Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit Phillip Neues vom Franz Mehlhose Erfurt
In unserer neuen Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Philip Neues von der Franz Mehlhose. Das Konzert-Café oder die Kleinkunst-Bar ist ein Ort für alternative Kultur wird von Ralf und Philip Vater und Sohn, seit 2010 als Familien-Betrieb geführt. Die Mehlhose bietet ein buntes Programm von Bar über Kino bis Konzert. Was Franz Mehlhose genau ist, könnt ihr in unserem tollen Beitrag lesen.
Erzähl doch mal, wie läuft es aktuell bei euch?
Wie läuft es bei uns. Wir haben aktuell zu und machen im regulären Betrieb gar nichts. Das Café ist geschlossen und auch Veranstaltungen haben wir erstmal nicht. Das heißt, dass wir, was die Planung angeht, nichts Konkretes haben. Wir wissen ja nicht, ab wann es wieder Sinn macht, Veranstaltungen anzusetzen. Ob das im Herbst erst weitergeht oder im Winter und unter welchen Beschränkungen. Das heißt, die ganze Veranstaltungsplanung ist extrem schwierig zurzeit und macht auch keinen Sinn. Manche sind ja optimistisch und setzen irgendwas für Mai an, für uns sind alle Veranstaltungen im April und Mai jetzt erstmal flach gefallen.
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Habt ihr Angst vor der Zeit danach oder sagt ihr „Wir packen das schon!“?
Angst haben wir nicht, wir sind eigentlich auch so gepolt, dass wir mit allen möglichen Situationen gut umgehen können. Da hatten wir schon viel beschissenere und unsicherere Zeiten. Also es ist besser, dass das jetzt passiert, als noch vor ein paar Jahren, wo man noch super viele Anschaffungen machen musste, auch für den Club. Wir haben jetzt viel mehr Technik da, die wir uns vorher mieten mussten und unsere Abläufe haben sich verbessert.
Wir wissen ein bisschen mehr, was wir machen können. Dann lässt man mal ein paar Bands weg, die kostenintensiver sind und dann kommt man schon irgendwie klar mit der Situation. Wir schauen eigentlich positiv in die Zukunft, weil wir merken, dass die Community uns unterstützt und wir eine große Anteilnahme bekommen und viele Leute auch sagen, dass wir weitermachen müssen. Und das ist schon cool und dafür machen wir das ja.
Macht ihr aktuell irgendwelche Aktionen, um trotzdem weiterhin Einnahmen zu haben?
Wir haben aufgrund unserer Lage einen Online-Shop gestartet, den hatten wir eh schon geplant , weil die Leute eben auch für außerhalb Gutscheine bestellen wollten und die Shirts, die wir gemacht haben, wollten wir unter die Menschen bringen. Dann haben wir CD-Pakete geschnürt, wo man fünf Überraschungs-CDs kaufen kann und wir stellen etwas schönes zusammen. Das ist immer ganz lustig, zu schauen, was denen den Kunden so gefallen könnte. Ein paar Gäste kennen wir ja und dann sagen wir „Ah, das könnte denen gefallen“ und dann stellt man das individuell zusammen.
Wir haben schon recht viele Shirts verkauft und auch unsere Beutel, was sehr cool ist, wenn die Leute damit durch die Stadt laufen. Das hat uns total gefreut, dass damit jetzt so eine Solidarität verbunden ist und die Leute das dann präsentieren und sagen „Hier, ich habe was dafür getan, dass der Club überleben kann.“ Wer für uns bei PayPal spendet, bekommt eine individuell illustrierte Postkarte zugesandt. Das sind alles Unikate. Und die Pakete vom Online-Shop bringen wir innerhalb Erfurts selbst vor die Haustür. Es ist ganz lustig zu sehen, wo die Leute so wohnen und dass sie nicht zu uns kommen, sondern wir zu ihnen. Es haben aber auch schon Leute aus anderen Städten bestellt, vielleicht ehemalige Studenten und Gäste, die jetzt zu Hause.
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So ein bisschen Quarantäne-Programm haben wir ja schon gemacht, beziehungsweise noch geplant mit Bands, die dann eben ein bisschen was streamen. Aber wir wollen natürlich auch Vorbild sein und nicht acht Leute in einem Raum packen. Mit einem Pianisten, der jetzt im März gespielt hätte, machten wir einen Stream von ihm zu Hause aus, das ist super gut angekommen. Und wir wollen auch noch ein paar andere Sachen machen. Über Ostern ist eine Yoga-Session geplant, bei der es online einen Yoga-Kurs gibt.
Welche Posten müsst ihr trotz Schließung aktuell noch tragen?
Mitarbeiter haben wir trotzdem noch, die sind in Kurzarbeit. Die Kosten laufen weiter. Gut ist, dass uns das Haus gehört. Also klar, es muss immer noch ein Kredit abgezahlt werden, aber wir haben keinen Pächter oder Vermieter, der uns den Laden zu machen kann, wenn wir die Miete nicht zahlen. Das ist eine große Entlastung.
Unser Umsatz ist natürlich total eingebrochen, aber es lässt sich bestimmt erst Ende des Jahres Bilanz ziehen. Und die Frage ist ja, ob die Leute dann auch gleich wiederkommen? Es heißt nicht, dass es dann sofort weitergeht. Mit den Beschränkungs-Abschwächungen wird es langsam anlaufen und das wird sich schon noch ziehen.
Bekommst du von außen Hilfe?
Wir haben Unterstützung beim Staat angefordert, mal sehen was da kommt.
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Was erwartet ihr jetzt von der Politik?
Unsere Erwartungshaltung ist da irgendwie ziemlich niedrig. Wir sind kein Verein oder so, von daher ist es so, dass wir eh schon immer alles selbst finanziert haben. Mein Vater betreibt nebenbei noch eine Firma und er dafür gesorgt, dass wir alles so stemmen können. Deswegen lernten wir irgendwie unabhängig zu sein, Geld zu akquirieren und uns so durchzuboxen. Dadurch, dass es mittlerweile eine große Community gibt, eine große Reichweite an Stammgästen, die regelmäßig kommen, hält uns das am Leben. Dass Leute regelmäßig wiederkommen und eine Verbindung zur Mehlhose haben. Und das wollen wir auch beibehalten.
Hast du Tipps, um das Beste aus der Lage zu machen?
Sich so weit es geht zusammenreißen und nicht die Oma treffen, auch wenn sie unbedingt will, dass man aufs Essen reinkommt. Dass man aufeinander achtet. Eine Frau, der ich ein Paket gebracht habe, die sagte dann, dass sie Leute auf der Straße grüßen, die sie gar nicht kennt. Sowas ist halt ganz cool. Also näher zusammenrücken, statt sich voneinander zu entfernen und einigeln. Wir sind alle im gleichen Boot und sollten deshalb auch an einem Strang ziehen. Je effizienter man jetzt ist, desto schneller ist man wieder raus aus der Lage.
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Habt ihr euch schon Gedanken gemach, wie es nach der Krise weitergehen soll?
Wir müssen sehen, ob wir den Betrieb, so wie wir gerne wollen, weiterführen können. Wir legen viel Wert auf Kundenkontakt. Wir kennen unsere sie und plauscht gerne mal. Und wenn das so extrem eingeschränkt ist, ist das natürlich super merkwürdig. Es ist schwierig zu sagen „nach der Krise“, weil ich glaube, dass sich Sachen nur langsam wieder normalisieren. So eine merkwürdige Situation gab es noch nie.
Denkst du, das alles kann etwas Positives bringen?
Ich finde, man kann aus allem etwas Positives ziehen. Vielleicht sieht man ein, dass ein Grundeinkommen doch sinnvoll ist und man vielleicht mal testet wie das funktioniert. Es ist ja super krass, was da jetzt alles im Nachhinein so ablaufen kann. Ich denke die Sicht auf viele Dinge wird sich verändern.
Ich hoffe, dass die Leute ganz viel Positives mitnehmen aus dieser Entschleunigung und merken, dass Sachen auch anders laufen können. Und dass Leute, die als Krankenpfleger oder Kassierer oder so arbeiten, also Leute, die die Gesellschaft schon immer zusammengehalten haben, jetzt mehr auffallen und man denen mehr Anerkennung gibt. Und wie viel soziales Leben für die Gesellschaft bringt und damit auch Clubs und Bars. Wie viel Lebensqualität das eigentlich ausmacht, nachmittags irgendwohin gehen oder einfach verreisen zu können. Was das eigentlich für ein krasser Luxus ist, den wir haben.
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Gibt es noch etwas, dass du sagen willst? Liegt dir noch etwas auf dem Herzen?
Wir sind unglaublich dankbar für die Resonanz, die wir jetzt von den Gästen bekommen und freuen uns sehr auf alle kommenden Veranstaltungen und die Momente, wo wir alle wiedersehen, wo man sagen kann „Ey, das war ne Zeit“ und man blickt zurück. – lernt zu schätzen, was man hat, in einer Zeit in der vieles nicht möglich ist.
Mehr im t.akt-Magazin zum Franz Mehlhose
Hard Facts:
- Löberstraße 12 | Erfurt
- Mehr Informationen auf Facebook oder unter www.franz-mehlhose.de