Endlich ist es so weit! Nachdem du dich in den letzten beiden Jahren mit Kurzurlauben in der Rhön oder an der Ostsee begnügt hast, steht nun endlich wieder eine „richtige“ Reise an. Mit dem Flugzeug geht es ab nach Teneriffa. Der Google-Algorithmus hat dir hier noch ein echtes Last-Minute-Schnäppchen gereicht. Was für ein Glück. Gerade jetzt, wo alles teurer wird. Also Koffer gepackt und Kinder hübsch dekoriert, um ein letztes Selfie vor dem Eigenheim zu schießen. „Zwei Wochen Teneriffa! Wir kommen!“, schreibst du unter das Bild, während du heimlich hoffst, dass deine Instagram-Filterblase schön neidisch wird. Doch dank deines öffentlichen Profils werden nicht nur die Bekannten neidisch, sondern auch die Langfinger der Umgebung aufmerksam. Aber daran denkst du gerade gar nicht. Alles, was zählt ist ein fantastischer Urlaub.
Fensterplatz für Video- und Fotomaterial
Im Flugzeug hast du den perfekten Fensterplatz für übertrieben viel Video- und Fotomaterial vom Flug. Doch leider hat dein zweijähriger Sohn mit dem Druckausgleich zu kämpfen und ist ziemlich unruhig. Neben deinen Bemühungen, ihn zu beruhigen, denkst du dir, dass es doch auch schön wäre, die erste Flugerfahrung des Kleinen festzuhalten. Schließlich ist er ja auch heulend ziemlich süß und wird sich später bestimmt an den Fotos und Videos erfreuen. Also Smartphone raus und Kamera an. Das geschossene Material wird gleich noch via WhatsApp und Instagram geteilt, denn die anderen wollen ja auch teilhaben.
Das Licht ist grandios
Nach einer applauswürdigen Landung und einer holprigen Busfahrt kommst du im perfekten Hotel mit dem perfekten Sandstrand an. Die nächsten zwei Wochen verbringt ihr im Paradies. Nur unzählig viele Fotos und Videos werden dieses Erlebnis angemessen festhalten können. Das Licht ist grandios. Die Wellen brechen sich so wunderbar hinter deiner 8-jährigen Tochter, welche am Strand halb nackt Sandburgen baut. Währenddessen macht dein Kleiner nicht nur die ersten Planscherfahrungen im Pool, sondern hat nach einem ausladenden Festmahl auch ein wunderbar verschmiertes Gesicht. All das hältst du mit der Kamera fest und teilst es in deinen Netzwerken. Doch gibt es da nicht eigentlich irgendwelche Regeln?
Tatsächlich hat jeder Mensch ab der Geburt ein „Recht am Bild“. Dies ist ein Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes und besagt, dass jeder Mensch selbst bestimmen darf, ob ein Bild von ihm veröffentlicht wird oder nicht. Bis zum siebten Lebensjahr bestimmen dies alleinig die Eltern oder der entsprechende Vormund. Ab dem 8. Lebensjahr greift eine Doppelzuständigkeit. Juristinnen sprechen hier von einer „erreichten Einsichtsfähigkeit“. Das bedeutet, dass sowohl die Eltern als auch die Kinder entscheiden dürfen, ob Fotos veröffentlicht werden dürfen. Mit der Volljährigkeit verlieren dann die Eltern ihr Recht auf Mitbestimmung.
Daten zur Informationsgewinnung
Gerade in den frühen Lebensjahren sollten sich Eltern jedoch ihrer Verantwortung bewusst sein. Kinderfotos im Netz erhöhen das Risiko unerwünschter Bekanntschaften. Einerseits können Werbetreibende die Daten zur Informationsgewinnung oder sogar für eigene Kampagnen nutzen. Andererseits können solche Fotos und Videos auch in pädosexuelle Netzwerke gelangen und sich dort verbreiten. Vermeintlich harmlose Bilder in Badesachen können so durchaus für sexuelle Zwecke missbraucht werden.
Wichtige Vorbildfunktion
Eltern haben gerade in den ersten Lebensjahren eine wichtige Vorbildfunktion. Um Kinder für Grenzverletzungen zu sensibilisieren, sollte ihnen vermittelt werden, dass sie ein Mitspracherecht haben, wenn es um ihre Privatsphäre geht. So sind die Kinder später besser in der Lage, selbst Grenzverletzungen zu erkennen und zu melden.
Dem Spiegel vorgehalten
Mit der Kampagne #deinkindauchnicht wird Eltern diesbezüglich der Spiegel vorgehalten. Fotos von Kleinkindern in unvorteilhaften Situationen werden durch erwachsene Protagonistinnen nachgestellt. Die Message ist klar: „So ein Foto von dir würdest du nie posten? Dein Kind auch nicht.“ Also bitte überlegt, welche Bilder ihr von eurer Familie und auch von euch teilt. Auch wenn das Setting noch so perfekt ist.
Medienpädagoge Kay Albrecht zu TikTok und Panzern.
Foto: Kay Albrecht
Autor und Medienpädagoge Kay Albrecht ist Profi auf seinem Gebiet. Als freiberuflicher Pädagoge schult der Erfurter die unterschiedlichsten Zielgruppen medienpädagogisch – und jetzt seid auch ihr dran. Regelmäßig klärt Kay in seiner Kolumne über Medienphänomene auf, um kritische Zugänge zu den alltäglichen Herausforderungen der medial geprägten Lebenswelt zu legen.
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