Grooves, die rollen wie ein Intercity in die Ferne, Rhodes-Akkorde weich wie der Sand am Strand und Synthesizer, die funkeln wie die Reflexionen auf dem Ozean. Musik, so bunt wie ein Hawaiihemd und so wärmend wie die Morgensonne. Das zweite Album von Erobique „Erobique No.2“ spielt mit Urlaubsstimmungen. Carsten Meyer brachte 1998 unter dem Namen „Erobique“ sein Debut „Erosound“ heraus. Genau 25 Jahre später veröffentlicht der nun 50-Jährige, der in der Zwischenzeit mit Projekten wie „Hamburg Spinners“ und im Metier Filmmusik unterwegs war, sein zweites Soloalbum. Dreizehn abwechslungsreiche Tracks und Songs zwischen Feriendisco und Rhythmusbox-Rave, aufgenommen und produziert mit vielen seiner Freund:innen und Wegbegleiter:innen.
Erobique in Erfurt
Auftritte improvisiert Meyer seit Jahren vor tanzendem Publikum. Selbst seine Hits „Easy Mobeasy“ und „Urlaub in Italien“ sind keine Popsongs im eigentlichen Sinne, sondern entstanden aus spontanen Eingebungen, im Adrenalinrausch, mitten auf der Party – mitten im Moment. Mitgesungen und wieder verklungen. Live mitgeschnitten und raus damit. Bloß nicht wiederholen! Jedes Erobique-Konzert ist ein Versuch, Unvorhergesehenes, Ungeahntes und Unfälle zu einem einzigartigen Dabeisein-Moment zu bauen. Am 25. Juni tritt der Musiker auf Defensionswiese auf dem Petersberg in Erfurt auf. Euch erwartet ein Open Air voller sonniger Momente und Musik: so prickelnd wie die nächste Schorle auf Balkonien. Im Interview erzählt uns Erobique alles über sein Fable für Siebzigersound, seinen Hang zu billigen Instrumenten und Wohlgefühlen in seiner Musik.
Nach so vielen Jahren wieder Albumpromotion für ein Soloalbum, wie fühlt sich das an?
Ganz gut eigentlich, es geht ja gerade erst los. Ich freue mich, eine neue Platte zu präsentieren. Ich habe sie bis dato gern gehört und jetzt gehört sie euch da draußen.
Hast du dich die vergangenen zehn Jahre wirklich hauptsächlich auf Filmmusik konzentriert?
Konzentriert habe ich mich nicht da drauf. Doch es kam mir zu Pandemiezeiten sehr gelegen. Ich muss sagen, ich habe dabei echt viel gelernt
Und was?
Teamwork. Sehr viele technische Dinge. Abläufe. Und ich lernte, mir Hilfe zu holen – viele Leute in den Produktionsprozess einzubinden.
Wie kommt man den eigentlich zur Filmmusik? War es eher ein schleichender Prozess, oder war die Chance plötzlich da?
Ich habe Glück gehabt. Mich hat der Regisseur Arne Feldhusen zur Fernsehmusik geholt. Er war ein Fan … oder eher ein Freund und bat mich, die Musik für den Tatortreiniger zu komponieren. So kam ich in dieses Feld.
Was war der Beweggrund jetzt endlich mal wieder ein Solo-Album zu veröffentlichen? Hat dich die Arbeit mit den „Hamburg Spinners“ inspiriert, mit denen du in den vergangenen Jahren musiziertest?
Die Arbeit mit den Hamburg Spinners inspirierte mich sehr. Aber auch die Arbeit mit Yvon sowie alles, was ich sonst nebenher gemacht habe. Außerdem dachte ich, nach 25 Jahren ist es dann doch mal an der Zeit für ein neues Solo-Album. Das Letzte ist ja von 1998 (lacht).
Wie war der Prozess dahin? Warum hat es so lange gedauert? Was war die Initialzündung?
Erobique ist das, was ich mache, wenn ich auf der Bühne vor dem Publikum stehe. Und das allein im Studio zu wiederholen, ohne die Menschen, die mir zuhören und Inspiration geben, fand ich gar nicht so einfach. Zudem liebe ich das Improvisieren. Deshalb schob ich es immer vor mich her, diese Platte zu vollenden. In den vergangenen Jahren sammelte ich jedoch sehr viel Material an. Zudem lernte ich durch die Filmmusik so viele Künstler:innen kennen, dass ich die Lust bekam, das jetzt zu realisieren. Die gesammelten Skizzen auszuarbeiten, machte wirklich viel Spaß.
DJ Friction, Laing, Siriusmo und mehr – wenn ich lese, wer bei der Produktion deines Albums mitgewirkt hat, erscheint es mir wie ein Familientreffen. Freundeparty. Wie kam es dazu?
Naja, es war leider nicht so, dass alle auf einmal zu mir ins Studio kamen. Aber im Gegensatz zu anderen Musikern, die nur noch im Netz miteinander arbeiten, habe ich alle getroffen und besucht. Das bereitete mir viel Freude und das ist natürlich der Trick: Ein Soloalbum muss ja nicht unbedingt ein Soloalbum sein, das man nächtelang im stillen Kämmerlein vor sich hin wurschtelt. Es kann die Gelegenheit bieten, Leute einzuladen, um sie mitmachen zu lassen. Das machte mich glücklich.
Wie unterscheidet sich das Komponieren von Filmmusik von der Musik, die auf deinem Album erscheint?
Fluch und Segen ist, dass man selbst entscheiden kann. Ich bin mein eigener Produzent und die letztendliche Entscheidungsgewalt liegt bei mir selbst. Das kann ganz schön schwierig sein. Aber selbst da ist es möglich, sich einen Rat von Freunden zu holen. Sachen zu vorzuspielen und sie nach ihrer Meinung fragen.
Generell erscheint es so, wie wenn jeder der 13 Songs auf deinem neuen Album eine groovy Geschichte erzählt. Hast du beim Komponieren Bilder im Kopf?
Ja, ich bin ein sehr visueller Mensch. Ich denke dabei aber an nichts Konkretes. Doch die Gefühle beim Musizieren gehen dann in Bilder über – in Reisen, vielleicht sogar an Orte, an denen man noch gar nicht war. Es ist ein erwünschter Effekt, der unbedingt beim Hören entstehen darf. Das finde ich total super.
Nach dem Hit „Urlaub in Italien“, wo machst du mit deiner Musik jetzt Urlaub?
Auch in Italien. Aber generell, überall da, wo die Sonne scheint und die Menschen freundlich sind. Ich reise total gern mit dem Fahrrad herum und seh‘ mir alles an. Ich bin neugierig auf die Welt und will sie erleben, statt mich hinterm Telefon zu verkrümeln.
Der „Arpeggiator“ ist der zweite Song auf deinem Album. Wie hat es eine Funktion, die es auf 1970er Jahren Heimorgeln gab, bis dahin geschafft?
Das finde ich gut, dass du 70er-Jahre-Heimorgel erwähnst. Da kam nicht jeder drauf, denn es gibt immer noch Arpeggiatoren, die im Techno als Synthesizer benutzt werden, aber du liegst gar nicht so falsch. Der Grund-Groove vom Arpeggiator kommt von ‘ner alten Yamaha-Electone-Orgel. Das ist natürlich naheliegend und ich finde Heimorgeln haben einen tollen Sound. Man kann damit hervorragend Technolieder produzieren.
Experimentierst du gern mit alten Musikinstrumenten?
Ja, ich experimentiere wahnsinnig gerne. Ich habe einen totalen Hang zu billigen Instrumenten vom Flohmarkt. Das erklärt, warum ich auf alte Heimorgeln stehe, auf Triolas oder Melodicas. Und ich finde, dass all diese Sounds eine Berechtigung haben. Ich finde es auch gut, mit dem Rechner zu arbeiten und mag die neuen Produktionsweisen auch, aber beim Mischen gibt es keine Regeln oder Hierarchien.
Weil wir gerade bei den 70ern sind, das Jahrzehnt klingt schon ziemlich in deinem Album an. Wie kommts?
Ich glaube, dass hat ein wenig mit dem Alter zu tun. Ich habe mal gelesen, dass sich Leute am meisten auf die Zeit berufen, in die sie hineingeboren wurden. Selbst wenn sie noch zu jung waren, um sich daran zu erinnern. Ich denke, deshalb mag ich die 70er-Jahre so wahnsinnig gerne. Ich bin Jahrgang 72.
Gibts Vorbilder, oder wie entsteht der moderne Retro-Sound?
Vorbilder gibt es zu viele, um sie einzeln aufzuzählen. Aber die Musik die ich mag, habe ich natürlich studiert. Zwar nicht auf einer Universität, aber Künstler wie die Bee Gees oder Barry White, die diesen tollen Sound hinbekommen, habe ich über die Jahre verinnerlicht. Mein Interesse wuchs und irgendwann hatte ich einfach das richtige Besteck zur Hand.
Generell hören sich die Songs deines neuen Albums wundervoll lebensbejahend an. Aber mit dem Song „Ravedave“ schießt du natürlich auch via Vocals den Gute-Laune-Vogel ab. Wie wichtig ist dir Humor in deiner Musik?
Humor ist für mein ganzes Leben wichtig. Mit Humor kann man die etwas unangenehmeren Seiten dieser Welt wesentlich besser ertragen und deswegen ist es essenziell. Ich mag auch die ernste Musik und ernste Kunst, habe aber nicht das Gefühl, dass Kunst ernst sein muss, damit es sie mehr Relevanz hat. Bei dem was ich mache, ist Humor immer im Spiel. Und das ist auch so gewollt, weil ich keine Rechenaufgaben geben will, sondern Wohlgefühl.
Bist du selbst auch lebensbejahend wie deine Musik?
Wie jeder andere Mensch auch. Ich freu mich immer wenn‘s klappt und das Alter bringt so eine Alters-Milde mit sich. Aber ich hab auch meine dunklen Stunden und ich glaube, da sind wir alle gleich. Ich traue Leuten nicht, die die ganze Zeit nur gute Laune haben.
Jedes Erobique-Konzert ist ein Versuch, Unvorhergesehenes, Ungeahntes und Unfälle zu einem einzigartigen Dabeisein-Moment zu bauen, heißt es in deiner Ankündigung. Wird uns das auch in Erfurt erwarten? Live-Improvisation?
Ja natürlich, was denn sonst? Ich freue mich total auf Erfurt.
Hat sich deine Art live aufzutreten eigentlich in den vergangenen Jahren geändert? Zuletzt warst du ja vor zehn Jahren in Erfurt?
Zehn Jahre ist das schon wieder her? Es hat sich insofern geändert, dass ich jetzt einen tollen Schlagzeuger an meiner Seite habe: Lucas Kochbeck, der auch bei den Hamburg Spinners mitmacht. Er spielt jetzt, seitdem man wieder auftreten kann, mit mir und gibt nochmal richtig Druck und Groove in die Performance. Er ist ein richtig feiner Kerl, neben dem ich gern auf der Bühne stehe. Ihn bringe ich auch nach Erfurt mit.
Improvisierst du dein neues Album dann, oder wie können wir uns das vorstellen?
Ich werde auf jeden Fall „Rave Dave“ spielen und „Verkackt“ und den „Hitsong“. Eben weil es Songs sind, bei denen nichts festgelegt ist. Die sind zwar für das Album aufgenommen, aber live kann man sie öffnen und als Grundlage für Improvisation nutzen. Und ansonsten schauen wir mal, was passiert …
Hard Facts
- Was?: Erobique Open Air in Erfurt: 25. Juni
- Wann?: 25. Juni | 17.30 Uhr
- Wo?: Defensionswiese Petersberg | Petersberg 15
- Tickets unter: Programm | KALIF KONCERT (kalifstorch.com)
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