Eigentlich stammt Betterov vom Land. Dörfliche Weltvergessenheit irgendwo in der thüringischen Pampa. „Von da, wo man sofort wegzieht, wenn man alt genug ist“, wie es in einem Pressetext seiner Plattenfirma Universal Music heißt. Mit 17 geht er ans freie Theater in Eisenach, um sich dem „SmalltownGrau“ mit Schauspiel und Musik entgegenzuwerfen. 2015 der nächste Schritt: Berlin. Eine völlig neue Welt mit neuen Eindrücken, die Betterov in seinen Songs verarbeitet. Tagsüber sitzt der Schauspielstudent mit fünfhundert anderen Bewerbern bei irgendwelchen Vorsprechen, nachts sucht er sich während erster Gigs in Bars und Kneipen ein Ventil für das, was unbedingt aus ihm raus muss. Anfang 2020 releast der 29-jährige Musiker und Schauspieler seine erste EP „Viertel vor Irgendwas“, auf der er Einflüsse aus Indierock, Post Punk und Pop Noir zu einem sympathisch kantigen Uneasy-Listening-Mix kombiniert und direkt als eine der spannendsten neuen Stimmen innerhalb der deutschsprachigen Musikszene gefeiert wird.
Und auch sein im letzten Herbst erschienenes Top-5-Debütalbum „Olympia“ fand sich gegen Jahresende in allen wichtigen Hotlists wieder. Faktisch einer der derzeit erfolgreichsten Thüringer Musiker. Am 6. Dezember kommt Betterov zurück in den Freistaat und tritt im Central in Erfurt auf. Wir sprachen mit dem gebürtigen Bad Salzunger über Landflucht, Theater und Schwarzwälder Kirschtorte.
Als Musiker aus Thüringen nach Berlin, um Musik zu machen. Das scheint eine Stereotype im Freistaat zu sein. Was meinst du, warum?
Weil da die Musik spielt. Dort gibt es viele Menschen, die man erreichen und viele Orte, an denen man auftreten kann. Künstler:innen können sich dort ausprobieren. Es gibt super viele Clubs. Es gibt super viele Bühnen – in klein, in groß und in mittelgroß –, auf denen man einfach spielen und sich austoben kann.
Du bist in der Thüringer Provinz aufgewachsen. Bei Bad Salzungen. Wie war das für dich als Künstler in Westthüringen aufzuwachsen?
Ich muss sagen, dass ich dort nie künstlerische Schritte gemacht habe. Sofort als ich merkte, dass ich Lust darauf habe, ging ich nach Eisenach. Es spielte also keine große Rolle. Ich war eine lange Zeit in Eisenach beim Theater. Ich spielte ich und ging dann irgendwann schließlich nach Berlin. Eisenach war also meine erste künstlerische Station. Das Theater am Markt war ein wichtiger Ort für mich, weil ich mich sehr viel ausprobieren konnte.
Am Theater in Eisenach hattest du ein Erweckungserlebnis, wie zu lesen ist. Was passierte dort mit dir?
Für mich war es einfach ein sehr schöner Ort, weil viele Künstler:innen dort zusammengekommen sind. Es gab Musik. Es gab Text. Es gab Kostüme. Es gab viele Leute, die alle möglichen Dinge machten. Es war neu für mich, sich über diese Dinge auszudrücken. Es war ein völlig neues Erlebnis an diesem Ort. Wie du schon sagtest, eine Art Erweckungserlebnis.
Dann hast du praktisch Blut geleckt, um auf der Bühne stehen zu können?
Ja, kann man so sagen (lacht).
Du spielst viele Instrumente. Hast du denn schon in deiner Kindheit damit begonnen?
Ja, genau. Ich fing sehr früh an, Klavier zu spielen. Mit 13 bzw. 14 Jahren entdeckte ich die Gitarre für mich.
Beim Hören deiner Musik, entdeckt man theatrale Elemente. Quasi die Kombi deiner beiden Leidenschaften: Schauspiel und Musik. Wie kommt das?
Dass ich mich während des Studiums sehr viel mit Texten beschäftigt habe, trug dazu bei. Ich lernte, sie nicht nur zu lesen, sondern sie zum Leben zu erwecken. Das nahm ich aus dem Schauspielstudium mit in mein Songwriting.
Indierock, Post Punk, Liedermacher, Neue Neue Deutsche Welle – vier Kategorien, um deine Musik zu beschreiben. Wie bist du zu deinem Sound gekommen?
Ich habe einfach erstmal Lieder geschrieben und mich hinterer gefragt, in welche Kategorie man sie stecken könnte. Jeder Song ist anders spielbar. Zum Beispiel am Klavier können die Songs sehr stark reduziert wirken, wodurch man das Genre wechselt. Einige Songs passen zudem in eine bestimmte Zeit, wodurch man automatisch in eine bestimmte Kategorie rutscht. Ich habe mir nicht überlegt, dass ich genau in eine Kategorie passen will und meine Songs danach richte. Es war eher umgekehrt – erst war die Musik da und dann die Kategorisierung.
Gab es denn etwas, dass dich in dieser Richtung inspiriert hat?
Ich versuche mich tatsächlich möglichst freizumachen von Inspiration. Als Kind hörte ich sehr viel Bruce Springsteen, obwohl man das mittlerweile wohl kaum in meiner Musik hört. Damals war er trotzdem ein sehr wichtiger Künstler für mich. Textlich, die Bühnenshows und die Art des Songwritings – das alles fand ich schon immer unglaublich toll. Deshalb würde ich sagen, dass er zumindest eine große Persönlichkeit für mich und meine Musik war.
Du bist trotz allem jetzt in Berlin gelandet, was war anfänglich dein Anker in Berlin, um dort voranzukommen?
Einen Anker gab es nicht. Ich bin einfach ins kalte Wasser gesprungen. Das war anfangs natürlich schwierig, weil Berlin eine riesige Stadt ist. Ich studierte vier Jahre Schauspiel. In dieser Zeit lernte ich enorm viel.
Wenn wir uns noch mal deiner Musik widmen, ist dein Song „Dussmann“ natürlich ein Paradebeispiel: in deinen Songs schwingt oft Melancholie mit. Ist dir diese in Thüringen oder in Berlin eingeimpft worden?
Puh, das weiß ich gar nicht so genau. Ich glaube, das ist auch nicht an einen Ort gebunden. Meine Musik spiegelt nicht immer meine Sicht auf die Welt wider. Manchmal versuche ich, mich in andere Personen hineinzuversetzen und aus ihrer Sicht zu schreiben. Ich denke, dass das eher daher rührt.
Also nimmst du doch sehr viele Elemente des Schauspiels in deine Musik auf?
Ja, hin und wieder mache ich das gerne.
Wo wir aber gerade bei deinem Hit „Dussmann“ waren. Das Kaufhaus in Berlin ist für dich eine Metapher. Wofür?
Ist es gar nicht unbedingt. In „Dussmann“ geht es eher um verschiedene Kuriositäten des Alltags, die einem so ein bisschen die Unverständlichkeit des Lebens näherbringen.
Generell drehen sich deine Texte oft um ein Zuhause. Wo ist eigentlich dein Zuhause?
Wenn ich von einer Tour komme und merke, dass der Bus so langsam in Berlin einrollt, denke ich schon oft: „Es ist schön, wieder zu Hause zu sein“, aber dennoch bin ich super gerne bei meinen Eltern in Thüringen und fühle mich auch bei ihnen heimisch.
Bist du tätowiert?
Laut dem Song „In meiner Straße“ schon. (Lacht) Nee, das bin ich nicht.
Wie kam es dann, dass du über das Tätowieren singst?
Das ist das, was ich eben meinte. Es ist nicht immer meine Sicht. Meine Songs sind nicht alle autobiografisch. Ich tauche immer mal in die Sicht eines anderen Menschen ein.
Frühstücksmusik 2023, Valentinstag 2023, Frühjahrsputz, Musik zum Muttertag – du bist in interessanten Playlisten bei Spotify. Was sagst du dazu?
Playlisten sind immer sehr interessant. Ich freue mich natürlich, wenn Menschen zu meiner Musik gut putzen können (lacht). Das ist doch super.
@betterovmusik Danke Open Air St. Gallen! Sehen wir uns auf der Olympia Ehrenrunde Tour in Zürich wieder? #festival 🎥 Julian Mathieu
Auf deinen Single-Covern und Merch tauchen ständig Schwarzwälder Kirschtorten auf. Auf einem deiner Shirts steht sogar das Rezept drauf. Warum?
Das ist ein Gag. Das hat alles mit einem Witz begonnen. Wir haben das Video zu „Dynamit“ gedreht. Ich wollte ein „David Lynch“-artiges Musikvideo drehen, indem zwei Protagonisten durch die Wüste laufen, und dann überlegte ich mir, dass sie am Ende des Videos etwas in der Wüste finden müssen. Das Absurdeste, was mir dabei eingefallen ist, war eine Schwarzwälder Kirschtorte (lacht). Dann haben wir darüber nachgedacht, dass es doch witzig wäre, wenn sie sowas wie unser ständiger Begleiter ist. Das zogen wir dann tatsächlich durch – bis zum letzten Song dieser EP, wo sie dann in ihrer natürlichen Umgebung vorgekommen ist: bei einer Familiengeburtstagsfeier.
Gab es bei euch zu Hause öfters Schwarzwälder Kirschtorte?
Die gab es hin und wieder, ja.
Du hast immer wieder Konzerte im Freistaat. Was machen Auftritte in Thüringen mit dir? Sind das Auftritte, wie alle anderen oder sind sie etwas Besonderes für dich?
Nein, sie sind auf jeden Fall etwas ganz Besonderes für mich. Ich freue mich wirklich sehr, dass ich in Thüringen spielen darf. Das ist etwas Besonderes. Vor allem, weil bei diesen Auftritten auch meine Familie kommt (lacht). Das ist großartig. Ich merke es auch sofort an der Landschaft, dass ich in Thüringen angekommen bin.
Wäre es für dich schön im Theater in Eisenach aufzutreten?
Das schließe ich definitiv nicht aus.
Es geht bei dir ganz schön schnell vorwärts. Bei einem Majorlabel unter Vertrag. Radiosender aus Berlin feiern dich. Der Musikexpress auch. Wie empfindest du das? Rast die Zeit an dir vorbei? Kannst du es genießen?
Natürlich kann ich es enorm genießen. Gerade nach den zwei Jahren, in denen nun wirklich nicht viel passieren konnte. Das es dann in Thüringen ausverkaufte Shows gibt, bedeutet mir sehr viel, weil das vor zwei Jahren kaum denkbar war. Dass das jetzt passiert und stattfinden kann, ist unglaublich bedeutend für mich.
Hard Facts
- Betterov – Olympia Tour 2023: Mittwoch 6. Dezember 2023 | 20 Uhr | Club Central | Am Wasserturm 8-10 | Erfurt
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