Ein neues Ausstellungshaus aufzubauen ist kein leichtes Unterfangen. Vor allem nicht, wenn es ein solch ambitioniertes ist, wie in Erfurt. Suchtprävention, Gesundheitsförderung und Kunst soll die „Welt der Versuchungen“ in der Thüringer Landeshauptstadt miteinander verbinden. „Das Konzept ist einzigartig in Deutschland. Sogar in Europa“, erklärt Chefkuratorin Susanne Rockweiler.
Welt der Versuchungen entsteht in Erfurt
Die Idee dafür entstand 2017 und 2018 bei der Suchthilfe Thüringen. Deren Mitarbeiter:innen merkten: Wenn sie gerufen werden, ist es eigentlich schon zu spät. Eine Art Museum oder ein Ausstellungshaus musste her! Aus der Idee hat sich das Konzept für die Welt der Versuchungen ó9entwickelt. Sucht soll darüber entstigmatisiert und enttabuisiert werden. Gestützt wird das Konzept von zwei Säulen: die Wissenschaft auf der einen Seite und die Kunst auf der anderen. „Die Wissenschaft ist evidenzbasiert. Über sie kommen Zahlen, Daten, Fakten“, so Rockweiler. „Die Kunst gibt uns den Freiraum.“ Sie stoße zum Nachdenken an. Evoziere Emotionen, die zum Gespräch anregen. „Das Bildhafte ist wichtig. Es lässt uns meistens nicht kalt und verankert Gesehenes besser im Gehirn. Dadurch kann man sich nachhaltiger erinnern.“
Schritt für Schritt
Aber zurück auf Anfang: Wie geht man überhaupt dabei vor, so ein Ausstellungshaus aus dem Boden zu stampfen? „Schritt für Schritt“, weiß Rockweiler. „Bei uns laufen zudem mehrere Stränge parallel.“ Einerseits musste ein passender Ort gesucht werden. Auf dem Huttenplatz in Erfurt soll das Ausstellungshaus entstehen. „Es ist vielen helfenden Händen zu verdanken, dass wir innerhalb der Stadt bauen können.“ Noch liegt das Raumprogramm für das Haus beim Bundesfinanzministerium, doch sobald das abgesegnet ist, kann der Architekturwettbewerb ausgeschrieben werden. Die Eröffnung ist für Herbst 2026 geplant.
Symposien, Seminare und mehr
Das Highlight des geplanten Ausstellungshauses werde der Lichthof, der die Räume miteinander verbindet. Eine hohe, überdachte, 400 Quadratmeter große Fläche, die genügend Raum bietet, um auch Objekte von oben herabhängen zu lassen. „Wir planen, Symposien, Seminare und Tagungen abzuhalten, deswegen brauchen wir den Lichthof, der viel Platz bietet“, sagt Rockweiler. Außerdem soll er ein zentraler Treffpunkt werden, der Freude macht. Finanziert wird die Welt der Versuchungen übrigens über den Bund mit 20 Millionen Euro sowie vom Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie.
Ein weiterer Strang im Aufbau-Gewebe des Ausstellungshauses ist die Arbeit an den Inhalten. „Ich musste mich selbst zuerst in das Thema einarbeiten – und würde mich immer noch nicht als Expertin bezeichnen“, sagt Rockweiler. Außerdem darf die Zusammenstellung des Teams nicht zu kurz kommen. Das ist bunt gemischt. Rockweiler selbst ist Kulturwissenschaftlerin. Im Stiftungsrat sitzen Mitarbeiter:innen von der Suchtprävention und Suchthilfe. Außerdem arbeiten bei der Welt der Versuchungen auch Menschen aus der Verwaltung und für die Pressearbeit, bald kommt ein neues Mitglied im Bereich Vermittlungsarbeit Pädagogik hinzu. Kunstgeschichte wird im Team abgedeckt und die Naturwissenschaften. „Wichtig war uns zudem, dass wir junge Leute haben, die sich einbringen“, sagt Rockweiler.
Die Gedanken der jüngeren Generation
So zum Beispiel: Yannik Stock – er absolviert sein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Welt der Versuchungen – hat nun die Aufgabe bekommen, einen Jugendrat zu gründen. „Der Jugendrat unterstützt den wissenschaftlichen Beirat“, erklärt der 18-Jährige. „Er hört sich an, welche neuen Ausstellungskonzepte es gibt und bringt die Gedanken der jüngeren Generation mit ein, sodass auch ihre Interessen berücksichtig werden.“
On a Night Trip
Einen Probelauf für die Welt der Versuchungen gab es schon. „Da der Großteil unseres Teams noch keine Erfahrung mit Ausstellungen hat, kam mir die Idee, kleine Ausstellungen zu veranstalten als Testlauf“, erklärt Rockweiler. Die erste gab es letztes Jahr unter dem Namen „On a Night Trip“. Die Einnahme von Alkohol beim Feiern sowie die Auswirkungen von Tanz und Musik wurden dabei thematisiert. Es wurde der Frage nachgegangen, was Menschen eigentlich im Nachtleben suchen. Dafür gingen Mitarbeiter:innen in Bars und hingen Plakate auf, reihten sich in Clubschlangen ein und fragten die Leute: „Warum bist du hier?“
„On a Night Trip“ – Ausstellung auf Petersberg Erfurt mit Nachtleben im Fokus
Die Rückmeldungen waren positiv. Ungefähr 3400 Besucher:innen kamen, darunter 1100 Schüler:innen. Rockweiler selbst bot Führungen an, aber nicht im klassischen Stil, indem ein erklärender Text runtergerattert wurde. Stattdessen sei sie mit den Gruppen in Räume gegangen und habe gefragt, welche Wirkungen die Objekte auf die Besucher:innen haben. „Daraus sind tolle Gespräche entstanden. Auch wir von der Welt der Versuchungen habe neue Erkenntnisse dazugewonnen. Und die Erfahrungen aus den kleineren Ausstellungen lassen wir dann in das Haus einfließen“, sagt die Chefkuratorin.
Leben, Gesundheit und das Miteinander
Die neue Ausstellung steht schon vor der Tür: „BE.LIKE.ME. Social Media und ich“. Thematisiert werden die sozialen Medien, die längst unser Leben, unsere Gesundheit und unser Miteinander beherrschen. Und durchaus abhängig machen. Die Ausstellung geht den Fragen nach, welche menschlichen Bedürfnisse von Sozialen Netzwerken angesprochen werden. Wo liegen Nutzen und Risiken? Wie beeinflussen sie unser Leben und wie viel analoge (Familien)Zeit absorbieren sie?
Selfiekultur nachzuvollziehen
Die Ausstellung wird ein Gehirnmodell beinhalten, das visualisiert, wie Social Media auf das menschliche Belohnungssystem wirkt. Vorträge und Führungen wird es geben, zahlreiche Exponate, die helfen Algorithmus oder Selfiekultur nachzuvollziehen. Auch Handlungsempfehlungen der Wissenschaft soll es geben, damit Besucher:innen dabei geholfen wird, bei Social Media das rechte Maß zu finden.
Auch ihr könnt Teil der Ausstellung werden! Ihr müsst nur ein Foto von euch mit einem kurzen getippten Text (circa 100 Wörter) zu dem Thema „Wie geht es dir? Social Media und du“ schreiben und ihn per E-Mail an: stiftung@welt-der-versuchungen.de schicken. Einsendeschluss ist der 14. Juni. Wenn der Jury die Einsendung gefällt, wird sie ausgewählt und in der Ausstellung zu sehen sein. Mehr Infos dazu gibt es auf der Website der Welt der Versuchungen unter dem Reiter „Education“. „BE.LIKE.ME. Social Media und ich“ eröffnet Ende des Jahres eine dreiteilige Ausstellungsreihe, die sich den digitalen Herausforderungen im Kontext von Prävention und Abhängigkeit stellt: Vol 1: Social Media; Vol 2: Gaming; Vol 3: Pornografie.
Hard Facts:
- Mehr zur Welt der Versuchungen: www.welt-der-versuchungen.de
- Teilnahme an kommender Ausstellung: per E-Mail an: stiftung@welt-der-versuchungen.de
- Einsendeschluss ist Freitag, der 14. Juni
- Welt der Versuchung bei Instagram
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