Friedhöfe sind Orte des stillen Gedenkens und des Erinnerns. Musik? Dringt allenfalls in getragener Form bei Trauerfeiern hinaus auf die weitläufigen gepflegten Grün-Areale mit kunstvoll gearbeiteten Grabsteinen. Sollte man meinen. Nicht so auf dem Alten Friedhof, nach italienischem Vorbild aus der Renaissance-Zeit, in Buttstädt. Seit den 1860er Jahren wurde er nicht mehr für Beisetzungen genutzt, verfiel zusehends, bis sich nach der Wende viele Einwohner ein Herz fassten und seitdem als Förderverein Historischer Friedhof Buttstädt e.V. die Anlage erhalten und kulturell nutzen. Darauf wurde – da das Areal 2017 den Zuschlag als Außenstandort der Bundesgartenschau in Erfurt erhielt – auch das Organisationsteam eines Sommerfestivals aufmerksam, welches Kultur in den ländlichen Raum bringen wollte und dafür auf Locationsuche quer durch Thüringen war.
Ein ungewöhnlicher Veranstaltungsort
Julia Heinrich erinnert sich auch heute noch gern zurück, wie es bei der ersten Besichtigung des ungewöhnlichen Veranstaltungsorts im Jahr 2018 sofort „Klick“ machte. „Ich bin neben dem Kirchentürmchen durch ein Tor in der Friedhofsmauer hindurchgeschritten und ließ die Außenwelt hinter mir. Das war magisch: Ich fühlte mich wie ins 16. Jahrhundert zu Shakespeares Zeiten zurückversetzt“, schwärmt die Kulturmanagerin, welche das Camposanto-Festival federführend organisiert. Nachdem sie Studierende der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar als Ehrenamtliche in die Planung integrierte, ging ihr Förderantrag im zweiten Versuch durch – fürs Pandemie-Jahr 2020.
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Julia Heinrich ließ sich jedoch nicht entmutigen, die bewilligten Gelder konnten noch im Folgejahr genutzt werden – und so fand im Juli und August 2021 das erste Camposanto-Festival statt. „Ich hatte Muffensausen, dass niemand kommt und konnte das echt nicht einschätzen“, gibt die heute 33-Jährige zu. „Aber das Festival hat sich besonders bei den älteren Menschen vor Ort herumgesprochen, die ungern wegen jedweder Kultur bis nach Weimar oder Erfurt fahren. Auch Werbung und Berichte in den Zeitungen haben gewirkt, so dass die maximal 200 Plätze immer gut gefüllt waren.“
Festival mit französischem Flair
Die Mischung aus Kabarett, Stummfilm-Vorstellungen mit Live-Klavierbegleitung vom Weimarer Pianisten Richard Siedhoff und Sommertheater, das auf einer kleinen Tribüne aufgeführt wurde, kam beim Publikum gut an – und wird auch in der dritten Auflage dieses Jahr fortgeführt. Eine weitere Konstante: Nach „Der Geizige“ und „Don Juan“ steht dieses Jahr wieder ein unterhaltsames Stück von Molière an mehreren Terminen auf dem Spielplan: die in Deutschland selten aufgeführte, pointenreiche Komödie „Die Schule der Frauen oder Wer zuletzt lacht“. Das unterstreicht das französische Flair des Camposanto-Festivals, das sich am besten mit den Worten klein, charmant, liebevoll und authentisch umschreiben lässt.
Würdevolle Veranstaltungsstätte steht im Vordergrund
Für Julia Heinrich ist wichtig, dass die Kultur und auch das gastronomische Angebot mit kleinen Snacks und Getränken, welche von lokalen Vereinen verkauft werden, zur würdevollen Veranstaltungsstätte passen. „Einen Bratwurststand sucht man bei uns vergebens und auch sehr laute oder Partymusik kommt nicht infrage“, betont die hauptamtliche Geschäftsführerin des Weimarer Jugendtheaters stellwerk mit Blick auf die Ausrichtung. „Das würde nicht zu der Wohlfühl-Oase passen, die wir hier im Rahmen eines Sommerfestivals geschaffen haben.“
Dabei kann (und darf) die Stimmung durchaus auch mal morbide sein: Im vergangenen Jahr wurde etwa der Vampir Stummfilm „Nosferatu“ (1922) mit Klavierbegleitung aufgeführt, welcher ganz besonders von der stimmungsvollen Umgebung des Friedhofs profitierte. Ein „Magic Moment“ für Julia Heinrich und auch sehr gut angenommen vom Publikum, das sich bei ausgegangenen Sitzmöglichkeiten mit mitgebrachten Klappstühlen und Decken zu helfen wusste. Denn ein Sommerfestival dieser Größenordnung ist „auf dem Land“ selten – und will sich niemand in der Umgebung entgehen lassen. Wer einmal Camposanto-Atmosphäre tanken möchte: am 14. Juli findet das Sommerfest statt, welches bei freiem Eintritt eine Mischung aus Kabarett, Kunst und Musik bietet.
Hard Facts
- Donnerstag | 13. Juli | 20 Uhr Kabarett: Die Herkuleskeule – „Freibier wird teurer“ Eine irrsinnige Politshow – kluge Gesellschaftskritik mit musikalischen Höhenflügen.
- Freitag | 14. Juli | 18 Uhr Sommerfest (Eintritt frei) – Deutsch-Französisches Programm aus Kabarett, Kunst & Musik.
- Samstag | 15. Juli | 21 Uhr Sommertheater: Die Schule der Frauen oder Wer zuletzt lacht – Stück von Molière.
- Donnerstag | 20. Juli | 20 Uhr Kabarett: Zwiebelknolle – „Comedy-Abend“
- Freitag | 21. Juli | 21 Uhr Stummfilm mit Live-Musik: Stummfilm-Perlen mit Live-Musik und Kino-Erzähler.
- Samstag | 22. Juli | 21 Uhr Sommertheater: Die Schule der Frauen oder …
- Donnerstag | 27. Juli | 20 Uhr Kabarett/Theater: Blaue Bühne – „Die Geliebte meines Mannes“
- Freitag | 28. Juli | 21 Uhr Stummfilm mit Live-Musik: „Paris schläft“ (Uraufführung)
- Samstag | 29. Juli | 20 Uhr Kabarett: Academixer – „Ich hab’ Rücken“
- Sonntag | 30. Juli | 16 Uhr Sommertheater: Die Schule der Frauen oder …