Das Biopic „Lindenberg! Mach dein Ding!“ über die Anfänge der Musiker-Karriere von Udo Lindenberg startet am 16. Januar im Kino und überzeugt neben stimmigem Zeitkolorit der 70er Jahre mit einem starken Hauptdarsteller.
Mit 22 Jahren zog der ambitionierte Trommler Udo Lindenberg, den in seiner westfälischen Heimatstadt Gronau nach Familientradition eine Klempnerlehre erwartet hätte, um ins ungleich weltoffenere Hamburg. Hier hielt er sich in Engagements als Schlagzeuger verschiedener Bands über Wasser, bevor seine eigene Band gründete und sich als Sänger ans Mikro stellte. 1971 nahm er – noch in englischer Sprache – seine erste Platte „Lindenberg“ auf, die aber genauso floppte wie das zweite Album „Daumen im Wind“, das ein Jahr später erschien. Die meisten Musikerkarrieren sind an einem solchen Punkt vorbei, doch nicht bei Udo Lindenberg.
„Lindenberg! Mach dein Ding!“ jetzt im Kino
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Auf der B-Seite der Single-Auskopplung zu „Daumen im Wind“ befand sich der ältere Titel „Hoch im Norden“ – und wurde in Norddeutschland ein Radio-Hit. 1973 folgte dann das nächste Studioalbum „Andrea Doria“ – und der kommerzielle Durchbruch. Bis dato haben Udo Lindenberg und sein „Panikorchester“ 35 Studioalben veröffentlicht, wobei von den beiden letzten „Stark wie Zwei“ (2008) und „Stärker als die Zeit“ (2016) zusammen über 1,1 Millionen Tonträger verkauft wurden.
Stimmige Zeitreise mit einigen Freiheiten
Das Biopic „Lindenberg! Mach dein Ding!“ zeichnet mit stimmigem Zeitkolorit die Jugendjahre des Panik-Rockers nach – und lässt mit den verrauchten Kneipen an der Reeperbahn, der Neonreklame auf der Großen Freiheit, alternativen Hippie-Kommunen und Kostümen mit Schlaghosen authentisch die ausgehenden 60er und frühen 70er Jahre auferstehen. Dabei spart der spart der launige Film nicht mit Wiedererkennungsmerkmalen. Tatsächlich beginnt der 15-jährige Udo im Düsseldorfer Hotel Breitenbacher Hof eine Kellnerausbildung, doch dass eine Frau, die schon Jahre im Hotel wohnt, ganz speziell von ihm einen sehr speziellen „Zimmerservice“ einfordert, ist frei erfunden. Natürlich soll diese Episode die Brücke ins Heute schlagen – Udo Lindenberg residiert ja bekanntlich seit den 90er Jahren im Hotel Atlantic in Hamburg. Auch ein Streit zwischen Udo und seinem langjährigen Weggefährten Steffi Stephan im Alten Elbtunnel, an dessen Ende Udo „Ich mach mein Ding!“ brüllt (was später einer seiner ikonischen Songs werden wird) ist wohl eher Fan-Service als Realität.
Ausflug in die DDR
Da gelang eine folgenreiche Begegnung bei Udos Ausflügen in die DDR mit einem „Mädchen aus Ostberlin“ (später in dem Song „Wir wollen doch einfach nur zusammen sein“ aufgearbeitet) stimmiger und auch berührender. Udo wird von der jungen Mutter Petra (Saskia Rosendahl) schlafend auf einem Parkplatz aufgesammelt, mit nach Hause genommen und nach einer kurzen Romanze über wenige Tage, in denen Udo immer wieder Schnaps und Leckereien aus Westberlin über die innerdeutsche Grenze schmuggelt, muss sich das Liebespaar auch schon wieder trennen. Das kleine Detail, dass Udo in jenen tatsächlichen Liebesnächten mit der Pankowerin Manuela einen Sohn gezeugt hat und die Kindsmutter eigentlich mit einem Offizier der NVA verheiratet ist, lässt der Film – wenig überraschend – lieber außen vor.
Starke Performance des Udo-Darstellers
Die Drehbuchautoren Alexander Rümelin, Christian Lyra und Sebastian Wehlings bemühen sich bei „Lindenberg! Mach dein Ding!“ um eine Konzentration aufs Wesentliche – nämlich den musikalischen Werdegang von Udo Lindenberg, der von Jan Bülow selbstbewusst verkörpert wird. Fernab der schnoddrigen und nasalen Ausdrucksweise, die auch zu einem Markenzeichens des Panik-Rockers geworden sind, glänzt Bülow mit leicht rauchiger Stimme und (zunächst) etwas plumpen Charme einer zunächst unerwartet eigenständigen, aber sehr facettenreichen Interpretation der Musiker-Ikone. Er gibt seinen Udo als Faxenmacher, der einen Hamburger Luden verächtlich gegen seinen Sportwagen pinkelt. Als Querdenker, wenn er in einer linken Kommune das als „Nazi-Sprache“ verhasste Deutsch für Liedtexte fernab von Schlager für sich proklamiert. Oder auch mal als Schisser, wenn er sich vor lauter Muffensausen vor seinem ersten großen Auftritt vor ausverkauftem Haus in Hamburg fast bis zum Verlust seiner motorischen Fähigkeiten Mut antrinken muss. Diese Mischung aus Großspurigkeit und Verletzlichkeit macht Bülows Lindenberg jedoch sehr menschlich, sehr nahbar.
Ihm gegenüber wirken zwei Charakterdarsteller etwas unterfordert. Charly Hübner verkörpert Udos Vater Gustav Lindenberg als cholerischen Grobian, der immer nur über Familientraditionen fantasiert, darüber seine eigenen Träume aufgegeben hat. Und Detlev Buck als schmieriger Klischee-Musikproduzent Mattheisen mit Pornobrille und in farbenfrohen Hemden wirkt so, als wäre er direkt aus der Sven-Regener-Adaption „Magical Mystery“, wo er den überdrehten Technolabel-Chef Ferdi gab, ins Set von „Lindenberg! Mach dein Ding!“ gestolpert.
Gastauftritt des echten Udo Lindenberg
Aber auch in Udo Lindenbergs Karriere lief nicht alles wie am Schnürchen. Hermine Huntgeburth („Die weiße Massai“) gelang es hier, mit stimmiger Musikuntermalung (neben Rock-Klassikern säumen auch vier von Jan Bülow eingesungene Lindenberg-Hits den Soundtrack), die Jugendjahre der Musiker-Ikone authentisch zum Leben zu erwecken. Und alle Fans des „echten“ Udos kommen dann unmittelbar vor dem Abspann bei einem Gastauftritt des Panik-Rockers mit seinem Song „Niemals dran gezweifelt“ auf ihre Kosten, den ihr euch hier anschauen könnt.
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