Wir haben uns zur aktuellen Situation viele Gedanken gemacht, wie wir mit dem Krieg in der Ukraine umgehen wollen und haben gemeinsam befunden, dass es gerade jetzt wichtig ist, ein Zeichen für Frieden und Toleranz zu setzen. Die Jüdisch-Israelischen Kulturtage stehen seit jeher auch für ein friedliches Miteinander. Aus aktuellem Anlass widmen wir unsere Abschlussveranstaltung am 7. April im Erfurter Zughafen als Benefizkonzert den Geflüchteten aus der Ukraine“, erklärt Johannes Gräßer. Dem Leiter der Jüdisch-Israelischen Kulturtage Thüringen ist es wichtig, die Rolle des Festivals in diesen schweren Zeiten zu betonen. Wir haben mit Johannes über das 30. Jubiläum der Veranstaltungsreihe gesprochen, die am 24. März startet, bis Mitte April andauern und im November 2022 eine Fortsetzung findet.
Im März starten die Jüdisch-Israelischen Kulturtage. Was können denn die Leute erwarten?
Zahlreiche Veranstaltungen unterschiedlicher Genres in ganz Thüringen. Wir sind in sieben Städten unterwegs, aber natürlich gibt es auch viele Veranstaltungen in Erfurt weil sich dort die jüdische Landesgemeinde befindet. Seit Ende vergangenen Jahres ist sie Mitveranstalter der Kulturtage, gemeinsam mit dem Förderverein für Jüdisch-Israelische Kultur in Thüringen. Das Festival rückt somit noch näher an die Gemeinde heran, die auch wesentlich die Inhalte mitprägt. Wir sprechen deshalb jetzt von den Kulturtagen der jüdischen Landesgemeinde.
Du sagst es schon. Das ist ja etwas Besonderes, dass die hier in Thüringen lebenden Juden Mitorganisatoren sind. Wie äußert sich das?
Zum einen gibt es einen Beirat, der die wesentliche Ausrichtung vorgibt. Dieser besteht zu gleichen Teilen aus Mitgliedern der Jüdischen Landesgemeinde und des Fördervereins. Mein Büro befindet sich im Gebäude der Synagoge wo ich sehr eng mit dem Landesrabbiner Alexander Nachama zusammenarbeite. Wenn es um die Programminhalte geht, stimme ich mich ab, um die Bedürfnisse zu berücksichtigen. Dabei entstehen auch neue Ideen wie das Format „Der Rabbiner lädt ein“. Alexander Nachama wird in dieser Reihe vor Publikum selbst gewählte Themen besprechen und sich dazu Gäste einladen wie beispielsweise den Professor für Religionsgeschichte, Alfred Bodenheimer, der gleichzeitig Krimiautor ist.
Das bringt ja auch mehr Authentizität, oder?
Absolut. Man kann immer viel über Menschen reden, aber viel wichtiger ist doch, dass man mit Menschen redet. Wir haben dazu einiges neu überlegt. So öffnen wir nicht nur das Kulturzentrum der Landesgemeinde für die Besucher der Veranstaltungen, sondern auch die Neue Synagoge. Dort gibt es zum Beispiel ein Kantorenkonzert. Wichtig ist der Gemeinde auch, dass thüringenweit verstärkt an Orten mit jüdischem Bezug Veranstaltungen stattfinden. Es gibt im ländlichen Raum wie beispielsweise in Mühlhauen und Nordhausen Synagogen und ehemalige Synagogen. Das ist etwas Besonderes, und darauf wollen wir aufmerksam machen. Künftig wird es auch keine Veranstaltungen mehr an Freitagen geben, denn da beginnt der Schabbat, der Tag der Ruhe. Das ist ein klares Signal in die nicht-jüdische Welt. Die Kulturtage werben im Jubiläumsjahr außerdem mit einem neuen, markanten Logo in der Öffentlichkeit. Es orientiert sich stark am Davidstern und den Farben der israelischen Flagge. Auch an diesem Prozess hat die Gemeinde mitgewirkt.
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Ihr stellt euch jetzt generell neu auf, wie ich hörte?
Ab 2023 werden die Jüdisch-Israelischen Kulturtage ausschließlich im Frühjahr stattfinden. Und zwar immer zwischen den beiden jüdischen Fest- und Feiertagen Purim und Pessach. Es gibt im jüdischen Kalender den Monat Adar in dem Purim stattfindet, und dieser Monat ist ein Freudenmonat. Da passt es aus Sicht der Gemeinde einfach besser, ein freudiges Festival zu feiern als im November. Das sieht auch der Förderverein so und viele Mitglieder der Gemeinde stimmten der neuen Planung ebenfalls zu. Das Gedenken an die Shoa werden wir dennoch wie bisher immer ins Programm einbeziehen. Die beiden Festival-Ausgaben in diesem Jahr sind eine Ausnahme. Aber zum 30-jährigen Jubiläum der Jüdisch-Israelischen Kulturtage in Thüringen kann man ruhig auch zwei Mal feiern!
Stichwort Jüdisch-Israelisch: Man könnte es ja auch einfach jüdisches Festival nennen. Warum also eigentlich jüdisch-israelisches Festival?
Es ist wichtig, im Rahmen der Kulturtage auf die Kulturen in Israel Bezug zu nehmen, und deshalb spiegelt sich das auch im Namen wider. Weil der Staat Israel für Juden aus aller Welt wie eine Lebensversicherung ist. So sagt es der Vorsitzende der Jüdischen Landsgemeinde, Professor Dr. Schramm. Letztendlich verstehe ich das auch als Auftrag. Während der Arbeit am Programm habe ich zudem meine persönliche 3G-Regel aufgestellt: Geschichte, Gedenken und Gegenwart. Diese drei Aspekte sind für mich Leitgedanken bei der Gestaltung. Mein Fokus liegt auf einer lebendigen Gegenwartskultur, die Geschichte und Gedenken berücksichtigt und einbezieht. So gibt es Führungen zu den Gedenknadeln oder auch Veranstaltungen, die sich direkt mit dem Holocaust beschäftigen. Zu den musikalischen Veranstaltungen oder Lesungen haben Akteur:innen eingeladen, die entweder aus Israel kommen oder einen israelischen und/oder jüdischen Bezug haben.
Ist das der Tenor, der durch das Festival zieht, dass die Menschen, die ihr einladet aus dem Kontext kommen? Also es könnte ja auch eine Klezmer-Band aus Deutschland auftreten …
Richtig, danke für das Stichwort. Es gibt das Klischee, vorrangig in Deutschland, das jüdische Musik gleich Klezmer-Musik ist. Das ist natürlich völliger Quatsch, denn es gibt so viel mehr! Es wird auch Klezmer geben. Wir haben z.B. auch eine Jazzband aus Israel eingeladen, die in Erfurt, Jena und Nordhausen spielen wird. Ich möchte indirekt eine Offenheit für Unerwartetes und Anderes wecken. Wir sollten immer neugierig sein, denn so können wir zu mehr Toleranz in unserer Gesellschaft beitragen. Die Kinofilme „Masel Tov Cocktail“ oder „Menashe“, die wir im vergangenen November im Zughafen gezeigt haben, haben beispielsweise dazu geführt, dass viele Besucher hinterher sagten: Wow. Das wusste ich noch gar nicht!
Ihr wollt neue Räume entdecken und ein freudiges Fest der Gegenwart machen. Da liegt es doch auch nicht fern, dass ihr einen DJ aus Israel einladet oder? Wollt ihr euch sozusagen vom „verstaubten Image“ befreien?
Ich würde sagen, dass wir bewährte Formate weiterhin anbieten und durch neue Formate ergänzen. Und ja, Ich würde sehr gern einmal einen Elektro-DJ aus Israel einladen. Das kann ich aber natürlich erst dann machen, wenn viele Leute ohne Maske wieder in Clubs dürfen und tanzen können.
Warum ist es denn immer noch wichtig den Menschen in Thüringen und auch in Deutschland die jüdische Kultur nahe zu bringen?
Das Judentum ist ein Bestandteil der Gesellschaft in unserem Land. Und doch ist das Wissen über tatsächliches lebendiges Judentum immer noch sehr gering. Viele Menschen in Deutschland verbinden das Judentum vor allem mit dem Holocaust. Dieses Bewusstsein ist wichtig. Aber Jüdinnen und Juden sind unsere Nachbarn und leben wie alle anderen auch ganz normal. Wir wollen gegen Vorurteile und mangelndes Wissen angehen. Und dafür leisten die Kulturtage seit 30 Jahren einen wichtigen Beitrag.
Letzte Frage, was sind deine Highlights?
Natürlich empfehle ich alle Veranstaltungen, aber zu meinen Highlights zählen definitiv das Konzert des Nigun Quartets mit dem Bernewitz Trio im Zughafen Erfurt, die Weltpremiere des Glikl-Oratorium am 31. März im Kaisersaal und der Thüringen-Besuch von Yuriy Gurzhy, der sein Buch „Richard Wagner und die Klezmer-Band“ in insgesamt fünf Thüringer Städten vorstellt. Als Ukrainer wird Yuri natürlich auch Bezug zur aktuellen Situation nehmen.
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Termine
- Jüdisch-Isarelische Kulturtage Thüringen: 24. März bis 7. April
- Wo: in ganz Thüringen
- Programm: Homepage
- Tickets: ticketshop-thuering.de