Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit DJ Mathias Kaden
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Mathias Kaden. Er ist neben Oliver Frisch Gründer der DJ- und Künstleragentur „Paracou“ aus Thüringen. Den meisten sollte Mathias jedoch als DJ und Musiker bekannt sein. Weltweit ist der Thüringer auf Festival und in bekannten Clubs unterwegs.
Wie ist jetzt bei dir die aktuelle Lage?
Bei mir als DJ ist bis auf die Livestream-Sachen, die hier und da angefragt werden, gerade totaler Stillstand. Keine Reisen. Keine Veranstaltungen. Paracou läuft jedoch weiter. Wir versuchen, Gigs jetzt schon für die Zeit nach September zu vereinbaren, aber unsere Booker haben trotzdem nicht mehr so viel Arbeit.
Hast du Angst vor dem Virus? Wirtschaftlich und gesundheitlich gesehen?
Nur wirtschaftlich habe ich Angst vor dem Virus. Gesundheitlich eher nicht, weil ich keiner Risikogruppe angehöre. Wirtschaftlich dachte ich am Anfang, dass die Welt zusammenbricht. Das hat sich aber etwas gegeben. Trotzdem denke ich, dass sich die Krise im Kulturbereich nicht nur bis 2021 ziehen wird, sondern bis 2022. Wir werden sicherlich wieder Gigs starten und ich werde in Europa wieder als DJ aktiv sein, aber es wird alles ganz bestimmt sehr langsam vonstattengehen.
Es fängt schon damit an, dass die Lufthansa die Hälfte ihrer Flotte kappt. Was ist, wenn ich jetzt zum Beispiel einen Gig in Amsterdam habe? Wenn nur ein Flieger am Tag geht, kostet mich der Flug nach Amsterdam dann wahrscheinlich 800 Euro. Das macht es dann unmöglich diesen Gig wahrzunehmen. Ich denke, dass es eine sehr, sehr schwierige Zeit in jeder Hinsicht wird.
Gibt es einen Notfallplan um weiterhin Geld einzunehmen?
Für die Agentur gibt es erstmal keinen Plan wie wir Geld einnehmen können. Es ist auf jeden Fall noch etwas in der Hinterhand, damit unsere Angestellten weiterhin bezahlt werden können. Wir nutzen zudem die Förderung um alles aufrecht zu erhalten.
Als DJ habe ich auch die Förderung bekommen. Aber jetzt im Nachhinein hieß es, dass das Geld nicht für private Krankenversicherungen, Wohnungsmiete und beispielsweise um etwas zum Essen zu kaufen verwendet werden darf. Die Politik gibt uns vor zu helfen, aber lässt uns extrem hängen. Das Finanzamt sagt, dass das Geld nur für geschäftliche Ausgaben bestimmt ist. Als DJ bezahle ich zwar Studiomiete und ein Leasing-Auto, aber das war’s. Überleben darf ich mit dem Geld nicht. Ich bin sehr viel gereist, war immer relativ auf der Sonnenseite des DJ-Lebens. Das heißt, ich konnte für meine Familie ein Haus bauen und ein Auto kaufen. Ohne Einkommen das Ganze weiterhin zu finanzieren ist unmöglich.
Bekommst du von außen Hilfe?
Nein, gar nicht. Die lassen uns hängen. Ich bin dafür, dass der Staat einfach mal rechnet, was man im Jahr an Steuern gezahlt hat. Bei mir ist das eine sehr hohe Summe. Daran sollten sie die Zahlungen anpassen. Aber das wird natürlich nicht passieren. Im Prinzip zahlt und zahlt man, aber es wird einem überhaupt nicht geholfen. Mit diesem Fördergeld kann man als Künstler kaum etwas anfangen. Mir wird jetzt nahe gelegt Hartz IV zu beantragen – eine riesige Respektlosigkeit Künstlern und Musikern gegenüber, die hart für ihr Geld arbeiten, wie ich finde – aber bevor es so weit kommt, gehe ich lieber wieder zurück in meinen alten Beruf als Krankenpfleger.
Hast du Tipps, um das Beste aus der Lage zu machen?
Das Wichtigste ist, mental fit zu bleiben. Ich bin jeden Tag aktiv. Momentan machen wir unseren Garten schön. Wer keinen Garten hat, soll raus und sich aufs Fahrrad setzen oder spazieren gehen. Man sollte die Natur genießen und nicht zu Hause verkümmern. Mehr kann man eh nicht machen … Es entscheiden andere Leute über uns.
Wie soll es nach der Krise für dich und dein Geschäft weitergehen?
Ich werde weiterhin auflegen. Wenn es wieder losgeht, will ich alles daransetzen, dass ich da anknüpfe, wo ich als DJ jetzt aufhören musste und ich denke auch, dass das so klappt. Paracou muss erstmal ausharren. Wir wissen schließlich nicht, in welche Richtung sich alles entwickelt.
Denkst du, dass das alles etwas Positives bringen kann?
Für mich ist es positiv, dass ich meinen Sohn jeden Tag sehe und mal einen ganz normalen Tagesablauf habe. Ich bin nicht mehr so müde und ich nehme auf einmal ab, weil Party eben Party ist. Da trinkt man auch mal was. Das Reisen und das viele Rumsitzen an Flughäfen tragen auch ihren Teil bei. Ob sich das Ganze in irgendeiner Weise positiv auf die Gesellschaft auswirkt, wage ich nicht zu sagen.
Gibt es noch etwas, dass du sagen willst? Liegt dir noch etwas auf dem Herzen?
Die Politik soll uns nicht hängen lassen! Sie sollen uns eine wirkliche Förderung geben, die wir auch nutzen können. Wenn 5000 Euro als Förderung in den Raum geworfen werden, dann darf man die bitte auch nutzen dürfen – egal in welcher Hinsicht. Nicht nur für geschäftliche Ausgaben …