Ein letztes Mal sank die „Titanic“ im gleichnamigen Hollywood-Blockbuster, ein letztes Mal stimmten die „Comedian Harmonists“ ihren Evergreen „Mein kleiner grüner Kaktus“ an, als im traditionsreichen Metropol Kino Gera am 21. Januar 1998 die Lichter ausgingen. Fast 79 Jahre nach seiner Eröffnung als Lichtspieltheater fiel das Gebäude in der Leipziger Straße 24 in einen Jahre währenden Dornröschenschlaf, in dem es Patina ansetzte. Im Jahr 2014 war es damit vorbei, als an Film-Unternehmer Christian Pfeil der Vorschlag einer Wiederbelebung herangetragen wurde. „Ich erinnere mich noch an ein leeres Treppenhaus, ein leeres Foyer und einen riesigen Saal, der – entkernt wie er war – eher einem schwarzen Loch als einem Kino glich“, erinnert sich Caren Pfeil, welche von ihrem Bruder mit ins Boot geholt wurde.
Arthouse-Kino in Gera – 2014 aus seinem Dornröschenschlaf geholt
Die gebürtige Bad Köstritzerin übernahm den Posten der Theaterleiterin, der Bruder gemeinsam mit Markus Eisele die Geschäftsführung, sie konnten das traditionsreiche Haus nach umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten am 20. November 2014 wiedereröffnen. Seitdem erfreute sich das Programmkino stets steigender Beliebtheit. Mit anspruchsvollen Arthouse-Filmen oder Sonderveranstaltungen mit Filmgesprächen in Anwesenheit der Regisseure verzeichnete das Metropol Kino Gera ein stetig wachsendes Publikum: mehr als 52.000 Besucher verzeichnete das Metropol Kino Gera 2019. Dann kam die Corona-Pandemie – und veränderte Geras Kinolandschaft gründlich. Die UCI Kinowelt Gera, welche bis dahin die großen Hollywood-Blockbuster spielte, blieb seither geschlossen. Film-Unternehmer Christian Pfeil, der als Geschäftsführer der Arena Filmtheater Betriebs GmbH u.a. in München drei Programmkinos betreibt, schlug eine Zusammenarbeit mit dem Betreiber vor – vergebens.
Das Metropol Kino Gera ist damit inzwischen die einzige Anlaufstelle für Kinogänger in der Otto-Dix-Stadt und hat in den letzten Monaten aufgrund der entstandenen Lücke eine Handvoll „große Filme“ ins Programm genommen – ist aber seiner Linie treu geblieben. „Wir sprechen mit europäischem Kino, das starke Geschichten erzählt, ein breites Publikum an. Das kann durchaus bewegend oder dramatisch und muss nicht immer lustig sein“, so Caren Pfeil. Experimentellere Formen funktionieren aufgrund einer fehlenden, jahrzehntelangen Arthouse-Tradition unserer Erfahrung nach nicht so gut.“
„Ästhetisch speziellen, aber wichtigen Filmen“
Trotzdem möchte sie „ästhetisch speziellen, aber wichtigen Filmen“, die ihrer Meinung nach definitiv ins Kino gehören, eine Plattform bieten: Sie sind jeden Mittwoch um 20.30 Uhr in der Reihe „MEHRfilm“ zu sehen. Eine Filmreihe mit politischen Themen wie „900 Jahre jüdisches Leben in Thüringen“ in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung oder der Gedenkstätte Amthordurchgang e.V., wurde im Herbst 2021 etabliert und nun im Mai oder Juni fortgesetzt „Gerade bei informativen wie polarisierenden Dokumentarfilmen möchte unser Publikum hinterher darüber diskutieren. Deswegen werden Filmgespräche auch gut angenommen“, so die 61-Jährige.
Kommt man mit der „Theaterfrau“ – Caren Pfeil arbeitete jahrelang als Dramaturgin, bevor sie sich den bewegten Bildern zuwandte – auf die Programmauswahl zu sprechen, gerät sie schnell ins Schwärmen. Bei etwa 120 Filmen, die sie jedes Jahr schaut, fällt es ihr schwer, wirkliche Lieblinge zu benennen, weil so viel Beeindruckendes darunter sei. „Underground“, eine Satire des serbischen Filmemachers Emir Kusturica, gehöre definitiv dazu, ebenso das deutsche Drama „Systemsprenger“, dem es auf sinnlich erfahrbare Weise gelinge, eine harte Geschichte zu erzählen, wie sie sagt.
Kino feierte 100-jähriges Jubiläum 2019
Auch die Filme des gebürtigen Geraers Andreas Dresen haben es ihr angetan, weshalb sie einen der drei Metropol-Säle auch „Halbe Treppe“ nach einem seiner bekanntesten Werke getauft hat. Dresen und sein auch in Gera gebürtiger Stamm-Schnittmeister Jörg Hauschild waren bereits zur Premiere seiner Clemens Meyer-Romanverfilmung „Als wir träumten“ im Metropol zu Gast; Dresen später noch einmal, als 2019 zum 100-jährigen Jubiläum des Kinos sein erster abendfüllender Spielfilm „Stilles Land“ gezeigt wurde. Nun erscheint am 28. April unter dem etwas sperrigen Titel „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ der jüngste, auf der diesjährigen Berlinale prämierte Film von Andreas Dresen – und vereint Politkritik mit Witz. Eine Mischung, die sicher auch beim Geraer Publikum gut ankommen wird.
Hart Facts:
- Metropol Kino Leipziger Str. 24, Gera
- Hier geht es zu Facebook
- Hier geht es zu Instagram
- Hier geht es zur Homepage