Natürlich und unverfälscht. Reich an Nährstoffen. Mit vielfältigen Aromen. Das und noch viel mehr sind unsere heimischen Wildkräuter. Sie sind reich an essenziellen Vitaminen, Mineralien und Antioxidantien und bereichern nicht nur kulinarische Erfahrungen, sondern regen zudem die Kreativität in der Küche an. Schon im Wildrausch? Dann geht es euch wie Christine Rauch. Die zertifizierte Wildpflanzen-Expertin aus Erfurt berichtet in unserer neuen „Wildrausch“-Kolumne über die Vorteile lokaler Kräuter, deren Tradition und Verwendung als hiesiges Powerfood. Heute dreht sich alles um die Fichte, deren Blüte und was ihr damit alles machen könnt.
Ein Weihnachtsbaum zum Essen
„Da kann ich ja meinen Weihnachtsbaum aufessen“, ruft ein Zuschauer des Fernsehzimmers in Suhl, als ich über die Verwendung von Nadelbäumen ins Schwärmen gerate. „Ja, genau“, rufe ich zurück in den Raum und ernte fröhliches Gelächter. Solange der Baum nicht gespritzt ist und Umweltgiften ausgesetzt war, kann tatsächlich jeder seinen Weihnachtsbaum wunderbar in allen Einzelteilen verwerten. „Aus der Spitze wird ein Quirl geschnitzt und wenn alle Nadeln vor Trockenheit heruntergenadelt sind, kannst Du diese pulverisieren und als Streckmehl 1:10 mit ‚echtem‘ Mehl und zur ‚Verwilderung‘ von Gerichten verwenden“, führe ich weiter aus. „Krass!“, ertönt eine Stimme aus dem Publikum. „Natürlich geht auch ein Saunaaufguss“, steigere ich den Erstauntheitsgrad noch weiter. Wohliges Raunen geht durch die Menge.
Eine Reise in die Welt der Fichten-Kulinarik
Ich nehme euch heute mit. Raus aus der gedanklichen Wald-Sauna geht’s derzeit mit der Fichte und Ihren Kolleginnen auf eine Reise in die Welt der Fichten-Kulinarik. Am Check-In gibt’s einen Lärchen-Likör. Weiter geht’s zum Boarding mit Fichten-Öl an Radieschen Carpaccio mit jungen Lärchenzapfen. Was für ein Farbspiel. Das Auge isst schließlich mit. Das Fichten-Öl grün wie eine saftige Wiese im Frühjahr über die in feinen Scheiben geriebene Radieschen getröpfelt machen uns zum Abflug in höhere kulinarische Sphären bereit. Doch wie überall kurz vor dem Abflug: die Sicherheitseinweisung. Heute und hier bitte beachten: Bitte esst nur, was ihr hundertprozentig kennt, und lasst etwas für andere übrig!
À la erste Klasse gibt´s jetzt ein saftig-schlonziges Kiefer-Kürbis-Risotto. Dafür habe ich extra noch mehr männliche Unterstützungskraft aus der Kiefer in Form der jungen männlichen Blüten geholt und siehe da, es mundet. Alle Genussflieger sind schon fast auf der Insel der Sinne gelandet und zelebrieren den wunderbaren Hauch von Urgeschmack. Die finale Landung erleben wir mit einem Douglasien-Mango-Sorbet mit Orangenzesten. Ein Glas Douglasien-Sekt in Ehren kann keiner verwehren und so endet die kulinarische Reise mit einem leicht perligen Offboarding. Schließlich gibt es noch einen Lärchenspitzensenf als Good-Buy-Goodie mit nach Hause.
Ein Waldsnack aus Tannennadeln, Butter und Salz
Die Fichtenspitzen findet ihr schon ganz bald im Wald oder in eurem Garten. Das kleine grellgrüne Ende an den Zweigen, ist dass, was ihr für eine leckere Fichtenspitzenbutter braucht. Dazu reicht eine halbe Hand voll. Die Fichtenspitzen schneidet ihr ganz klein und mischt sie unter ein Stück Butter. Etwas Salz dazu und fertig ist der Waldsnack.
Verwertung der nordamerikanischen Douglasie
Doch nicht nur die Fichte eignet sich für Gaumenfreuden. Auch die Douglasie können wir verarbeiten. Sie kommt tatsächlich aus Nordamerika. Mister David Douglas, ein schottischer Botaniker, brachte die Samen 1827 mit nach Europa. Daher auch die Namensgebung. Die fichtenähnliche Douglasie wird bei uns maximal 50 bis 60 Meter hoch und startet jetzt den Neuaustrieb – perfekt für die Ernte und die Verwertung der lokalen Wildpflanze.
Essbare Wildpflanzen kennenlernen
Douglasien wachsen gerne auf frischen bis feuchten, durchlässigen und nährstoffreichen Böden. An der Unterseite der Nadeln tragen sie zwei silbergraue Spaltöffnungsstreifen. Sie stehen ähnlich wie bei Tannen mehr oder weniger zweizeilig an den Zweigen. Der aromatische Orangenduft beim Zerreiben der Nadeln ist sehr markant. Das allerbeste Erkennungsmerkmal sind jedoch die Zapfen. Ein Tipp von mir: Schaut Euch die Zapfen ganz genau an, da hängen ganz viele kleine Schlangenzungen raus.
Nadeltees, die inspirierend, erfrischend und kräftigend wirken
Wenn ihr noch etwas darüber nachdenken wollt, ob ihr mehr essbaren Wildpflanzen-Reisen erleben möchtet, kocht euch einen Fichten- oder Douglasien-Tee. Er soll inspirierend wirken. Außerdem wirken Nadeltees erfrischend und kräftigend. Dazu einfach einen kleinen Zweig in einen Topf geben und circa 20 Minuten auskochen. Bei Douglasie färbt sich das Wasser rot. Abgekühlt mit Sprudelwasser aufgegossen oder mit Sekt angereichert ein großartiges Getränk für warme Frühlingstage.
Nächste kulinarische Wildrausch-Reisen:
- Forsthaus Willrode bei Erfurt:
17. und 18. April | 2-Tages-Kurs: Alltagsküche & Anpflanzung von essbaren Wildpflanzen - Im Apfelgut Erfurt:
16. Mai | Fichte und Ihre Kollegen
12. Juni| Linde und Holunder - Im Apothekenmuseum Bad Langensalza:
31. Mai | Baumblätter & Frühlingskräuter fermentieren
7. Juni| Johannikräuter & Rituale - Mehr Infos zu Wildraushkursen und Veranstaltungen gibt es unter: www.wildrausch.de
- Oder bei Instagram: @wildrausch
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