Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit Thomas Sperling vom Kassablanca in Jena
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Thomas Sperling dem Geschäftsführer der Gleis1 GmbH und Veranstalter vom Kassablanca in Jena. Das „Kassa“ ist ein soziokulturelles Jugendzentrum mit einem Fassungsvermögen von bis zu 800 Gästen und hatte im Jahr 2019 60.000 Gäste. Neben Klubabenden in verschiedenen Bereichen bietet das Kassablanca auch Workshops, Literaturabende, Kinovorstellungen und vieles mehr an.
Wie ist jetzt bei euch die aktuelle Lage?
Die Situation ist, das wir aktuell alle in Kurzarbeit sind. Für unsere Festangestellten hat das bisher reibungslos geklappt. Problematisch ist es allerdings für die, die bei uns pauschal bezahlt werden, wie beispielsweise Türsteher, Techniker oder Bar-Mitarbeiter. Die sind über die Kurzarbeit leider nicht abgesichert. Aktuell ist das Kassablanca geschlossen, wir denken allerdings sehr optimistisch und gehen davon aus, im Herbst wieder Veranstaltungen machen zu können. Leider gibt es bis jetzt noch nichts, was den Virus eindämmt. Allerdings sind wir aktuell an dem Punkt, das sich die Kurve abflacht und die Maßnahmen greifen. Es ist toll, dass die Menschen alle mitmachen.
Check die Kassa Playlist auf Spotify aus:
Hast du Angst vor dem Virus? Wirtschaftlich und gesundheitlich gesehen?
Wirtschaftlich würde ich es nicht als Angst beschreiben, sondern vielmehr als Sorgen. Für mich ganz persönlich stufe ich den Coronavirus nicht als besonders gefährlich ein. Ich war dieses Jahr beim Arzt und trotz meines Alters mit über 50 Jahten gehöre ich nicht zur klassischen Risikogruppe. Allerdings ist meine Mutter über 70 und ich habe einen Bruder, der zur Risikogruppe gehört. Darüber macht man sich natürlich schon Gedanken. Deswegen kann ich es natürlich verstehen, dass es für viele Junge, aber auch ältere Menschen aktuell ein großer Einschnitt in ihr Leben ist.
Gibt es eine Notlösung, um weiterhin Geld einzunehmen? Habt ihr Aktionen geplant?
Es gibt eine Vereinigung der Clubs und Spielstätten der Stadt Jena, die einen Livestream ins Leben gerufen hat, wo es von Mittwoch bis Samstag, immer ab 20 Uhr Programm gibt. Aktuell sind das DJ´s die auflegen. Zwischendurch gab es einen DJ- Workshop, eine Lesung mit Musik und einen Zeichen-Workshop. Wir versuchen dort ein ausgewogenes Programm zu bieten und uns von anderen, die Livestreams anbieten, abzuheben und etwas Abwechslung zu schaffen. Es soll einfach einen etwas anderen Mehrwert haben.
Hier gehts zum Livestream: Klick!
Zusätzlich haben wir ein Soliticket initiiert. Das läuft nun seit Ende März und auch dort sind die Clubs aus Jena beteiligt. Wir verkaufen verschiedene Ticketarten für beispielsweise fünf oder zehn Euro. Das ist dann quasi wie eine Spende. Es gibt aber auch das 25 Euro Ticket, bei dem man den Anspruch erwirbt, an einer zukünftigen Veranstaltung in einer der Locations teilzunehmen. Dies gilt allerdings nur für nicht ausverkaufte Veranstaltungen.
Das Soliticket findest du hier mit einem Klick:
Müsst ihr weiterhin die volle Miete für den Laden zahlen oder gibt es einen Erlass? Welche Posten müsst ihr weiterhin tragen?
Grundsätzlich ist das Verhandlungssache. Da wir als Kassa von der Stadt gefördert werden, sind das Dinge, die jetzt langsam erst geklärt werden. Ob es eine Stundung oder vielleicht andere Lösung gibt, werden wir noch sehen. Eine Stundung ist ja wie ein Kredit, den wir irgendwann trotzdem zurückzahlen müssen. Es ist natürlich suboptimal, wenn du dagegen keine Einnahmen hast, um es einmal nett auszudrücken. Es kann ja am Ende nicht so sein, dass alle Verständnis haben, außer derjenige der am Ende der Kette steht und sagt er will 100 Prozent seiner Miete haben. Wir können unsere Immobilie aktuell für das nutzen, wofür sie gemietet wurde. Deswegen ist das eine Frage der Verhandlungen und wird sich noch zeigen. Am Ende muss jeder damit leben können.
Bekommt ihr von außen Hilfe?
Unser Förderverein sammelt ja schon immer Spenden. Wir haben die Website nun noch ein wenig in diese Richtung aktualisiert. Dort kann natürlich jeder der Lust dazu hat, für uns als Club spenden. Das gespendete Geld erreicht uns dann direkt, was super ist. Wir haben auch die staatliche Soforthilfe beantragt, das dauert allerdings eine Weile, bis das Geld da ist, sofern wir diese bewilligt bekommen. Unsere fest angestellten Mitarbeiter konnten wir ja schon auf Kurzarbeit setzen. Mit den verschiedenen Anbietern die beispielsweise Strom, Wasser und Gas liefern, haben wir einen verminderten Abschlag vereinbart. Das liegt aber auch daran, dass wir momentan einfach nichts verbrauchen. Somit haben wir die hohen Kosten erst wieder, wenn wir den Betrieb wieder aufnehmen.
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Hast du Tipps, um das Beste aus der Lage zu machen?
Man sollte auf jeden Fall positiv denken! Im schlimmsten Fall dauert das ganze noch ein Jahr. Danach wird es aber weitergehen. Sicherlich wird es Veränderungen geben. Man sollte das aber positiv nehmen und als Herausforderung sehen. Was anderes kann ich dazu nicht sagen. Es gibt auch mal Tage wo man sagt: „Ach du Scheiße“. Aber generell versuche ich positiv damit umzugehen.
Was würdest du dir jetzt konkret von der Politik wünschen?
Ich denke, dass die Politik das prinzipiell erstmal gut stemmt. Es gibt allerdings einzelne Sachen, die besser gemacht werden können. Bei der Soforthilfe vom Bund ist es ja so, dass daraus nicht der Lebensunterhalt bestritten werden darf. Meine Aufforderung an die Bundesregierung ist, dass sie die Grundsicherung für die Solo-Selbstständigen als etwas eigenständiges ansehen muss und nicht mit Harz 4 in Verbindung bringen. Die Leute, die das Geld wirklich brauchen, aber aktuell einfach nichts zu tun haben, müssen sozial besser abgefedert werden und respektvoll behandelt werden. Das sollte einfach unabhängig von Harz 4 gesondert abgearbeitet werden.
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Wie soll es nach der Krise für euch weitergehen?
Die Normalität wird ja aller Voraussicht nach stufenweise zurückkommen. Das bedeutet, dass wir auch stufenweise das Programm dementsprechend gestalten. Es wird also sicher nicht von von heute auf morgen die große Party geben. Der Virus wird uns die ganze Zeit beschäftigen und erst gebannt sein, wenn es einen Impfstoff gibt. Es liegt ja im Bemessen der Politik zu entscheiden, wann welche Maßnahmen ergriffen werden.
Denkst du, das alles kann etwas Positives bringen?
Das werden wir danach sehen. Was ich natürlich positiv finde ist, dass wir als Veranstalter und Spielstättenbetreiber enger zusammengerückt sind. Und dass wir als Kollektiv natürlich auch eine gewisse Schlagkraft haben. Wir hätten in allen Clubs der Stadt in der Zeit von Mitte März bis Mitte Juni ca. 27.000 Besucher gehabt. Das ist natürlich schon eine Hausnummer. Die ganzen Umsätze sind auch ein Wort. Und das Ganze setzt sich weiter fort. Wenn wir das auf ein Jahr rechnen, reden wir von 200.000 bis 250.000 Besuchern.
Gibt es noch etwas, dass du sagen willst? Liegt dir noch etwas auf dem Herzen?
Seid geduldig! Wir kommen zurück!
Ihr seid Kulturakteur oder kreativer Einzelhändler in Thüringen und wollt mit uns über euer Leben in der Krise sprechen? Schreibt uns mit dem Betreff “Kultur Shutdown” an: f.dobenecker@mediengruppe-thueringen.de.
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Hard Facts:
- Felsenkellerstraße 13a, Jena
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