Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown #2 mit Erfurter Küchenchefin Karina Both-Peckham
In unserer Interviewreihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir nach einem Jahr Shutdown erneut mit Karina Both-Peckham. Karina ist die Küchenchefin im kleinen Bistro-Café-Restaurant „Peckham’s“ in Erfurt, das sie mit ihrem Mann betreibt. Abgesehen davon ist sie Foodbloggerin, Kochbuchautorin und Rezepterfinderin.
Wie sieht aktuell die Lage bei dir aus?
Obwohl uns der zweite Lockdown unerwartet und erneut über all unsere Geschäftsbereiche hinweg – von Café-Bistro bis Belieferung externer Cafés und unser Bed & Breakfast – getroffen hat, blicken wir zuversichtlich in die Zukunft. Wir haben im zweiten Lockdown sofort wieder mit dem Fensterverkauf gestartet, der uns – in Kombination mit den Hilfen – bereits durch den ersten Lockdown gerettet hat. Unsere treuen Gäste und wir sind nach insgesamt mehr als 6 Monaten Existenz im Lockdown ein eingespieltes Team – wir sind unendlich dankbar, dass wir so viel Unterstützung und Solidarität erfahren.
Wie steht es um die Finanzen, gab es Hilfe von außen?
November und Dezember 2020 waren harte Monate – staatliche Hilfen wurden versprochen, doch es passierte sehr lange nichts. Ohne unsere kostenintensive Dispo und die Unterstützung unserer Gäste im Fensterverkauf hätten wir es Ende letzten Jahres nicht mehr geschafft, alle Rechnungen zu zahlen. Daher war die Erleichterung groß, als dann – mit fast 2 Monaten Verzögerung – die erste Abschlagszahlung kam. Mittlerweile sind die November- und Dezemberhilfe vollständig bei uns eingegangen. Auch von unseren wundervollen Lieferanten, wie der Naturkost Erfurt, haben wir große Unterstützung erfahren. Das verschafft etwas Luft zum Atmen, die wir im anhaltenden Lockdown noch dringend brauchen werden.
Was hat sich im vergangenen Jahr alles verändert? (Umstrukturierungen, etc.)
Wir arbeiten seit März 2020 durchgängig im Ausnahmezustand. Im Lockdown-Modus fokussieren wir uns auf die einzige Möglichkeit, die uns noch bleibt: den Fensterverkauf unseres Mittagessens to go. Im Sommer 2020 kehrte die viel gepriesene ’neue Normalität während Corona‘ bei uns ein, mit umfassendem Hygienekonzept und reduzierten Sitzplätzen. Wir haben wirklich daran geglaubt, dass gute Vorbereitung und die konsequente Umsetzung aller Maßnahmen auch in der erwarteten zweiten Corona-Welle im Herbst einen weiteren Lockdown verhindern wird. Während wir uns gut gewappnet wussten, war die Vorbereitung und vorausschauende Planung aber an vielen anderen Stellen – sei es Seitens des Bundes, der Ministerien, Länder, Kommunen oder Ämter – für mich völlig unerwartet mehr als mangelhaft.
Was angesichts steigender Zahlen folgte, war blinder Aktionismus in Form des ineffizienten ‚Lockdown light‘, der so lange an den falschen Stellen ansetzte, bis die Zahlen so hoch waren, dass kein weiterer Ausweg blieb, als in den härteren Lockdown zu gehen, in dem wir nun ausharren, bis wieder Lockerungen möglich sind. Nachdem ich meine persönliche Enttäuschung und Wut über die verpassten Chancen und die Fehleinschätzungen überwunden hatte, habe ich gemeinsam mit meinem Mann und unserem Team alle Energien in den Aufbau funktionierender Strukturen im Lockdown-Modus fließen lassen. So mussten wir zwar teilweise Kurzarbeit anmelden, können aber ohne langfristig einschneidende Umstrukturierungen vornehmen zu müssen, mit unserem Team im reduzierten Fensterverkaufs-Modus weiterarbeiten. So bleiben wir alle im „Flow“, wie ich es gerne nenne – sowohl wir als Unternehmen mit unserem Team, als auch unsere Gäste, was sehr wichtig ist, um ’nach dem Lockdown‘ wieder nahtlos in den eingeschränkten Regelbetrieb übergehen zu können.
Ziehst du etwas Positives aus der Zeit?
Überraschend viel. Trotz allem. Die letzten Monate waren eine wahnsinnig intensive Zeit. Ich habe viel gelernt, über unsere Gesellschaft, über politische Strukturen – und beider Möglichkeiten und Grenzen. Wir haben viel Solidarität erfahren, die werde ich voller Dankbarkeit immer im Herzen behalten. Und nicht zuletzt macht Not erfinderisch, es stimmt tatsächlich: Ich habe an meinen persönlichen Gewürzmischungen getüftelt, die bald in 4 Sorten als ‚Glück im Glas‘ erhältlich sein werden. Ich habe im ersten Lockdown ein Buch geschrieben – mein „Corona Diary: Auf ein Mittagessen to go“ hätte ich im November 2020 im Theater Erfurt präsentieren dürfen. Die Veranstaltung ist dann leider, zumindest vorübergehend, dem zweiten Lockdown zum Opfer gefallen. Das war wahrlich paradox: Ohne Corona hätte es meine Corona Diary Lesung im Theater nie gegeben. Mit Corona aber auch nicht. Dafür schreibe ich jetzt bereits an Teil 2 – aus dem Leben einer Gastronomin im Lockdown 2.0.
Wie blickt ihr in die Zukunft?
Positiv. Ich bin einfach ein unverbesserlicher Optimist, selbst wenn der zweite Lockdown meine Erwartungshaltung an die Möglichkeiten ‚der Politik‘, wie immer so schön übergreifend gesagt wird, sehr geerdet hat. Was bei allem verbleibenden Optimismus nicht heißt, dass ich denke, dass wir bald alles hinter uns gebracht haben werden. Aber ich habe die Zuversicht, dass wir mit einer gesunden Mischung aus Erfindungsreichtum, Solidarität und staatlichen Hilfen auch diesen Lockdown und die Zeit danach meistern werden.
Lest hier das Interview vom letzten Jahr mit Karina
Hard Facts:
- Wo? “Peckham’s” | Pergamentergasse 11, 99084 Erfurt
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