„Sehnsucht“ oder „Verliebte Jungs“: Mit diesen Titeln wird Purple Schulz bis heute noch in Verbindung gebracht. Der Sänger und Songwriter war in den 80ern und 90ern Kult. Mittlerweile ist er auch Radiomoderator und Autor. Mit seinem eigenen Talk-Konzert möchte er Nachwuchskünstler:innen fördern. Weimar darf sich am 27. Mai auf den gebürtigen Kölner freuen. Dann tritt er zum Köstritzer Spiegelzelt mit seinem Programm „Sehnsucht bleibt!“ auf.
Hallo Purple, du trittst demnächst in Weimar mit deinem Programm „Sehnsucht bleibt“ auf. Inwiefern ist der Name Programm?
Das ist ja nicht nur der Titel meines Programms, sondern auch meines Buches, in dem ich die letzten 60 Jahre Revue passieren lasse. Vor allem die Sehnsucht nach Wahrheit ist der Motor, der mich immer wieder Songs schreiben lässt, und so zieht sich diese Sehnsucht durch alle meine Lieder. Und natürlich ist der Song „Sehnsucht“ neben vielen alten, aber auch brandneuen Songs, auch ein Teil des Programms.
1973 standst du das erste Mal auf der Bühne. Das heißt du feierst dieses Jahr dein 50-jähriges Jubiläum. Wird man da schon mal nostalgisch?
Nein, denn ich habe heute die Unabhängigkeit, die ich mir immer gewünscht hatte. Ich brauche keine große Plattenfirma, meine Frau macht mein Management, das Booking und schreibt mit mir die Songs. Was die großen Bühnen angeht: die hatte ich zu Genüge. Ich will mein Publikum sehen, ich will sehen, was die Songs mit den Menschen machen, und dafür ist das Spiegelzelt in Weimar ideal.
Gibt es etwas, dass du damals gern gewusst hättest, bevor du als Musiker durchgestartet bist?
Ich fand es immer wichtig, meine eigenen Erfahrungen machen zu können. Nur aus den eigenen Fehlern kann man lernen und reifen.
Die meisten deiner Fans verbinden dich immer noch mit Hits wie „Verliebte Jungs“ oder „Sehnsucht“. Hast du dich langsam daran gewöhnt oder ärgert dich das eher?
Auf ewig mit „Sehnsucht“ verbunden zu sein ist fantastisch. Mit den „Verliebten Jungs“ ist das als fünffacher Großvater natürlich etwas anderes. Aber als diese beiden so unterschiedlichen Songs in den Achtzigern diesen unglaublichen Erfolg hatten, dachte ich, etwas Besseres als so breit aufgestellt zu sein, könne mir gar nicht passieren.
Inwiefern unterscheiden sich deine Lieder der 80er Jahre von den aktuellen Songs?
Die Songs sind schlanker geworden, um den Fokus noch mehr auf die Geschichten zu legen. Was geblieben ist: ich habe immer über meine Generation gesungen. Nun sind wir alle ein bisschen älter geworden und somit verändern sich auch die Themen, bis auf eines: Sehnsucht bleibt.
Du bist nicht nur Musiker, sondern auch Songwriter und hast bekannterweise alle deine Werke selbst geschrieben. Warum ist dir das so wichtig?
Ich kenne es einfach nicht anders. Alle meine Vorbilder in den Sechzigern und Siebzigern waren Singer-Songwriter. Wenn ich heute sehe, dass bei vielen Songs der bekanntesten deutschen Künstlerinnen und Künstler manchmal sechs Leute den Text und sieben die Musik geschrieben haben, dann kann ich nur noch den Kopf darüber schütteln. Denn oft ist das Ergebnis nichts weiter als durchschnittlicher Radio-Rotationspop.
Denkst du, dass Künstler:innen einen Song besser rüberbringen können, wenn der Text selbst geschrieben ist bzw. das eigene Leben reflektiert?
Nicht zwangsläufig, es gibt auch großartige Interpreten, die nie einen eigenen Text geschrieben haben. Und es gibt Songschreiber, die ihre selbst geschriebenen Songs nicht so gut singen oder produzieren können. Aber dafür sind sie wahrhaftig, ob es einem gefällt oder nicht
Generell bringst du oft deine eigenen Emotionen in ihren Liedern zum Ausdruck. Bist du ein Mensch, der seine Gefühle besser verarbeiten kann in dem er sie aufschreibt? Hat dich das anfangs Überwindung gekostet?
Das Schreiben hat immer etwas Therapeutisches an sich, weil man dazu einfach reflektieren und ehrlich sein muss. Ich musste mich nie dazu überwinden, ehrlich zu sein. Das Publikum merkt, wenn jemand dumm rumlabert oder sich hinter Pseudopoesie versteckt, anstatt auf den Punkt zu kommen.
Du hast in Zusammenarbeit mit den Macher:innen von Streamfood das Talk-Konzert „Come Together“ entwickelt, indem du mit angehenden Songpoet:innen sprichst. Was war der ausschlaggebende Moment für die Idee dieses Projektes?
Ich wollte einerseits, dass diese tollen Künstlerinnen und Künstler medial gebührend wahrgenommen werden. Zum anderen ging es uns darum, mit diesem Projekt ein System der fairen Beteiligung für alle Gewerke zu realisieren. Vom Kameramann bis zum Lichtoperator sollten alle an den Einnahmen beteiligt werden, was bei Streaming-Produktionen eben sonst nicht der Fall ist. Diese aufwändige Produktion ist übrigens immer noch für fünf Euro im Netz abrufbar.
Seit 2017 moderierst du die Show „Songpoeten“ bei WDR 4. Dabei sprichst du mit vielen neuen Talenten und Künstler:innen. Erinnert dich das an die Zeit zurück, als du als Musiker durchgestartet bist oder stehen Musiker:innen heute eher vor anderen Herausforderungen?
Das Musikgeschäft hat sich in den letzten Jahrzehnten komplett verändert. Wir Künstler haben im letzten Jahrhundert von Plattenverkäufen und Konzerten gelebt. Heute sind die Einnahmen von Tonträgern komplett weggebrochen, lediglich am Merchandise-Stand werden noch ein paar CDs und LPs verkauft. Dadurch verringern sich natürlich auch die Gema-Einkünfte. Die junge Generation an Künstler:innen kennt es jedoch nicht anders und scheint irgendwie damit klarzukommen. Ob sie langfristig davon leben können, bezweifele ich aber stark. Und nicht wenige haben wegen der teils irrsinnigen Corona-Maßnahmen der letzten drei Jahre auch das Handtuch schmeißen müssen.
Warum ist es dir so wichtig, den Nachwuchs zu fördern?
Wir haben eine unglaublich vielseitige Singer-Songwriter Szene in Deutschland, die in den Medien nicht vorkommt. Natürlich gibt es Ausnahmen wie die üblichen Verdächtigen aus Formaten wie „Sing meinen Song“, aber die haben auch eine der drei finanzstarken Plattenfirmen im Rücken. Die wirklich besten und innovativsten Künstler:innen sind aber tatsächlich unabhängig und verfügen weder über die Manpower noch das Geld, ihre Musik so zu promoten, dass der durchschnittliche Radiohörer sie zu hören bekommt. Gerade diese Leute machen aber die Vielfalt aus und ohne sie würde alles gleich klingen.
Ist dir einer der Künstler:innen, mit denen du gesprochen hast, besonders im Gedächtnis geblieben?
Ich habe z.B. den künstlerischen Werdegang von CATT alias Catharina Schorling lange begleitet. Sie ist für mich eine der großartigsten deutschen Künstlerinnen der letzten Jahrzehnte, und gerade erst ist sie von Berlin nach Weimar gezogen. Ihre Songs legen sich wie eine wärmenden Decke um uns und stecken so voller Weisheit. Sie spielt viele Instrumente und hat eine unvergleichliche Stimme und Bühnenpräsenz. Nicht umsonst hat CATT für eine Spotify-Kampagne mit ihrem Konterfei eine der riesigen LED-Wände am New Yorker Times Square geziert. Auf den Kulturseiten der großen deutschen Zeitungen hat man darüber nichts gelesen. Ich spiele in meinen Sendungen eben die, die keine große Firma im Rücken haben. Meine Künstlerinnen und Künstler finde ich eher wie ein Schwein den Trüffel. Ich grabe das Netz um, bis ich auf Musik stoße, die mich begeistert, berührt, lachen oder weinen lässt.
Was war das Verrückteste, das du während deiner Laufbahn als Musiker erlebt hast?
Das war tatsächlich Anfang der Neunziger in Weimar. Da hätte ich um ein Haar meinen Auftritt auf der Bühne verpasst, weil ich mir auf der Toilette vom Hotel Elephant hatte und nicht mehr loskam. In letzter Sekunde hatte ich es noch geschafft, und das mein Hintern dabei geblutet hat, hat keiner gemerkt (lacht).
Hast du noch etwas anderes, dass du mit Weimar verbindest?
Mit sehr viel Geschichte und seit neuestem auch mit CATT, weil sie gerade hierhergezogen ist. Darauf kann Weimar gerne auch ein wenig stolz sein.
Weil wir schon bei Weimar sind: Warst du schon oft in Thüringen?Was schätzt du an der Region am meisten?
Ich mag die Mentalität der Thüringer, die ist unserer rheinischen Mentalität sehr ähnelt. Wenn wir auf der A4 unterwegs sind, fahren wir übrigens immer mit einem Kühlkoffer in Magdala beim Imbiss Haase vorbei und packen das Teil mit Bratwürsten voll, weil der einfach die besten hat.
Hard Facts:
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- Purple Schulz
- Wann? Samstag | 27. Mai | 20 Uhr |
- Wo? Köstritzer Spiegelzelt | Beethovenplatz | Weimar
- Tickets und mehr Veranstaltungen im Spiegelzelt: koestritzer-spiegelzelt.de
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