Ganz unkompliziert. Sehr nahbar. Reflektiert. Couragiert. Das sind die Eigenschaften, mit denen Sebastian Krumbiegel am besten beschrieben werden kann. Im Interview mit dem t.akt-Magazin ist der in Leipzig geborene Musiker gleich beim Du. Ach was, schon im kurzen Mailkontakt vorab zeigt Sebastian in keinster Weise Star-Attitüden – und das, obwohl er mit seiner Band „Die Prinzen“ seit 30 Jahren deutsche Popgeschichte schreibt. Erst im Mai dieses Jahres erschien das 12. Album der Band. „Die Krone der Schöpfung“ heißt es und überzeugt, wie auch schon die vielen Prinzen-Platten zuvor, mit pointierten sowie selbstkritisch-ironischen Texten und eingängigen Pop Rock-Rhythmen.
Doch nicht nur im Bereich Musik hat Sebastian einiges vorzuzeigen, auch politisch und sozial engagiert er sich in vielen Bereichen, wie beispielsweise im Bündnis Dresden Nazifrei und im Flüchtlingsrat Leipzig. Als Zeitzeuge der Wende war er bei den Monatgsdemos Ende der 80er-Jahre an vorderster Front dabei. Anfang der 90er erlebte er das Erstarken des Neonazismus in den neuen Bundesländern – seiner Heimat. Bei einem Angriff Anfang der 2000er musste er rechte Gewalt gar am eigenen Leib spüren. Das alles sind Erlebnisse, die ihn prägten und die er in seinem Sachbuch „Courage zeigen: Warum ein Leben mit Haltung gut tut“ festgehalten hat. Am Sonntag, dem 17. Oktober, war Sebastian in Jena. In einer musikalischen Lesung stellte er sein Werk, seine Musik und sein Leben vor. Wir sprachen deshalb mit dem Mann, der kein Blatt vor den Mund nimmt und immer klare Kante gegen Faschismus und Diskriminierung zeigt.
Aus aktuellem Anlass: Was sagst du zum Abschneiden der AfD in Ostdeutschland?
Überrascht bin ich nicht, aber natürlich finde ich das gruselig. Das Komische ist, dass die Leute deshalb jetzt alle aufschreien. Ich bin der Meinung, dass das Abschneiden der AfD in Sachsen und Thüringen bei der Bundestagswahl abzusehen war und man muss ganz klar sagen, dass im Vorfeld zu wenig dagegen gemacht wurde. Man hätte viel früher reagieren müssen.
Wie hätte man reagieren können? Was hätte im Vorfeld getan werden müssen?
Man muss Strukturen stärken, die sich klar im Kampf gegen den Rassismus engagieren. Man muss Initiativen unterstützen, die sagen, wir kämpfen für eine multikulturelle Gesellschaft. Wir sehen, dass die Welt zusammenwächst und es ist gestriges Gedankengut, zu meinen, wir würden übervölkert. Man darf nicht hinnehmen, dass solche Ideen verbreitet werden. Dagegen muss man etwas unternehmen.
Ein Schlagwort, das dazu passt, ist „Courage zeigen!“. Ein Imperativ, der sich durch deine Biografie, deine Musik und natürlich durch dein Buch zieht. Was heißt für dich Courage zeigen?
Ich sehe das nicht als Imperativ. Es ist nicht vordergründig eine Aufforderung. Es ist eine Feststellung. Ich versuche so zu handeln. Das gelingt mir nicht immer, aber ich versuche es trotzdem immer wieder. Courage zeigen, heißt für mich, Dinge anzusprechen, die mich stören. Ich sag‘ es mal pathetisch: Courage heißt für mich, für demokratische Grundwerte und das Grundgesetz einstehen. Ich bin Verfechter des demokratischen Rechtsstaates. Ich bin ein Grundgesetz-Ultra. Das sind Errungenschaften, für die wir stehen und Partei ergreifen sollten. Menschen und Parteien, die heutzutage vermeintlich gegen das Establishment sind, versuchen dieses System, diese Errungenschaften abzuschaffen. Sie kämpfen gegen den demokratischen Rechtsstaat und dem möchte ich etwas entgegensetzen. Ich möchte gegen die Menschen kämpfen, die sich gegen demokratische Grundwerte aussprechen.
Dein Song „Die Demokratie ist weiblich“ scheint in diesem Zusammenhang aktueller denn je. Verwundert dich das?
Nein. Das Lied habe ich gemacht, weil mir das auf der Seele brannte. Das ist zwar drei Jahre her, aber ich denke nicht, dass sich da viel geändert hat. Derzeit verortet man das Problem in Sachsen und Thüringen, weil dort die Landkarte bei der Wahl in großen Teilen blau war. Aber ich glaube, das bleibt nicht bei uns. Wenn wir nicht aufpassen, wird sich das ausbreiten und das möchte ich nicht. Dieses Erstaunen über das Wahlergebnis bei uns kann ich nicht nachvollziehen. Sachsen und Deutschland sind nicht immun gegen Rechtsradikalismus. Wenn man zum Beispiel nach Thüringen schaut, wo dies Kungeleien zwischen Union und AfD mittlerweile offen ausgetragen werden, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn das nicht besser wird. Da finde ich es mutig von der Linken, Kemmerich die Blumen vor die Füße zu knallen. Das war ein Zeichen. Das hat mich gefreut.
https://www.facebook.com/sebastiankrumbiegelofficial/posts/2238123492996257
Also denkst du, Susanne Hennig-Wellsow hat Courage gezeigt?
Auf jeden Fall.
Corona machte deutlich, wie wichtig Kultur ist. Nicht nur um für Kurzweil zu sorgen, sondern auch, um für Vielfalt, Demokratie und andere Werte einzustehen. Nutzt du sie, also zum Beispiel deine Musik als ein Mittel, um zu vermitteln?
Natürlich vermittelt Kultur und Musik zwischen den Menschen. Völlig unabhängig von Politik. Und diese Vermittlerrolle ist wichtig. Wir alle sollten uns im Klaren darüber sein, was auf dem Spiel steht. Gerade wir Ossis wissen doch, was es bedeutet, in einem Regime zu leben. Da sollten wir nicht Dinge verwechseln. Wenn die AfD oder Pegida Slogans wie „Wir sind das Volk“ oder „Vollendet die Wende“ nutzt, ist das falsch. Die Leute dürfen diesem Irrtum nicht anheimfallen. Das, wofür die Menschen damals bei den Montagsdemos gekämpft haben, war die Demokratie. Die Leute, die das heute sagen, kämpfen gegen Demokratie. Anfang der 90er war ich live dabei und wenn ich das jetzt sehe, ist das eine gruselige Angelegenheit. Damals ist man miteinander für Freiheit auf die Straße gegangen.
Wie ist das für dich, wenn Sätze wie „Wir sind das Volk“ so ad absurdum geführt werden?
Wir dürfen uns diese Sätze nicht wegnehmen lassen! Es ist ein Satz, der stimmt. Natürlich sind wir das Volk. Und als Volk können wir dafür Sorge tragen, in was für einer Welt wir leben. Ein Einzelner hat viel mehr Einfluss als wir denken. Sätze wie: „Die da oben machen eh was sie wollen“, sind Nonsens. Es gibt immer irgendwelche Korruption und Menschen, die Macht missbrauchen. Aber trotzdem und gerade darum ist es wichtig, für unsere Werte einzustehen.
Du bist unter der Überschrift „Courage zeigen – Eine musikalische Lesung“ in Jena. Was erwartet die Thüringer bei deiner musikalischen Lesung, ähnliche Themen?
In erste Linie bin ich Entertainer. Ich versuche, die Menschen zu unterhalten. Ich bin nicht angetreten, um einen politischen Vortrag zu halten. Aber ich trete auf jeden Fall an, um diese Bühne zu nutzen und für meine Werte einzustehen. Es gibt viele Musiker:innen, die das machen. Bestes Beispiel ist Danger Dan mit seinem Song „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Der ist großartig. Eine super Botschaft und ein wahnsinnig guter Song.
Ich glaube, der Trick ist, dass man die Leute erst einmal unterhalten muss. Du musst diese Themen locker und leicht auf die Bühne bringen. Das machen wir mit den Prinzen seit eh und je. Bei unserem aktuellen Song „Dürfen darf man alles“ haben wir uns auch mit einem ähnlichen Thema auseinandergesetzt. Dabei geht es um die Thematik, dass viele Menschen übertrieben von Denk und Sprechverboten reden. Wir versuchen es in ironischer Weise humorvoll rüberzubringen, aber dabei bleiben wir ganz klar bei der Sache.
Die Leute können sich in Jena auf viel Musik freuen. Ich werde jede Menge erzählen, aber auch versuchen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich habe nicht DIE Lösung für alle Probleme und bin selbst ein Suchender. Aber solange wir reden und versuchen, Dinge zu thematisieren, machen wir erst mal alles richtig. Einfach nur danebenstehen und nichts machen, finde ich unmöglich. Jeder sollte sich darüber im Klaren sein, welche Freiheitswerte wir hier in Deutschland haben und dass wir in einer Gesellschaft leben, die großartig sein kann. Dafür muss man einstehen. Ich bin Demokrat, ich bin Humanist. Ich versuche diese Werte zu vertreten und klar gegen Neo Nazis zu stehen.
Also sind deine Lesungen sehr interaktiv?
Auf jeden Fall. Das kommt auf die Größe des Ortes an, an dem ich auftrete. Für mich ist der Austausch wichtig. Ich freue mich, wenn ich Input bekomme. Ich lerne von den Menschen genauso wie sie von mir.
Du sagtest, es wird neben viel Gesprächsstoff auch Musik geben. Wo wir beim nächsten Thema wären. Die Prinzen feiern dieses Jahr ihr 30. Jubiläum. Euer 2021 erschienenes Album heißt „Krone der Schöpfung“. Auch der dazugehörige Song ist witzig und zugleich politisch. Findest du, es ist Hybris, dass sich der Mensch als Krone der Schöpfung empfindet?
Das ist ein biblisches Zitat. Der Mensch macht sich die Erde untertan, aber das sollte er nicht missbrauchen. Wir müssen aufpassen, mit der Natur und unserem Planeten gut umzugehen. Wenn wir unsere Lebensgrundlage zerstören, dann nützt uns alles nichts mehr. Da muss man nicht diskutieren. Wenn man der Wissenschaft glaubt – und das mache ich –, dann ist es allerhöchste Eisenbahn, dass wir aktiv werden. „Krone der Schöpfung“ ist ein Lied, in dem wir versuchen, diese Botschaft humorvoll zu verpacken. Wir wollen uns nicht missionierend auf eine Bühne stellen, aber solche Themen sind wichtig und deshalb greifen wir das auch in unserer Musik auf.
Also wollt ihr mit euren Songs zum Denken anregen.
In allererste Linie will ich meine Meinung sagen und Fan von dem sein, was ich mache. Und da ist es für mich wichtig, authentisch zu sein. Wenn mich diese Themen umtreiben, beschäftigt mich das eben auch in der Musik. Und wenn ich da darüber schreibe und mir das selbst gefällt, was ich mache, dann ist das eben authentisch und kommt bei den Menschen auch so an. Etwas Konstruiertes entlarvt man schnell. Meine Lieder entstehen durch Dinge, die ich erlebe. Wenn ich mit Menschen nach Konzerten oder Lesungen spreche, sind das vielleicht auch Themen, aus denen später ein Lied wird.
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Lesungen, Musikmachen, du engagierst dich sozial und politisch – hat dein Tag eigentlich mehr als 24 Stunden?
Derzeit habe ich ja viel Zeit, weil unsere Tour verschoben werden musste. Ich hänge auch gerne mal rum. Aber wenn ich merke, dass ich Leute erreiche, pusht mich das. Ein barmherziger Samariter will und kann ich nicht sein, aber ich will gut finden, was ich mache und Dinge tun, die mich erfüllen. Das kann ich nur jedem empfehlen. Wenn man sich für etwas einsetzt und man merkt, man bewegt etwas, ist das sehr befriedigend.
Also sollten sich die Menschen mehr engagieren?
Das ist jedem selbst überlassen. Aber nicht nur Geschenke bekommen ist toll, auch Geschenke machen kann einen unglaublich erfüllen. Man muss sich dabei nicht immer großartig anstrengen. Befolgt man den Grundsatz: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, ist jedem geholfen. Wenn man zu Menschen freundlich ist, ist das meistens eine Win-win-Situation. Aber immer freundlich sein, ist auch nicht die Lösung aller Probleme. Zu einem Nazi will ich nicht freundlich sein. Und wenn ich das große Wort „Courage“ noch einmal bemühe, geht es dabei auch darum, dass man reingrätscht, wenn Menschen diskriminiert oder schlecht behandelt werden. Das fängt im Privaten an und geht in der Öffentlichkeit weiter. Die Menschen müssen Mut haben, Antisemitismus und Hass entgegenzutreten. Mit Gedanken geht es los, mit Worten geht es weiter und mit Taten hört es auf. Der Mann, der den 20-Jährigen in der Tankstelle wegen eines nicht getragenen Mundschutzes vor nicht allzu langer Zeit in den Kopf geschossen hat, machte genau diesen Werdegang durch. Deshalb fängt es dabei an, dass wir uns um politische Bildung kümmern, Courage zeigen und Ausgrenzung sowie Diskriminierung entgegentreten.
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