wir freuen uns drauf.
Hart Facts:
- Bodibill in Erfurt: 13. Mai | 19 Uhr | Franz Mehlhose | Erfurt
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