Ohne Kulturleuchttürme wäre die Welt nicht die gleiche. Egal ob in der Stadt oder auf dem Land – es braucht Orte, an denen sich junge Menschen austoben und kreativ werden könne. Orte, die ein Safe Space sind, die niedrigschwellig einen Raum bereitstellen, an dem jeder sein kann, wie er ist. Wo keiner aufgrund von Rassismus, Sexismus, Klassismus, Queerfeindlichkeit, Ableismus oder Antisemitismus diskriminiert wird. Einer dieser Kulturleuchttürme ist der PAF oder Pößneck alternativer Freiraum e. V.. Doch was macht diesen Ort so besonders? Warum hat er Vorbildcharakter? Warum muss es solche Räume geben? Fragen über Fragen, die uns Anne und ihre Kolleg:innen vom alternativen Freiraum in Pößneck beantworten.
Hey Anne, erklär uns doch bitte erstmal, was der Freiraum Pößneck eigentlich ist und was ihr macht?
Der Pößneck alternativer Freiraum e. V. ist vordergründig ein Ort der Begegnung und der Möglichkeit zur freien Entfaltung Jugendlicher und Heranwachsender. Junge Menschen können und dürfen bei und mit uns ihre Projekte und Vorstellungen verwirklichen, Vereins-/Gruppensitzungen abhalten und auch Räume für private Feiern nutzen. Weiterhin setzen wir auch Projektideen unseres Vorstands um, indem wir beispielsweise interkulturelle Feste feiern, (musikalische) Lesungen durchführen, Upcycling-Aktionen begleiten und uns für eine starke und bleibende Erinnerungskultur, insbesondere des jüdischen Lebens in unserer Stadt, stark machen. Lockere Treffen bei guter Musik und Getränken zu Soli-Preisen ermöglichen wir durch unsere Barabende. Musikalische Veranstaltungen aus verschiedenen Genres wie Punk, Punkrock, Rock, Hip-Hop, Techno, Drum’n’Bass gibt’s ebenfalls, um Jugendlichen und Heranwachsenden ein Angebot abseits des Mainstreams anbieten zu können.
Wie kam es zur Gründung des Vereins?
Die Idee, ein selbstorganisiertes Jugend- und Kulturzentrum zu etablieren, entstand im Sommer 2011. Kunstbegeisterte, kulturpolitisch Aktive und Kids von nebenan trafen in der Galerie der Jugendkulturen aufeinander und legten den Grundstein für eine kreative und kontinuierliche Projektarbeit. Der Verein Pößneck Alternativer Freiraum e. V. – kurz PAF – wurde gegründet und dank der Kooperation mit der Stadt Pößneck konnte schnell ein Haus in zentraler Lage gefunden werden, dass auch einen Hof und Gartennutzung bot.
Wie muss ich mir euren Ort vorstellen?
Unser Ort ist bunt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes … Wir haben ein altes DDR-Wohngebäude anmieten dürfen, welches uns die städtische Wohnungsgesellschaft großzügigerweise recht günstig zur Verfügung stellt. Hier ist auch noch alles DDR-Standard, was den besonderen Charme unseres Hauses ausmacht. Wir nennen es liebevoll das Haus der Möglichkeiten. Es gibt einen Veranstaltungs- und Backstage-Raum, eine Galerie, eine Siebdruckwerkstatt und ein Musikproduktionszimmer. Außerdem haben wir viele Wände, um jederzeit Graffiti zu sprayen. Es gibt einen Garten zum Bewirtschaften, einen Innenhof für Outdoor-Veranstaltungen sowie eine Bar, die zum Chillen und Quatschen einlädt.
Welche Projekte realisiert ihr für und mit jungen Menschen?
Interkulturelle Feste, Lesungen, Barabende, Musikveranstaltungen, Kicker- und Dartturniere, Hip-Hop- und Graffitiaktionen, Upcycling- oder Stolpersteinprojekte, Stadtführungen zum jüdischen Leben in Pößneck und mehr.
Gibt es ähnliche Orte in eurer Umgebung?
Nein! Wir haben ortsansässige Vereine, die verdammt gute Arbeit leisten. Arbeit für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter. Arbeit für Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren. Diese Vereine sind hier sehr gut besucht und werden professionell betreut und geleitet. Die Kinder in diesen Altersklassen sind in guten Händen. Ab dem Alter von 14 Jahren existieren jedoch nur noch Sport- und Karnevalsvereine, die den Bildungsauftrag außerschulisch abdecken und die Jugendlichen auffangen können. Weiterhin existieren in circa 30 Kilometern Entfernung in alle Himmelsrichtungen ebenfalls Jugendeinrichtungen, die aber für Minderjährige unter der Woche bzw. am Wochenende bis 22 Uhr nur schwerlich zu erreichen sind. Ähnliche Angebote über die musikalischen Veranstaltungen hinaus, sind uns ebenfalls kaum bis gar nicht etabliert.
Warum ist eure Arbeit vor Ort wichtig? Warum brauchen junge Menschen Freiräume, wie ihr sie schafft?
Unsere Arbeit ist wichtig, weil Jugendliche in den Banken, auf Busbahnhöfen, in Parks und im Kaufland abhängen müssen, um sich treffen zu können. Es gibt keinen öffentlichen Ort, an dem sich Jugendliche und junge Heranwachsende zurückziehen können, um sich ausprobieren und in der Peer-Group auch mal unbeobachtet sein zu können. Unsere Arbeit ist wichtig, weil nicht alle Jugendlichen durch ein sicheres und bindungsorientiertes Familien- sowie Schulsystem aufgefangen werden. Einige Jugendliche fallen durch das Raster, weil sie nirgendwo dazugehören bzw. sich nirgendwo dazugehörig fühlen. Diese Menschen brauchen einen Raum, brauchen Menschen, die sie auffangen und so akzeptieren, wie sie sind. Unabhängig von politischer Einstellung, Herkunft, Ethnie, Bildungsstand und Bankkonto
Ihr braucht auch dringend Unterstützung in Sachen Sozialarbeit, warum?
Wir sind alle „nur“ ehrenamtlich tätig. Einige Mitglieder unseres Vorstandes haben bereits abgeschlossene Berufsausbildungen bzw. ein Studium absolviert. Wir versuchen unser Expertenwissen, das wir durch unsere Ausbildungen erlangt haben, in die Arbeit im Verein einfließen zu lassen, habe aber nicht die nötigen zeitlichen Ressourcen, um das so qualitativ hochwertig tun zu können, wie es nötig wäre. Selbstverständlich bringen unsere jugendlichen Vorstandsmitglieder die Skills und ihr individuelles Wissen und Können ebenfalls mit ein. Wir ergänzen uns sehr gut. Es reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um Vandalismus, Beschaffungskriminalität, Drogen- und Alkoholkonsum in dieser Altersklasse erfolgreich einzudämmen, geschweige denn zu verhindern. Unser Verein braucht deshalb dringend professionelle Unterstützung, die sich ausschließlich den Belangen der uns Anvertrauten widmet. Für erfolgreiche präventive Zielgruppenarbeit braucht es Zeit und Kontinuität. Das können wir Vorstände unentgeltlich nicht durch einzelne Projekte leisten, die im Nachgang nicht ausgewertet und deren Ziele nicht faktisch gemeinsam mit den Jugendlichen langfristig gelebt werden können. Das Erreichen vieler verschiedener Jugendlicher ist so auch schwer möglich, da wir keinen Puffer haben, um Jugendliche und Heranwachsende über die Grenzen der Kleinstadt hinaus zu erreichen. Hierfür braucht es gut bezahltes und gefördertes Engagement einer Fachperson.
Oha. Wie wollt ihr dann in Zukunft weiterarbeiten? Was wollt ihr für Pößneck erreichen?
Wir möchten in Pößneck der Anlaufpunkt für alle Jugendliche sein. Wir möchten durch Qualität und regelmäßige begleitete Öffnungszeiten sorgen. Wir möchten gemeinsam mit Schulen Projekte in Sachen Siebdruck und Musikproduktion starten. Wir möchten gemeinsam mit Heranwachsenden feiern und eine schöne erinnerungsträchtige Zeit haben. Wir möchten Weichen für die politische Entfaltung der Jugendlichen stellen. Wir möchten den Rechtsruck der Gesellschaft verhindern. Wir möchten der Landflucht entgegenwirken und der Grund für die Jugendlichen und Heranwachsenden sein, nach der Ausbildung zurückzukommen. Wir möchten der Safe Space und Leuchtturm für die nachkommenden Generationen sein, den wir hier nie hatten. Einen geschützten und gleichzeitig freien Rahmen bieten, um jeder/jedem Einzelnen und deren Bedürfnissen gerecht zu werden. Wir wollen mit und für Pößneck weiterhin einen Ort gestalten, an dem es sich zu leben und zu bleiben lohnt. Eine Zusammenarbeit mit der Stadt und den hiesigen Vereinen ist deshalb zutiefst wünschenswert, um gemeinsame Ziele abstecken und verfolgen zu können. Wir werden uns weiter professionalisieren. Auf allen Ebenen. Stück für Stück kommen wir weiter voran und möchten perspektivisch das Werk der älteren Generation an die junge Generation übergeben.
Hard Facts:
- Wo: Pößneck Alternativer Freiraum e. V.: Ernst Thälmann-Straße 33
- Pößneck alternativer Freiraum e.V.
- Der Verein auf Instagram
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