Michael Blanco Perez, besser bekannt als Mbp, hebt sich ab. Nicht nur durch seine Musik, auch durch seine Hautfarbe. Das merkt er in Zeiten von George Floyd ganz besonders. Vor Kurzem hat der Erfurter Rapper einen Plattenvertrag beim Berliner Musiklabel „Spree Money Music“ unterzeichnet, auf dem er auch bald sein erstes Solo-Album veröffentlichen wird. Vorab haben wir mit Mbp über Alltagsrassismus, Musik und Castingshows gesprochen.
Neue Platte, neues Label, neue Songs – Hast du schon angefangen Tracks für dein erstes Solo-Album zu machen?
Wir sind zurzeit in Produktion. Ein Song ist fertig. Da müssen wir nur noch ein Video drehen. Derzeit sitze ich an einem George-Floyd-Song, weil ich das Gefühl hatte, dass keiner Songs darüber macht, obwohl das derzeit ein so großes Thema ist.
Warum liegt dir das Thema am Herzen?
Das Thema ist mir wichtig, weil ich selber schwarz bin. Zudem muss die Diskussion am Leben gehalten werden. Ein paar Monate sind vergangen und langsam bekommt das Ganze wieder weniger Aufmerksamkeit und gerät irgendwann in Vergessenheit. Das soll nicht passieren.
Warst du im Alltag wegen deiner Hautfarbe auch bereits Rassismus ausgesetzt?
Ja. Es sind Kleinigkeiten. Ich fahre beispielsweise seit Jahren keine Bahn mehr, weil ich immer das Gefühl hatte, ich werde angeschaut. Es hat sich auch noch nie jemand in der Bahn neben mich gesetzt. Das ist voll kurios. Die Bahn ist voll, neben mir ist ein freier Platz und keiner will sich setzen. Da fragt man sich schon nach dem Warum. Woran liegt es? Stinke ich? – Kann nicht sein. Das ist eigentlich belanglos, aber trotzdem wird einem vermittelt, dass du in diesem Moment anders bist. Ein anderes Beispiel: Beim Fußballverein hat der Trainer einer anderen Mannschaft einmal reingerufen: „Haltet doch mal den Neger auf!“ Oder in der Schule, wenn im Geschichtsunterricht Bücher gelesen wurden, in dem das Wort „Neger“ vorkam, lachten alle meine Mitschüler. Ich wusste in dem Moment, dass ich anders bin. Alle lachen, außer mir.
Das waren also eher so unterschwellige Dinge?
Genau. Das Schlimmste, was mir mal passiert ist, war in einem Erfurter Club. Ich ging auf die Toiletten und da waren drei Leute mit Glatze. Als ich in der Klo-Kabine war haben sie gerufen: „Hier ist es so dreckig, da kann ja mal der Neger sauber machen, der hier gerade rein kam.“ Da dachte ich: „Sprichst du es an oder lässt du es einfach und schaust drüber hinweg – wie immer?“ Ich habe es ganz höflich angesprochen und dann haben sich die drei herausgeredet. Nach einer zehnminütigen Unterhaltung sind wir vor die Toilette gegangen. Auf einmal waren da zehn Leute um mich herum und ich wurde weiter beleidigt. Wohl bemerkt, das war im Club, überall Security und keiner hat was gemacht.
Ist das nicht auch ein Grund warum du den Song gemacht hast?
Ja. Es ist wichtig auf Rassismus aufmerksam zu machen. Wenn man darüber spricht, wird es einem erst bewusst.
Und das thematisierst du dann auch in dem Song?
Ja. Im ersten Teil geht es um die Situation, in der sich George Floyd befindet und im zweiten Part des Songs geht es mehr um die Bewegung selber – was danach passiert ist. Hätten die Leute es nicht gefilmt, wäre es nie dazu gekommen und dieses Bild zeigt, dass wir alle nur Menschen sind. Wir leiden alle, wenn uns so etwas passieren würde, egal welche Hautfarbe du hast. Ich gehe in dem Song auch gar nicht drauf ein, dass George Floyd schwarz ist. Ich gehe nur darauf ein, dass er ein Mensch ist, dass er einen Namen hat.
Hast du selbst Veränderungen nach diesem Vorfall gespürt?
In der Öffentlichkeit schon. Besonders auf Instagram und Social Media kriegt man das ganz stark mit. Ich bin kein Fan von sozialen Medien, aber ich nutze sie, um Leute zu erreichen und ich finde es schön, wenn mir Leute ihre Geschichte erzählen. Das ist mir in den letzten Wochen sehr häufig passiert.
Was sind denn die Themen bei deinen anderen Songs?
Bei meinen Solo-Songs geht es mehr um Liebe, weil ich finde, dass sich jeder mit Liebe identifizieren kann, egal ob es die Liebe zu den Eltern ist oder zum Hund oder zu wem auch immer. Jeder kann sich reinfühlen. Ich habe vor kurzem den Song „Angriffsfläche“ veröffentlicht. In ihm geht es mehr um mich und was ich erlebt habe. Darin frage ich mich, ob alles anders wäre, wenn ich keine dunkle Hautfarbe hätte. Wir sind im Jahr 2020 und ich fühle mich immer noch fremd im eigenen Land, obwohl ich hier geboren wurde. Ich versuche mehr das sozialkritische hervorzuheben, weil das im Rap derzeit fehlt. Rap war früher auch dafür da, auf Probleme aufmerksam zu machen. Jetzt ist das anders. Es geht nur noch um Geld, Drogen, Frauen und Partys.
Du warst vor nicht allzu langer Zeit Kandidat bei der Castingshow X-Factor. Hast du da viel für deine Musik mitgenommen?
Es ist eine coole Erfahrung. Du lernst ganz tolle und liebe Menschen kennen. Es ist keiner dabei, der nicht singen oder rappen kann. Da war es schon geil, Input zu bekommen, eine ganz andere Sichtweise auf die Dinge. Ich hatte das Glück, dass ich in der Gruppe von Sido war. Sobald die Kamera aus ist, ist Sido hinter der Kamera genauso wie vor der Kamera. Er hat mir viel beigebracht.
Welche Vorschläge hast du mitgenommen?
Sido meinte, dass man auf jeden Fall den Dialekt weglassen soll, was sehr schwierig war. Ein weiterer Tipp war, die Endings zu betonen. Das Ende der Sätze ist immer das Wichtigste. Und auch der Schreibstil entwickelt sich. Man braucht nicht immer den besten Reim, wenn der Vibe stimmt. Es ist wichtige, dass die Geschichte und die Lyrik dahinter Sinn ergeben. Man sollte sich ein Beispiel an Goethe und Schiller nehmen und nicht an Capital Bra. Ich mag den, aber das eine hat ja nichts mit dem anderen zu tun. Einen gewissen Anspruch sollte man haben. Darauf wird sehr viel Wert gelegt in der Show.
Wir haben jetzt viel über Rassismus geredet, hast du etwas, was du den Lesern mit an die Hand geben möchtest?
Ich finde es wichtig, dass wir alle zuhören. Unsere Geschichte hat uns gezeigt, dass sich Dinge wiederholen und jedes Mal, wenn wir die Augen zu machen, wird es sich wiederholen. Es geht nicht um mich, dich, schwarz oder weiß, es geht um unsere Kinder. Was wollen wir denen mitgeben. Sollen die in einer Welt leben, in der man sich Gedanken machen muss, ob man schwarz oder weiß ist? Oder will man in einer Welt leben, in der es egal ist, wie du aussiehst und wer du bist? Eine in der du einfach leben kannst? Das ist wichtig. Wir sollten uns immer wieder fragen, ob wir die Generation sein wollen, die hingeschaut und etwas getan, etwas geändert hat. Oder sind wir die Generation, die nichts tut.