Wir alle haben eine erdenbürgerliche Verantwortung
Im Rahmen des You & Me Festival kommt Megaloh im Juni nach Erfurt. Wir sprachen mit dem bodenständigen Rapper über seine Liebe zur Musik, Heimat und politische Verantwortung.
Ver- oder entzaubere alle, die im Rap Business groß rauskommen wollen: Wie hart ist es wirklich? Kann man davon leben?
Wenn man ein gewisses Level der Aufmerksamkeit und Hörerschaft erreicht kann man, abhängig von den Deals, die man macht, durchaus leben von der Musik. In meinem Fall ist es so, dass ich zurzeit immer noch einen Nebenjob habe, der nichts mit der Musik zu tun hat. Das liegt aber auch daran, dass ich höhere Fixkosten habe als zum Beispiel jemand, der nur für sich alleine Sorgen muss. Trotzdem würde ich bei den gleichen Verkaufszahlen auch viel mehr verdienen, wenn ich zum Beispiel mein eigenes Label hätte. Es ist jedenfalls aus meiner Erfahrung in den wenigsten Fällen so, dass man sofort davon leben kann, auch die wirklich erfolgreichen Künstler derzeit mussten in der Vergangenheit hart dafür arbeiten, um diese Position zu erreichen.
Du hast mit der Erfurter Agentur Whitedesk einige deiner Musikvideos produziert. Erinnerst du dich an besondere Momente und hast du die Thüringer ins Herz geschlossen?
Es gab einige lustige Momente, die Jungs von Whitedesk sind ein super Team und immer engagiert bei der Sache. In Thüringen war ich aber soweit ich weiß mit den Jungs zusammen nur in Erfurt beim Videodreh zu „Generation Maybe“ von Teesy. Da habe ich die Jungs alle kennengelernt und da die Zusammenarbeit so gut geklappt hat, haben sie dann auch 1 1/2 Jahr später die Videos für mein Album „Regenmacher“ gedreht. Videos drehen kann aber auch ziemlich anstrengend sein, zum Beispiel der Dreh von „Regenmacher“, als wir im Winter in Polen an der Ostsee waren, bei Wind und Minusgraden und ohne ausreichend Aufwärme Möglichkeiten. So frieren möchte ich wirklich nicht nochmal!
Rückblickend: welche deiner Songs bedeutet dir am meisten?
Das ist schwer zu sagen, weil ein Song auch an Bedeutung gewinnen kann, wenn er anderen Menschen etwas bedeutet. Ob ich das mitkriege hängt dann damit zusammen, was mir meine Hörer an Anekdoten berichten. Für mich persönlich ist aber „Was ihr seht“ sehr wichtig, da er inhaltlich und technisch meine hohen Erwartungen an Qualität und Wahrhaftigkeit erfüllt.
Die Zusammenarbeit mit welchem Künstler hat etwas in dir verändert?
Viele Zusammenarbeiten haben Einfluss gehabt, zum Beispiel vor zehn Jahren die Arbeit mit Sprachtot, als ich gemerkt habe, dass man mehr schaffen kann, wenn man mit sich zufrieden ist und sich nicht ständig innerlich zensiert, wie das bei mir häufig der Fall ist. Im Idealfall bewirkt jede Zusammenarbeit eine Veränderung hin zu mehr Bewusstsein für die eigenen Fähigkeiten.
Du erfüllst nicht unbedingt das Klischee eines typischen Berliner Rappers – Abi, Beginn eines Studiums … Hat es dir das in der Szene schwer gemacht?
Nein das würde ich nicht sagen, der Respekt war immer da. Ich bin ja auch kein Bonze oder so, sondern komme aus dem Arbeiterviertel Moabit und bin sagen wir mal straßennah aufgewachsen. Ich hatte einfach das Glück, dass meine Eltern viel Wert auf Bildung gelegt haben. Es hat es mir nur schwerer gemacht früher und entschlossener meinen eigenen Weg zu gehen. Ich wollte ziemlich lange meine Familie glücklich machen und habe mich unter Druck gesetzt, anderen Erwartungen gerecht zu werden, statt zu sehen, was mir am Meisten bringt und dass ich anderen besser helfen kann wenn ich weiß, wie ich mir selbst helfe. Das nicht abgeschlossene Studium hat nur Zeit gekostet und zu ordentlich Unzufriedenheit geführt, das hätte ich mir echt sparen können. Aber andererseits gehört das alles zum Entwicklungsprozess, insofern hilft rückwirkend nur akzeptieren und erkennen.
Du hast niederländische und nigerianische Wurzeln, bist in Deutschland geboren und aufgewachsen in einem sehr urbanen Umfeld. Was ist Heimat für dich? Man sagt Heimat ist da wo das Herz ist oder?
Das trifft es schon ganz gut. Da, wo es emotionale Verbindungen gibt, die einem gut tun, ist ein Stück Heimat. Für mich ist das Moabit, das Viertel in dem ich aufwuchs, ein Stück weit Berlin und vor allem da wo Familie ist oder herkommt.
Kannst du die Antisemitismus-Debatte in Teilen des aktuellen Deutsch-Rap nachvollziehen?
Ich habe keine Debatte mitgekriegt, da ich nicht wirklich deutschen Rap verfolge, maximal die aktuellen Hits kenne.
Bist du der Meinung, dass jeder dessen Stimme die in der Öffentlichkeit gehört wird, diese auch für politische Statements nutzen sollte?
Ich bin der Meinung dass wir alle eine gesellschaftliche, bzw. erdenbürgerliche Verantwortung haben und diese steigt auch mit der Aufmerksamkeit, die man generiert. Das heißt nicht, dass man Politik machen soll wenn man keine Ahnung davon hat, aber wir sollten nicht die Augen vor Ungerechtigkeit verschließen, sondern die Kommunikation suchen und Empathie entwickeln. Alles ist miteinander verbunden.
Dein Vorname bedeutet sinngemäß „Wunsch Gottes“. Glaubst du an etwas, das größer ist als alles Weltliche und wie fließt das ggf. in deine Texte ein?
Ich habe keinen Beweis dafür, dass es nichts gibt, außer das was wir mit den Sinnen erfassen können. Ich denke. es gibt das menschliche Bedürfnis zu glauben, was nicht religiös behaftet sein muss und oft entsteht Wissen ja erst aus diesem Antrieb heraus, wenn auf der Grundlage des Glaubens in unbekanntem Terrain geforscht wird. Eine genaue Übersetzung meines Vornamens gibt es übrigens nicht, es variiert von „Vaters Gedanken“ zu „Vaters Wille“ oder „Wunsch“ und das „Vater“ kann auch als der Übervater im Sinne Gottes verstanden werden. Ich wurde in Teilen katholisch erzogen, war als Kind sogar Ministrant, aber für mich hat Glaube mehr Bedeutung und Kraft als Religion, die ich eher als Limitierung des Verstandes sehe. Hinzu kommt, dass mich die Expansionsgeschichte der katholischen Religion und Religionen an sich doch eher mindestens ernüchtert.
Im Rahmen des „You & Me Festivals kommst du am 17. Juni mit Trettmann nach Erfurt. Auf was können sich die Festivalbesucher freuen?
Wir stecken jede Menge Liebe und Qualität in die Musik und haben Spaß. Das spürt man als Besucher und viele werden davon angesteckt. Ich mache einfach nicht den typischen Rap und versuche keine Negativität zu verbreiten oder Klischees zu bedienen, gleichzeitig hat die Musik aber ein hohes Energielevel wie ich es bei starker Rap Musik brauche. Was die Kollaboration mit Trettmann angeht, das harmoniert einfach nur wunderbar zusammen…Seid gespannt, wir freuen uns auf euch!
www.megaloh.de www.facebook.com/youandmefestival16. – 18. Juni Am Wasserturm Erfurt