Gleichberechtigung geht uns alle an. Sie ist ein Menschenrecht – unabhängig von Ge[1]schlecht, Sexualität oder Hautfarbe. Und weil diese Botschaft noch längst nicht in allen Köpfen angekommen ist, widmet sich die Thüringer LSBTIQ*-Koordinierungsstelle im t.akt-Magazin regelmäßig in unserem „Queer-Blog“ Themen, für die sensibilisiert werden muss.
Queer Blog – Queerness und Diskriminierung bei der Geburt
Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so scheint: Queerness und Geburt sind tatsächlich ein Thema, welches die Community auf mehreren Ebenen beschäftigt: zum einen aus der Eltern-, zum anderen auch aus der Kinderperspektive. Queere schwangere Menschen erfahren im Gesundheitssystem Diskriminierung, denn die Institutionen der Gesundheitsversorgung sowie medizinisches Personal sind häufig nicht darauf vorbereitet, dass auch lesbische, bisexuelle, nicht-binäre, trans* und intergeschlechtliche Personen Kinder bekommen wollen, schwanger sind und gebären. Das zeigen diverse Befragungen queerer Menschen sowie ein Blick in die Curricula im Gesundheitswesen. Leider führt das nicht nur zu Diskriminierungserfahrungen, sondern auch dazu, dass den allgemeinen und spezifischen Bedarfen queerer Personen häufig nicht angemessen begegnet werden kann.
Auch wenn natürlich die meisten Menschen, die Kinder gebären, Frauen sind, so können auch viele trans* und nichtbinäre Personen Kinder bekommen. Darauf ist nicht nur unsere Gesundheitsversorgung, sondern auch unsere Sprache nicht eingestellt: „Mutterpass“, „Muttermilch“ und andere Begriffe sind in diesen Fällen nicht nur nicht treffend, sondern können auch diskriminierend wirken. Meistens geht es um Personen, denen bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde. Ein Outings- und Transitionsprozess ist mit vielen Hürden, mit Diskriminierung und oft einer Menge Energie verbunden. Falsche Pronomen oder Bezeichnungen können sehr schmerzen, gerade in so sensiblen Momenten wie einer Geburt.
Dieses Vorgehen führt gleich zu zwei Problemen
Genaugenommen kehrt dieses Thema bei der Geburt eines eigenen Kindes wieder, ist aber schon bei der Geburt der Person selbst das erste Mal relevant: Ärzt*innen oder Geburtshelfer*innen schauen auf die Genitalien von Neugeborenen und weisen anhand dessen ein Geschlecht zu – in aller Regel innerhalb der binären Norm, also „männlich“ oder „weiblich“. Dieses Vorgehen führt gleich zu zwei Problemen: zum einen können wir anhand von außenliegenden Geschlechtsorganen natürlich nicht erkennen, welchem Geschlecht sich ein Mensch zugehörig fühlt. Diese Zuweisung eines Geschlechts bei der Geburt führt dazu, dass sich trans* und nichtbinäre Menschen später outen müssen, wenn sie feststellen, dass das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht passt. Zum anderen verleitet das Vorgehen aber auch dazu, alle Menschen in dieses binäre System pressen zu wollen, auch wenn bereits bei der Geburt ersichtlich ist, dass sie diesem nicht entsprechen – intergeschlechtliche Menschen also.
Traumatischer Eingriff in die geschlechtliche Selbstbestimmung
Mittlerweile sind Genitaloperationen an intergeschlechtlichen Kindern verboten und es soll das Geschlecht „divers“ eingetragen werden. Tatsächlich finden aber immer noch viele Operationen statt. Die Neugeborenen können dem nicht zustimmen, Eltern werden teilweise dazu gedrängt. Das kann nicht nur zum Verlust von Fruchtbarkeit führen, sondern ist auch ein großer – und später oft traumatischer – Eingriff in die geschlechtliche Selbstbestimmung der betreffenden Personen.
Was muss sich also ändern? In Berlin gibt es ein queeres Hebammenkollektiv namens „Cocoon“, welche Fortbildungen für Fachkräfte in der Geburtshilfe anbieten, welche wir empfehlen. Das reicht aber natürlich nicht aus, es sollte ganz generell das medizinische Personal zu diskriminierungssensiblem Handeln weitergebildet werden. Darüber hinaus sollten Informationen, Aufklärung und Repräsentation zum Thema Schwangerschaft und Geburt inklusiv gestaltet und das Abstammungsrecht sowie Regelungen zur Finanzierung von assistierter Reproduktion reformiert werden. Dafür werden auch wir uns weiterhin einsetzen. 2023 ist für die queere Arbeit in Thüringen ein Jubiläumsjahr, denn seit fünf Jahren bestehen das Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt sowie die im Rahmen dessen eröffnete LSBTIQ*-Koordinierungsstelle. Im Jahresprogramm „Lebenslinien der Vielfalt“ finden deswegen dieses Jahr viele Veranstaltungen statt, jeder Monat steht unter einem anderen Motto. Auch dieser Blog folgt den Themen des Programms, im März wird es um „Kindheit und Jugend, Schule und Bildung“ gehen.
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