Tanz ist für uns besonders in der Nachwuchsförderung so wichtig, da wir der Überzeugung sind, dass Kreativität, Teamgeist und soziale Kompetenzen gefördert werden. Das Besondere bei der Erarbeitung von Stücken zu konkreten Themen oder bei der Auseinandersetzung mit einem klassischen Stoff ist, dass die Befähigung zur Selbstwahrnehmung, Selbstreflexion und ein positives, wenn nicht sogar poetisches Körperbewusstsein gefördert wird“, sagt Ester Ambrosino vom Tanztheater Erfurt und liefert damit einen von vielen Gründen, warum junge Menschen tanzen sollten.
„Real Story“-Aufführung in der Studio Box im Theater Erfurt
Ein weiterer kommt auf dem Fuß: Die künstlerische Auseinandersetzung mit Themen, die die Gesellschaft umtreibt. Denn diesen Monat bringt die Junior Company des Tanztheater Erfurt ein Stück auf die Bühne, das gegenwärtiger nicht sein kann. Am 28. März feiert „Real Story“ in der Studio Box im Theater Erfurt Premiere. Und wie der Titel schon vermuten lässt, wird es darum gehen, Geschichten einer „Story“ zu erzählen. „Mit ‚Story‘ ist die besondere Funktion der Social-Media-Plattform Instagram gemeint. Diese werden lediglich für 24 Stunden geteilt und dann verschwinden sie wieder. Man kann sagen, dass es eine ephemere und kurzweilige Funktion der App ist, die maßgeblich zum aktiven Austausch auf der Plattform mit anderen User:innen gebraucht wird“, erklärt die künstlerische Leitung des Tanztheaters. „Bilder und kurze Videos, Umfragen, Filter oder Gifs finden spielerisch oder stylish Verwendung und laden zum Dialog ein. Unsere Beobachtung ist, dass die Art wie hier Geschichten erzählt werden, die Selbst- und Fremdwahrnehmung beeinflussen“, so Ester. Wie wir uns kleiden, was wir essen, wie wir uns einrichten – die App habe einen zunehmenden Impact auf unser Leben. Und das sei wiederum ein Effekt davon, wie wir mit Instagram umgehen: Was wir liken, wem wir folgen und wie wir uns selbst präsentieren würden.
So ist es kaum verwunderlich, dass sich gerade die junge Generation – die „digital Natives“ – im Tanz an dieser Thematik abarbeitet. Ester und ihre Kolleg:innen sind im Tanzschulbetrieb ständig mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt. „Wir tanzen mit ihnen und vermitteln Choreografien, denen oft eine Themen- oder Motivwelt zugrunde liegt. Dies ist ein Prozess, bei dem man zwangsläufig über die Welt außerhalb des Tanzstudios ins Gespräch kommt.
Wie nehmen sich die Kids selbst wahr?
“ Was beschäftigt die Kids, wie gehen sie miteinander um, wofür brennen sie? Dieser Austausch löst bei den Tanzlehrer:innen Fragen und Interesse aus, so die Tanztheaterchefin. Für Ester sind es immer aktuelle gesellschaftliche Themen, die sie umtreiben. Und die Choreografin in ihr ist immer interessiert, eine künstlerische Sprache dafür zu finden. So beobachtete sie bei der Umsetzung von „Real Story“ den Umgang der Kinder und Jugendlichen mit Instagram und fragte sich, ob dies ein Ausdruck für einen gesellschaftlichen Wandel oder für einen Trend ist. Wie tiefgreifend ist das, was ich wahrnehme? Wie nehmen sich die Kids selbst dazu wahr? Das sind Fragen, die in der künstlerischen Annäherung an ein Stück kulminieren.
In der Arbeit mit dem Tanznachwuchs
Zunächst einmal werde aber viel gesprochen und vor allem gefragt. In alle Richtungen spürt Ester dem Thema und ihren jungen Tänzer:innen nach. „Zum einen wird kräftig gechattet“. Man bewegt sich also distanziert im digitalen Raum. Und zum zweiten wird versucht, Antworten durch Bewegungen zu geben und zu finden das ist bereits wesentlich persönlicher. Auch Choreografien und Tanz sind in den sozialen Medien ein Thema“, so Ester, die in der Folge eine Bewegungsgrundlage vorgibt, die dann von den jungen Tänzer:innen individuell ausgearbeitet wird. Die Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren experimentieren und forschen dadurch themenbezogen.
In der Regel braucht die Entwicklung und Einstudierung einer Choreografie mit Profitänzern zwischen fünf bis sieben Wochen á sechs Tage die Woche. In der Arbeit mit dem Tanznachwuchs wäre dieses Pensum jedoch viel zu hoch – mal ganz abgesehen von den schulischen Pflichten. Proben sind deshalb nur einmal in der Woche möglich und das über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen. Aufgrund dessen seien die Stücke der Junior Compagnie limitiert, was den zeitlichen Umfang angeht. „Es soll ja vor allem weiter Freude machen und die Kids nicht belasten“, betont Ester und führt einige Gründe an, warum Tanz für junge Menschen Gemütsbildend sein kann.
Bilder und Gefühle über Bewegungen
„Tanz stellt für uns einen wichtigen Baustein für die persönliche Entwicklung dar. Nicht nur die Erfahrung seines Körpers, seiner Kraft und Beweglichkeit befähigen zu einer besseren Selbsteinschätzung und Selbstwahrnehmung. Sie fördert die Stärkung des eigenen Ichs“, so die Tanzschulleitern. Mit Tanz sehen sich die Kinder einer Kunstform gegenüber, die wie keine anderen Bilder und Gefühle über Bewegungen allein durch den Körper zum Ausdruck bringt. Es braucht kein gesprochenes Wort oder bildliche Illustration, um etwa zu vermitteln. Dabei spielen die Herkunft, das Alter und das Geschlecht keine Rolle. Der Ausdruck durch Bewegung könne deshalb poetisch, empowernd und ungewohnt sein. „Die geschilderten Fähigkeiten, die für die Entwicklung junger Menschen eine grundlegende Erfahrung sein sollten, sind uns ein besonderes Anliegen. Wir glauben, dass dadurch Kreativität, Teamgeist und so auch soziale Kompetenzen gesteigert werden. Das ist für ein selbst bestimmtes Leben und im Miteinander mit anderen Menschen von großer Bedeutung. Nicht zuletzt möchten wir natürlich auch uns, die Tanzschule und das Tanzangebot in Erfurt stärken und voranbringen, um für weitere Generationen ein buntes Tanzangebot bereitzustellen“, sagt Ester, die die Junior Company im Vorfeld aus verschiedenen Mitgliedern der Tanzschule zusammensetzt.
Junge Talente fördern
Steht ein neues Projekt an, wird das Junior Ensemble zusammengestellt. Talent und die Bereitschaft hohes Engagement einfließen zu lassen, seien nötig, um dabei sein zu können. Das heißt laut der Choreografin auch, mit Stress und Druck während der Stückentwicklung umgehen zu können. So sollen bei der Arbeit in der Junior Company des Tanztheaters junge Talente gefördert werden, was bereits ein wichtiger Baustein für eine etwaige Tanzausbildung im Erwachsenenalter sein kann. Bevor es jedoch in die große Welt hinaus geht, beweisen sich die jungen Tänzer:innen zunächst einmal mit „Real Story“ im Theater Erfurt und weiteren Terminen an unterschiedlichen Spielstätten.
Und das solle man sich laut Ester auf keinen Fall entgehen lassen: „Es ist sehr wichtig, den jungen Menschen zuzuhören und einen Dialog zu führen. Dabei sollte das Theater nicht unterschätzt werden, denn diese Form des Dialogs, der mittels Bilder, Tanz und Musik funktioniert, stellt eine zusätzliche Chance dar, neue Wege der Kommunikation zu finden“, erklärt die Tanztheaterchefin und fügt an: „Der tänzerische Ausdruck von Gefühlen, die oft genug im Verborgenen bleiben, öffnet neue Verständniswege und Perspektiven – bilateral: auf und vor der Bühne. Die Gefühlswelt wird durch Kreativität in eine aufrichtige Suche nach sich selbst um[1]gewandelt. Für das Publikum birgt dies ebenfalls die wunderbare Möglichkeit, sich selbst wiederzuerkennen und bestimmte Momente seines Lebens zu verstehen oder zu hinterfragen.“
Hard Facts:
- Aufführung im Theater: 28. März und 29. März 19 Uhr | 15.Juni | 18 Uhr
- Aufführung in Halle 6 im Zughafen Erfurt: 30. April | 18 Uhr
- Weitere Infos: www.tanztheater-erfurt.de
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