Die Wiener Supergroup My Ugly Clementine schwimmt derzeit auf der Erfolgswelle. Ende vergangenen Jahres veröffentlichte die Band ihr zweites Album „The Good Life“, das zahlreiche Referenzen zu 90s- und 2000er-Rock feiert. Grungige Gitarren mit hymnischen Refrains und slackige Vibes mit knackigen Songs, Spuren von Pop-Punk mit mehrstimmigen Britpop-Arrangements. My Ugly Clementine, das sind drei schon für sich stehend herausragende Musikerinnen: Sophie Lindinger, Mira Lu Kovacs und Nastasja Ronck. Lindinger ist Teil des Pop-Duos Leyya, Mira Lu Kovacs füllt auch solo als Gitarristin und Songwriterin Konzerthäuser und Ronck spielt bei der österreichischen Indie-Band Sharktank. Am Freitag, 9. Februar, spielt die Band in Erfurt. Wir sprachen vorab mit Nastasja über Feminismus, Grunch und Südfrüchte.
Ihr seid auf „Good life“-Tour und im Februar macht ihr in Erfurt Halt. Euer Album heißt „The Good Life“. Was macht für dich ein gutes Leben aus?
Wir hatten eigentlich das Album „Okay Life“ nennen können, aber das klang nicht so überzeugend. Ein gutes Leben ist ein Leben, das okay ist. Denn okay zu sein, ist schon ziemlich gut. Ein gutes Leben zu führen bedeutet, sich auch dessen bewusst zu sein. Im Leben gibt es Dinge, auf die man keinen Einfluss hat, verschiedene Parameter können da eine Rolle spielen. Es geht zudem darum, nicht nur von der ständigen Optimierung getrieben zu sein, sondern auch die Höhen und Tiefen zu akzeptieren. Ein unterstützendes Umfeld mit vertrauten Menschen ist wichtig. Für uns drei hat gutes Essen ebenfalls eine große Bedeutung. Vielleicht gehört auch dazu, zwischendurch innezuhalten und sich Zeit zu nehmen, denn alles geschieht stets so schnell. Es erfordert Mut, Veränderungen anzustreben, die einem guttun könnten, auch wenn sie nicht immer der gesellschaftlichen Norm entsprechen. Grundsätzlich bedeutet ein gutes Leben, keine übermäßig hohen Erwartungen und Ansprüche zu haben. Wenn es okay ist, dann ist das schon sehr gut (lacht).
Im Kapitalismus ist man heutzutage oft der Optimierung unterworfen. Ist das ein Thema, das euch beschäftigt?
Ja, das stimmt. Das gilt für viele Lebensbereiche, auch für unsere Band. Für uns drei war es entscheidend, dass das Album und jede zukünftige Musik, die wir schreiben, authentisch von uns kommt und nicht von externen Erwartungen beeinflusst wird. Das wäre nicht nachhaltig. Uns ist es wichtig, Musik aus Freude oder dem Bedürfnis herauszumachen, etwas zu verarbeiten, und nicht, weil wir uns dazu verpflichtet fühlen. Es soll sich richtig anfühlen. Es gibt vielleicht Bereiche, in denen man sich noch verbessern oder steigern könnte, aber wir müssen uns dabei glaube ich etwas bremsen.
Nun seid ihr drei schon länger Musikerinnen und wart bereits in vielen Bands. Habt ihr da solchen Druck durch die Musikindustrie gespürt?
Meine Bandkolleginnen sind schon etwas länger dabei als ich. Ich bin der Meinung, dass es in der Vergangenheit Entscheidungen gab, bei denen man heute denkt: „Vielleicht ist es besser, das nicht mehr zu tun.“ Zum Beispiel, was das Touren betrifft: Touren ist unglaublich schön, intensiv und gleichzeitig sehr anstrengend. Es ist wichtig, sich zu überlegen, was man wirklich bewältigen kann. Vielleicht sollte man das Touren so gestalten, dass es zu einem persönlich passt. Das bedeutet möglicherweise, dass es nicht mehr so intensiv ist wie vor 10 Jahren, weil es auch nicht nachhaltig wäre. Ich selbst muss für mich einen Modus finden, der passt. Ich habe bereits viele Erfahrungen in der Branche gesammelt und nur weil eine Möglichkeit besteht, bedeutet das nicht automatisch, dass sie auch zu mir passt. Ich muss herausfinden, welche Art von Projekten ich angehen möchte, welche Musik ich produzieren will und welche Art von Band ich sein möchte.
My Ugly Clementine ist der Name eurer Band. Warum gerade der Name?
Es gibt zwei Geschichten, die zur Entstehung des Namens bei getragen haben. Zum einen entstand der Name durch eine Wortspielerei. Sophie hat sich den Namen überlegt und mit Elementen aus den 90ern bzw. 2000ern, Nostalgie und dem Satzgebilde „My darling Clementine“ gespielt. Mira hat dann im Bandnamen erkannt, dass wir mit „ugly“ in „My Ugly Clementine“ quasi Selbstakzeptanz betonen und dass dies nichts Negatives ist, auch wenn gesellschaftliche Normen etwas anderes behaupten. Wir mögen es gerne laut in unserer Musik, daher passt My Ugly Clementine ziemlich gut zu uns.
Auf eurem aktuellem Album im Song „No” singt ihr, dass ihr deprimiert von der Welt seid, alles immer absurder wird. Nehmt ihr das so wahr?
Wir hatten die Absicht, einen Song zu schreiben, der es uns ermöglicht, auf der Bühne alles rauszulassen und gleichzeitig die Wichtigkeit von Grenzen sowie dem Ausdruck eines klaren „Nein“ zu betonen. Wenn man „Nein“ sagt, kann man es einmal, zweimal, höflich sagen, aber irgendwann muss man lauter werden. Das war die Grundidee. Auf der anderen Seite gibt es so viele Entwicklungen, die als fortschrittlich angesehen werden und durch die man denkt, dass es besser wird. Doch täglich sehe ich Nachrichten, die sich anfühlen wie aus der Zeit gefallen. Besonders, wenn man das politische Klima betrachtet. Glücklicherweise gehen viele Menschen auf die Straße und setzen ein Zeichen gegen Hass und Ausgrenzung. Wir leben bereits in einer Zeit, in der uns die Zeit davonläuft. Wir haben bereits hart dafür gekämpft, dass Menschen über ihren eigenen Körper entscheiden dürfen. Es fühlt sich an wie ein Spiel, dem ich mich nicht hingeben möchte. Das ist ein Teil des Songs: Sich selbst ermutigen und Grenzen setzen.
Empowerment, Gleichberechtigung, Feminismus und Solidarität sind eure Themen – wie sprecht ihr diese Themen in euren Songs an?
Wir sitzen nicht zusammen und sagen, dass wir jetzt einen Song über Empowerment oder Ähnliches schreiben. Unsere Songs entstehen auf ganz unterschiedliche Weise, basierend auf Themen, die uns persönlich beschäftigen, auch innerhalb von Beziehungen. Wenn ich beispielsweise etwas beschreibe, das mir in einer Beziehung widerfahren ist oder was mich momentan beschäftigt, fließen auch persönliche Anliegen ein, die uns als Individuen bewegen. Es ist jedoch nicht so, dass wir uns hinsetzen und festlegen, dass jedes Projekt eine bestimmte Botschaft haben soll. Wir behandeln auch Themen wie Schmerz und Verlassenwerden. Individuelle Geschichten, die einzelne Personen erlebt haben, werden gemeinsam integriert und zu einer kollektiven Geschichte verwoben, da sich alle damit identifizieren können. Ich glaube, dass diese vielfältigen Themen, die bei uns tief verwurzelt sind und über die wir viel diskutieren und austauschen, auch in unserer Musik zum Ausdruck kommen.
Im Video zu „Feet up“ gibt es so einige Neunzigerjahre- Grunch- oder -Punkrock-Anspielungen – sind die Neunziger eine Inspiration für eure Musik?
Nicht direkt. Wir sind alle in den 90ern und 2000ern aufgewachsen. Eine Sache, die uns alle verbindet, ist die Liebe zu Melodien, und die 90er hatten davon viele großartige. Visuell haben wir uns tatsächlich vorgenommen, diese ikonischen Videos, mit denen wir aufgewachsen sind, nachzustellen. Wir wollten versuchen, uns das zu eigen zu machen. Ich glaube, dass Menschen, die die 90er/2000er in unserer Musik wiedererkennen, dies tun, weil sie einfach Teil unserer musikalischen Einflüsse ist. Bei uns dreien verschmelzen alle Einflüsse irgendwie. Wir sind Kinder der 80er/90er, und es ist klar, dass sich all das irgendwo in unserer Arbeit widerspiegelt.
Die 90er waren ein Jahrzehnt der scheinbaren Unbeschwertheit. Heute ist die Welt eine andere. Wollt ihr mit „Feet up“ (Füße hochlegen) zurück zu dieser Unbeschwertheit?
Bei den Clementines ist es oft so, dass der Sound upliftig, energetisch und mitunter humorvoll ist – okay, vielleicht nicht immer humorvoll – und die Texte auf den ersten Blick ebenfalls diesen Eindruck vermitteln, aber dann doch eine tiefere Ebene offenbaren. Bei „Feet up“ hat Sophie den Text tatsächlich aus der Situation heraus geschrieben, dass sie zu Hause ist und Zeit hat, aber nicht weiß, was sie damit anfangen soll. Sie liegt zu Hause und denkt: „Ah, schön, endlich Zeit, aber irgendwie ist mir langweilig und ich kann nicht zur Ruhe kommen.“ Das war der Gedanke hinter dem Song. Auf der anderen Seite hören oder spielen wir den Song jedoch auch als einen uplifting Song und feiern ihn total. Meine Interpretation des Liedes ist zum Beispiel, dass ich es liebe, bewusst auf bestimmte Dinge zu verzichten und stattdessen „joy of missing out“ zu genießen (lacht). Ich bleibe gerne zu Hause, auch wenn gerade irgendwo eine Party stattfindet. Ich fühle mich wohl dabei, zu Hause zu bleiben. Wir projizieren unterschiedliche Dinge in das Lied. Aber es ist cool, dass die Leute dabei mittanzen und mitmachen, denn dann wird es für uns wirklich zu einem upliftigen Song.
Du erwähntest, dass die Ugly Clementines, so etwas wie deine „chosen family” sind. Nehmt ihr das auch auf Konzerten so wahr, wenn ihr live spielt?
Für uns ist das Album erst real, wenn wir es spielen. Es hat etwas gedauert, eh wir mit Album tourten, aber wenn dann die Leute kommen und „Hallo“ sagen oder man sie im Publikum sieht, da verspürt man etwas Positives. Es ist irrsinnig schön mit den Leuten zu connecten. Manchmal kriegen wir auch persönlich Nachrichten darüber, was ein Song für jemanden bedeutet oder wie er jemandem hilft, beziehungsweise wie sich Menschen darin sehen. Das ist wirklich, wirklich viel Wert. Das ist für uns das Schönste im Musikbereich und wir connceten uns auch sehr gerne mit den Leuten und erzählen uns dann immer im Bus was wir so gesehen oder erlebt haben oder richten einander etwas aus. Es ist wirklich irrsinnig schön.
Hard Facts:
- My Ugly Clementine: 9. Februar | 20 Uhr Franz Mehlhose | Löberstr. 12 | Erfurt
- Mehr: https://myuglyclementine.com
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