Ein Gefühl des Aufbruchs lag im Jahr 1988 in der Luft. Wie viele andere Menschen, trieb es auch einige Erfurter Künstler*innen aus der DDR in den Westen. Dies nahm Marlies Schmidt, die frühere Galeristin des Kunsthaus Erfurt, zum Anlass eine Bestandsaufnahme zu machen. Wie war die Situation für die Künstler*innen? Gab es ausreichend Atelierräume? Konnten sich die Künstler*innen hinreichend entfalten? Der Bedarf war und ist da. Kunst braucht Raum für Begegnung, Austausch und vor allem zur Präsentation.
Die erste und einzige Künstlerinnen-Gruppe der DDR
Anfang der 80er Jahre kam, die heutige Leiterin, Monique Förster nach Thüringen. Hier lernte sie Gabriele Stötzer kennen, mit der sie bis heute eine Freundschaft verbindet. Die beiden Frauen begannen zusammen Kunst zu machen. „Es war nicht unser Plan eine Künstlerinnengruppe zu gründen. Wir haben einfach als Freundinnen zusammen künstlerisch gearbeitet.“ erinnert sich Monique im Gespräch mit dem t-akt-Magazin. Bei ungezwungenen Treffen im Bekanntenkreis, kamen sie mit weiteren Frauen ins Gespräch, welche sich ihnen daraufhin anschlossen. Im Jahr 1984 war die „Künstlerinnengruppe Erfurt“, welche später in „Exterra XX“ umbenannt wurde, geboren. Sie sollte die einzige dieser Art in der DDR bleiben.
Mit der Wende kamen neue Möglichkeiten
Über die Jahre hinweg, wuchs der Wunsch nach einem festen Ort. Mit der Wende kamen viele Veränderungen, aber vor allem neue Möglichkeiten. Die Gruppe bewarb sich auf ein Haus, welches sie zwar aus eigener Kraft sanieren mussten, aber in dem sie ihre Träume verwirklichen konnten und bekamen den Zuschlag. Das damals noch baufällige Haus in der Michaelisstraße wurde zum Sitz des „Kultur-, Kunst- und Kommunikationszentrums“. In den folgenden Jahren wurden Förderanträge gestellt, Kredite aufgenommen und Wände eingerissen, um Stück für Stück die Räume im neuen Gewand erstrahlen zu lassen.
Von der ersten Ausstellung bis heute
Nach der Vereinsgründung 1990, war es ein Jahr später endlich soweit: die erste offizielle Ausstellung im Kunsthaus mit dem Titel „Querschnitte“ präsentierte die Erfurter Kunstszene. Zuvor gab es eine Reihe von Ausstellungen und Installationen in den Schaufenstern des Hauses und Performances im öffentlichen Raum. Die Künstlerinnengruppe erlangte über die Landeshauptstadt hinaus Bekanntheit und performte in ganz Deutschland, sowie europäischen Städten wie Amsterdam und Paris. Mit dem Kunsthaus als Basis, erfüllten sich die Künstlerinnen so manchen Traum. Noch vor der ersten großen Ausstellung eröffneten sie unter dem Dach das Café „Rapunzel“, welches sich rasch zum „Place to be“ entwickelte. „Der Ansturm war manchmal so groß, dass die Leute im Treppenhaus saßen. Es gab Einlassstops und wir mussten dazu übergehen Mitgliedskarten zu verteilen“ beschreibt Monique die Umstände jener Zeit.
Galerie für zeitgenössische Kunst
Heute ist das Kunsthaus – als Galerie und Projektraum für zeitgenössische Kunst – eine gesetzte Institution innerhalb Erfurts, welche in den vergangen drei Jahrzehnten über 1700 regionale bis internationale Künstler*innen in über 360 Ausstellungen gezeigt hat. Aktuell kann dem Geist der Anfangsjahre ein wenig nachgespürt werden. Die Ausstellung „Paroli“ des Künstlers Christian Claus, kann bis Ende des Jahres durch die Schaufenster im EG betrachtet werden, während hinter den Kulissen saniert und organisiert wird.
Das Kunsthaus Erfurt ist auch für mich – als jüngstes Vereinsmitglied – ein zweites Zuhause. Über die letzten Jahre hinweg ist Monique Förster für mich Mentorin, Ansprechpartnerin und Freundin geworden. Darüber bin ich sehr dankbar.
Hard Facts:
- Kunsthaus Erfurt | Michaelisstraße 34 | Erfurt
- Dienstag bis Freitag | 12-18 Uhr
- Aktuelle Ausstellung: PAROLI (Christian Claus) | 13.11.-31.12.2020
- Besucht das Kunsthaus Erfurt auf der Homepage, Facebook und Instagram.
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