Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown #2 mit Steffen Müller
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir ein Jahr später erneut mit Steffen Müller. Steffen ist Vereinsvorsitzender des Klanggerüst e.V. Das Klanggerüst ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung von Kunst- und Kulturschaffenden. Der Verein engagiert sich seit seiner Gründung 2007 in der Erfurter Kulturszene. Konkret zeigt sich das in der Durchführung von Veranstaltungen und Projekten. Dazu zählen unter anderem Konzerte, Lesungen, Jam Sessions, Partys, Ausstellungen, Poetry Slams, Theater und Street Art.
Wie sieht aktuell die Lage nach einem Jahr Corona bei euch aktuell aus?
Ziemlich gut. Zwar haben wir einen Engpass, was neue Mitglieder anbelangt. Ansonsten sehen wir die Herausforderung als Chance, das ist im Klanggerüst irgendwie schon immer das Mantra (lacht). Unser stark in die Jahre gekommenes Vereinsheim muss dringend in die Kur, damit wir nach Corona und langfristig überhaupt weitermachen können. Um das zu schaffen, laufen seit einiger Zeit Umbauarbeiten vom Keller bis zum Dach. Eine richtig coole Sache ist, dass wir nun eine Belüftungsanlage haben. Die Umbauten werden uns sicher noch das ganze Jahr beschäftigen.
Wie steht es um die Finanzen, gab es Hilfe von außen?
Tatsächlich plagen uns bislang kaum finanzielle Sorgen. Es spielt uns sicher in die Karten, dass wir ein Verein sind und keine kommerziellen Ziele verfolgen. Zwar fehlen Einnahmen aus Veranstaltungen, während die Betriebskosten weiterlaufen. Einen Teil davon decken wir aber durch die weiterhin vermieteten Proberäume, Studios und Ateliers in der Klanggerüst-Villa. Wir haben uns außerdem intensiv um Fördermittel bemüht, die natürlich in der Regel zweckgebunden sind. Ab März beschäftigen wir einen Bufdi, haben eine befristete Minijobstelle für unsere Verwaltung geschaffen und können sogar Honorarkräfte bezahlen. All das bringt eine ganz neue Qualität unserer Vereinsarbeit mit sich.
Was hat sich im vergangenen Jahr alles für euch verändert?
Unseren Veranstaltungskalender mussten wir gänzlich über den Haufen werfen und improvisieren. Insgesamt hat die Corona-Notbremsung dem Verein tatsächlich gutgetan. In den vergangenen Jahren hatten wir uns mit zu vielen, teils sehr großen Veranstaltungen selbst ans Limit gebracht. Wir haben die Gelegenheit genutzt, uns einmal mehr neu erfinden, neue und digitale Formate auszuprobieren und weiter am langfristigen Fortbestehen unseres Vereins zu arbeiten.
Was hast du/habt ihr im vergangenen Jahr gemacht – konntest du die Zeit nutzen?
Corona zum Trotze konnten wir voriges Jahr rund 60 Veranstaltungen machen. Keine Raves mehr, dafür zahlreiche kleinere Veranstaltungen – im Freien und mit ausführlichem Hygienekonzept oder eben per Stream. Wir hatten Jamsessions am Lagerfeuer, Poetry Slam, Filmabende, Lesungen, interkulturelle Begegnungen. Im „Klanggerüst TV“ auf YouTube haben wir verschiedene Formate gezeigt. Von Konzerten über Lesungen und Techno bis hin zu Diskussions- und Spielrunden war alles dabei. Außerdem wollten wir Kultur zum selber machen anbieten und haben das mit einem vielfältigen Workshop-Programm umgesetzt.
Ziehst du etwas Positives aus der Zeit?
Natürlich ist es eine Zeit voll des Entbehrens, klar. Aber, wie erwähnt, war die „Notbremsung“ für uns die willkommene Möglichkeit, uns neu zu erfinden. Wir hatten unser Limit erreicht; hatten zu wenig Zeit für uns und das Miteinander im Verein; zu wenig Space, um unsere eigene Linie zu fahren. Mittlerweile sind wir dankbar für jede Veranstaltung, sind statt Getriebenen wieder die Treibenden im Erfurter Kulturgeschehen, haben weniger Chaos und dafür mehr Herzblut in allem, was wir tun.
Wie blickst du/ihr in die Zukunft?
Als hedonistische Internationale trotzen wir dem pandemischen Armageddon! Wir rufen auf zu Solidarität, Empathie, Mut, Liebe und Hoffnung! Corona wird gehen, die Kultur wird bleiben.
Lest hier das Interview mit Steffen aus dem letzten Jahr
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