Beste Sommerunterhaltung bietet der Theaterverein Kulturrederei e. V. aus Halle seit Anfang Juni. Denn die Rederei ist vor kurzem mit ihrem neuen Stück „Schloss Besenrein dreht ab“ in See gestochen. Passende Atmosphäre zaubert dabei die Kulisse des Schlosses Kannawurf. Doch wer steckt eigentlich hinter der Gruppe?
Es begann mit einem Theater- und Musikfestival am Ufer der Saale
Wie der Name schon sagt, hat der Verein eine große Verbindung zum Thema Meer. Immer wieder kommen die Kunstschaffenden mit allerhand Meeres- und Schifffahrtsmetaphern in Berührung, die sich auch auf deren Website zeigen. „Begonnen hat alles mit einem Theater- und Musikfestival am Ufer der Saale in Halle. Wir entwickeln vor allem Theaterinszenierungen und produzieren Filme. Mittlerweile legen wir auch mal in Schlössern, Höhlen und Großstädten an und spielen abseits des Wassers“, erklärt Anja Jünger, die unter anderem Schauspielerin der Kulturrederei ist.
Die Idee eines Theatervereins sei Martin Kreusch und Jan Frenkel 2007 während einer gemeinsamen Autofahrt zur Kulturarena in Jena gekommen. „Zwei Tage später wurde dann das Schiff in der Werft in Auftrag gegeben. Ganz klassisch mit sieben Besatzungsmitgliedern voller Lust auf Abenteuer, Kultur und Theater. Die meisten sind bis heute an Bord“, scherzt Anja. Inzwischen hat der Verein einen festen Mitgliederstamm von 15 Personen. Alle kommen aus unterschiedlichsten Bereichen und Generationen.
„Wenn alle dasselbe denken und sagen, wird es doch meist langweilig“
Mit so einem großen Team zu arbeiten, dass verschiedenste Professionen und Themen mitbringt sei, so Anja, sehr bereichernd. Doch natürlich käme es dadurch auch mal zu Konflikten und Streitgesprächen. „Aber woraus sollte sonst relevantes Theater entstehen? Wenn alle dasselbe denken und sagen, wird es doch meist langweilig“, stellt die Schauspielerin fest. Und langweilig sein liegt der Gruppe so gar nicht. Seit Jahren konzentrieren sie sich nämlich vor allem auf eigene Stücke, die ihr Regisseur und Autor gemeinsam mit dem gesamten Ensemble entwickeln. Dabei werden aktuelle Themen aufgegriffen, die die Welt und auch den Verein gerade beschäftigen. „Mit ‚Monkey Island‘ oder ‚Familie Feuerstein‘ haben wir uns aber auch schon mit populären Geschichten beschäftigt, für die es bisher noch keine Bühnenvariante gab“, ergänzt Jünger.
Wenn das Publikum zum Theater Ensemble wird
Der Verein steht dazu immer wieder vor der Herausforderung geeignete Spielorte zu finden, denn eine eigene Spielstätte besitzen sie nicht. Doch genau das mache die Gruppe viel freier in der Entwicklung ihrer Stücke. Mittlerweile seien diese auch interaktiv mit dem Publikum angelegt, so dass ein konservativer Theaterraum nur stören würde. So wie das aktuelle Stück „Schloss Besenrein dreht ab“, welches als Filmdreh inszeniert wird. Und dazu wird das gesamte Publikum benötigt.
Ideen wie diese habe das Theater meist schon Jahre vor der eigentlichen Umsetzung. „Wenn wir einmal loslegen, arbeiten wir zwischen vier und sechs Monaten an einer Inszenierung, ein Filmprojekt zieht sich meist über viele Monate bis Jahre. Dadurch, dass wir nicht mit einem vollständigen Textbuch in die Probenarbeit starten, sondern unsere Stücke im Prozess entwickeln, müssen wir etwas mehr Zeit einplanen“, so Anja. Mit viel Herzblut widmen sich die Mitglieder des Vereins dann dem jeweiligen Projekt. Denn: Ein gutes Theater zu kreieren ist nicht leicht. Jeder hat andere Vorstellung. „Ich empfinde Theater als gut, wenn es mich berührt und ich eingezogen werde in das, was da gerade passiert“, erzählt die Schauspielerin. Martin Kreusch, ebenfalls Mitglied der Kulturrederei, meint hingegen: „Ich liebe es, meine Ideen umzusetzen und umgesetzt zu sehen. Gutes Theater macht einen Sprung, hat einen Sog und ist vorbei – und ich habe total vergessen, dass ich im Theater war.“
Die Rituale vor Auftritten
Damit zum großen Auftritt dann auch alles funktioniert, sind viele viele Proben angesetzt, aber auch Rituale vor den Auftritten sind bei Schauspieler:innen sehr beliebt. Jedes Mitglied der Kulturrederei mache etwas anderes, bevor es die Bühne betrete, wie Jünger berichtet: „Wir wünschen einander toi, toi, toi und spucken dabei über die linke Schulter. Und Martin putzt immer seine Zähne. Klaus-Dieter erzählt nach 40 Jahren Bühnenerfahrung, wie aufgeregt er ist, was ihm keiner glaubt. Manuel stellt fest, dass er irgendein Ladekabel verloren hat und macht alle damit verrückt. Sven muss noch mal ‘fünf Minuten’ weg. Jan hat Angst, dass sein Hosenstall offensteht. Katja stellt fest, dass irgendeine lang geprobte Szene plötzlich völlig unlogisch ist und sucht den Regisseur. Karl Heinz, naja … das behalten wir für uns … und Oli? Dem ist das alles egal.“ Die durchgeführten Rituale scheinen sich zu bewähren. Denn das Theater der Kulturrederei läuft gut, findet regelmäßig viel Publikum. Aber was macht die Gruppe eigentlich so besonders?
Gängige Theaterkonventionen werden hinterfragt
Die Kulturrederei spielt laut Anja sehr damit, gängige Theaterkonventionen zu hinterfragen: „Wir haben keine Lust mehr auf eine starke Trennung und darauf, dass das Publikum ‚nur‘ zuguckt und konsumiert. Wir wollen gemeinsam den Abend erleben, so dass manchmal gar nicht klar ist, wer Zuschauer ist und wer zum Ensemble gehört.“ Außerdem arbeite die Kulturrederei sehr intensiv mit multimedialen Möglichkeiten, wie etwa Live-Kamera-Übertragung zum Sommertheater.
In Zukunft möchte der Verein noch andere, neue Theaterformate entwickeln. „Und damit wollen wir natürlich unser Publikum erfreuen und anregen und zeigen, was Theater alles kann“, sagt Anja euphorisch.
Hard Facts:
- „Schloss Besenrein dreht ab“
- 16. und 17. Juni | 20 Uhr | Schloss Kannawurf
- Karten gibt es hier: kulturrederei
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Text: Clara-Luisa Weiland