Die Punkrockband Wizo tourt gerade durch ganz Deutschland. 34 Konzerte in der ganzen Republik. Im Februar kommen Sänger und Gitarrist Axel Kurth, Bassist Ralf Dietel und Schlagzeuger Alex Stinson auch nach Jena, um Thüringen zu rocken. Wir haben mit Frontmann Axel Kurth gesprochen und erfahren, wie sich die Punkszene in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat, welche Themen den Musikern auf der Seele brennen und wann endlich ein neues Album erscheint.
2005 habt ihr euch nach 19 Jahren Bandgeschichte getrennt. 2010 standet ihr wieder auf der Bühne. Wie kam es dazu?
Bis 2005 hatten wir das erste Kapitel unserer Bandgeschichte einfach durchgespielt und merkten, dass wir an einem Punkt angelangt sind, an dem wir uns persönlich nicht mehr viel zu erzählen hatten. Ähnlich wie bei einem alten Ehepaar war einfach die Luft raus und es wäre Scheiße gewesen, den Leuten gegenüberzutreten und so zu tun, als wären wir die geilste Band der Welt mit dem Spaß unseres Lebens. Wir waren nach dieser langen Zeit einfach ausgepowert. Speziell, was die musikalische Inspiration angeht, waren wir durch.
Nach ein bis zwei Jahren, als Erwartungshaltung und der Druck der Medien verschwunden waren, konnte ich für mich ein wenig sortieren und überlegen, was gut ist und was nicht. Ich wusste, dass ich weiter Musik machen möchte. Und weil meine Stimme und meine Songs bis zu meinem Lebensende nach Wizo geklungen hätten, haben wir uns für den Namen entschieden. Alles andere wäre bescheuert gewesen.
Die Punker lassen es auf der Bühne richtig krachen:
Es gab schon einige personelle Wechsel in der Band. Habt ihr trotzdem noch Kontakt und versteht euch gut?
Wir verstehen uns eigentlich alle noch sehr gut. Zu unserem ersten Schlagzeuger haben wir den Kontakt verloren. Allerdings konnte vor Kurzem in Hamburg eine Spur von Ihm ausmachen. Zu unserem Schlagzeuger aus den 90er Jahren haben wir etwas weniger Kontakt, wenn wir uns aber mal sehen, ist alles cool zwischen uns.
Es war uns immer wichtig, ein gutes Verhältnis zu haben. Wir haben uns nicht zusammengetan, um Rockstars zu werden, sondern um miteinander Spaß zu haben. Wir wollten eine Band sein, die gemeinsam durch die Republik tourt und dabei Gleichgesinnte und andere Wahnsinnige trifft, die auf Punkrock stehen.
Für mehr freshe News und geilen Scheiß:
Beim Wort Punk hat man oft das Bild „Irokesenschnitt, Bier und Springerstiefel“ im Kopf. Gefühlt sieht man das immer weniger. Wird die Szene kleiner oder einfach unauffälliger und wie hat Sie sich entwickelt?
Die Punkszene hat sich dahin gehend verändert, dass Punkrock eigentlich eine Subkulturform von revoltierenden Jugendlichen aus Ende der 70er und dann noch mal Anfang der 90er war. Meiner Meinung nach geht es immer darum, dass die Leute ihr Nichteinverständnis erklären wollen, mit dem was die Gesellschaft für Sie geplant hat.
Es ging um diese Förmchen, in die man einfach nicht reinpassen wollte. Da nahm man lieber in Kauf, dass einen die Leute Scheiße finden, und macht sich noch bunter und auffälliger. Das hat sich natürlich gewandelt. Die heutigen Generationen haben keinen Ansatzpunkt mehr in der heutigen digitalisierten Zeit. Es ist alles viel komplexer geworden. Um aufzufallen, kann man der Gesellschaft nicht einfach mehr einen Stinkefinger zu zeigen.
Die eigentliche Punkszene ist natürlich älter geworden, was aber nicht heißt, dass nicht jedes Jahr neue Menschen dazu stoßen. Das wirklich Wichtige ist: dieser Ausdruck des Nichteinverstandenseins mit dem, worauf die Gesellschaft ausgerichtet ist, dem Produzieren von maulhaltenden Arbeitstieren. Das ist weiter in den Leuten geblieben.
Es ist wichtig, dass Menschen sagen, sie wollen Menschlichkeit, Gleichberechtigung und sich nicht in leistungsfähig und nicht leistungsfähig spalten lassen. Wir versuchen das zu illustrieren und das kommt gut an. Wir haben aktuell den größten Zulauf in unserer Bandgeschichte.
Die Aktuelle Single von WIZO – „Ich War, Ich Bin und Ich Werde Sein“:
Politische Debatten rund um Einwanderung und Fremdenhass haben in den letzten Jahren die Schlagzeilen geprägt. Hat sich eure politische Denkweise verändert und ist es heute umso wichtiger, dagegen zu singen?
In früheren Zeiten wurde Politik nicht in dieser Form genutzt, dass Leute einen persönlichen Nutzen daraus ziehen konnten. Sprich, es gab nicht so viele Schreihälse, die sich profilieren wollen und noch härter zwischen Menschen aufgrund irgendwelcher Unterschiede differenzieren, die komplett virtuell sind.
Das hat sich definitiv verschärft und deswegen ist es von unserer Seite aus noch wichtiger geworden, klare Kante zu zeigen. Gerade wenn wir Zulauf aus dem Mainstream oder von jüngeren Leuten haben, ist es uns umso wichtiger, den Menschen klarzumachen, dass wir alle die gleichen Ärsche im Raum der Zeit sind, wie wir auch in einem unserer Lieder singen.
Es geht nicht, dass Leute auf Kosten anderer Menschen leben oder sich profilieren wollen, Macht und Geld verdienen wollen, indem sie auf schwächere Menschen rumhacken, nur weil diese nicht die Möglichkeit haben, so laut rumzubrüllen, wie sie es können.
Das Aktuelle Album „DER“ auf Spotify:
Der Nährboden, den rechte Schreihälse gerade finden, ist leider sehr fruchtbar. Viele Menschen sind in der heutigen Zeit einfach orientierungslos, weil sich die Welt so schnell dreht und sie Angst haben, den Anschluss zu verlieren und ihnen jemand etwas wegnehmen könnte. Diese Menschen sind dann sehr anfällig für diese einfachen Lösungen. Daher ist es uns umso wichtiger, nein zu sagen. Es gibt ganz klare Grenzen: der Punkt, an dem Menschen in Klassen unterteilt werden, es bessere oder schlechtere, lebenswerte oder nicht lebenswerte Menschen gibt. Da ist bei uns ganz schnell Schicht im Schacht und dann schreien wir auch ganz laut Stopp.
Euer aktuelles Album „DER“ erschien 2016. Ende 2018 kam eine neue Single. Habt ihr ein neues Album in Planung?
Ja. Ein neues Album wird kommen. Wir sind auch schon mitten in den Arbeiten daran. Allerdings waren die Vorbereitunge für so eine große Tour, wie wir sie gerade machen, mit 34 Konzerten, zu groß und langwierig. Wir kamen im Herbst an einen Punkt, an dem wir dachten: Entweder wir machen unser Album schlampig fertig oder wir verschieben die Albumproduktion und machen das lieber nach der Tour – in Ruhe, sodass es auch wirklich gut ist. Wir hauen auf keinen Fall irgendeinen halb garen Scheiß raus, wollten mit der Single den Leuten aber zeigen, dass wir noch am Leben sind.
Auf eurer Website und auf dem Tourplakat sind immer wieder Hunde zu sehen. Streichelt ihr die gerne oder stehen die für etwas?
Die Hunde haben mit dem derzeitigen Titel unserer Tour „Die Schönheit des Verfalls“ zu tun. Wir befinden uns gerade in der Situation, wo alles um uns herum schlechter zu werden scheint. Die Umwelt geht immer mehr kaputt, die Gesellschaft geht immer mehr vor die Hunde und humanitäre Werte sind am Sack. Und da habe ich es ja schon gesagt: ‚Geht vor die Hunde‘, da kommen für uns dann die Hunde ins Spiel.
Wir wollten das mit unserer eigenen Ironie illustrieren, bei der wir uns selbst ja auch nie zu ernst nehmen. Wir selbst werden auch nicht schöner und sind mittlerweile auch schon alte Säcke. Plötzlich hat man graue Haare und dicke Bäuche. Diesen Verfall sehen wir deutlich und wollen die Leute auffordern, mit ihrem eigenen Verfall zu unseren Konzerten zu kommen, um mit uns die schönen Momente zu feiern.
WIZO findest du auch auf Facebook:
Ich bin auf ein Projekt einer Fotojournalistin aus San Francisco aufmerksam geworden, die Hunde einmal als Welpe und einmal als Rentner fotografiert hat. Und wenn wir eins gelernt haben, schauen wir ja in schlechten Zeiten alle gerne Katzenbilder im Internet oder Fotos von Hundebabys an. Das ist natürlich auch ein kleiner Seitenhieb von uns.
Diese Fotografin hat ihre eigene Dackeldame Lilli fotografiert. Einmal als Welpe und einmal mit 15 Jahren. Ich habe sie dann gefragt, ob wir den Hund für unsere Artworks verwenden dürfen. Sie war super gerührt und meinte, wir dürfen natürlich ‚The Love of Lilli Jones‘ verbreiten. Und so haben wir Dackeldame Lilli einmal in jung und einmal in alt als Gegenüberstellung und als Illustration des Verfalls zu unserem Titelhund gemacht.
WIZO rockten 2016 auf dem Taubertalfestival:
Stehen dieses Jahr auch wieder so viele Festival- Shows auf dem Plan wie 2018?
Wir spielen ja eigentlich nicht viele Festivals, da wir der Auffassung sind, dass bei Festivals zwar superviele Menschen zusammenkommen, ein Wizo-Konzert allerdings Kommunikation mit den Leuten in einer Schuhschachtel ist. Am liebsten noch mit einem Deckel drauf.
So funktionieren unsere Konzerte am besten und wir sind gar nicht so scharf darauf, auf jedem Kartoffelacker zu spielen. Nach so einer großen Tour, wie wir sie aktuell spielen, brauchen wir uns außerdem auch nicht mehr blicken zu lassen. Wir sind dann sowieso schon abgespielt. Im Jahr 2019 werden wir also auf keinem Festival sein.
Am 5. Februar seid ihr im F-Haus in Jena live zu sehen. Können wir uns auf eine Mischung aus alten und neuen Liedern freuen?
Wir spielen sehr viele Songs aus unseren frühen Zeiten, aber auch viel aus den neuen und mittleren Alben. Wir mischen sehr gut durch. Es ist für uns unglaublich, wenn wir einen alten Song spielen und sehen wie die Leute dazu abgehen. Dadurch bekommen wir so viel Energie, Glück und Dankbarkeit von den Leuten. Das ist unfassbar.
Für uns sind alte Lieder auch eine nostalgische Sache, schließlich sind das Teile unserer Vergangenheit. Wir versuchen den Leuten einen guten Querschnitt zu bieten und schöpfen aus dem Vollen. Wir freuen uns sehr auf Jena. Die Leute können gespannt sein.
Mit einem Klick zur WIZO Website:
Hard Facts:
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Wann: 5. Februar 2019 – 20 Uhr
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Wo: F-Haus Jena
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Tickets gibt´s hier
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