Der Zeitgeist orientiert sich inzwischen wieder an den 80er Jahren. Mit ihrem achten Studioalbum „Simulation Theory“ reiten auch Muse auf der Retrowelle, doch nicht immer sitzen die Briten dabei sicher im Sattel.
Muse veröffentlichten im November ihr Album „Simulation Theory“
Das britische Trio Muse hat ein Alleinstellungsmerkmal, das ihren Sound unverwechselbar macht: Die 3,7 Oktaven umfassende Opern-Stimme von Sänger und Gitarrist Matthew Bellamy. Sie verwandelte die Ballade „Unintended“ in eine markerschütternd-deprimierende Elegie der erkalteten Liebe. Sie ließ die Menschheit hinter verträumten Streichern, strengen Klavierpassagen und verzerrten Gitarren in der dreiteiligen „Exogenesis Symphony“ an Erlösung glauben. Letzteres übrigens im Jahre 2009 auf dem fünften Studioalbum von Muse, „The Resistence“ – das letzte, das wirklich gelungen war.
Kein Experimentieren jenseits des Pop-Zeitgeistes
Denn inzwischen sind die Zeiten des musikalischen Experimentierens jenseits des Pop-Zeitgeistes vorbei, den Muse inzwischen vollends in sich aufgesogen haben. Und da sich die 80er Jahre gerade zum mit reichlich Kultobjekten besetzten, postmodernen Sehnsuchtsjahrzehnt gemausert haben, schwimmt auch die britische Rockband mit ihrem nunmehr achten Studioalbum „Simulation Theory“ auf dieser Retro-Welle mit.
Übersteuerte Synthies, ein satter Bass und ein hetzender Rhythmus
Der erste Track „Algorithm“ gibt die Marschroute vor: Übersteuerte Synthies, ein satter Bass und ein hetzender Rhythmus grollen regelrecht hernieder, bevor E-Gitarren die zu Tonleiterkletterübungen Bellamys akustisch verdichten. „The Dark Side“ (Titel No. 2) und „Pressure“ (Titel No. 3) klingen danach tatsächlich am meisten nach Muse, bevor „Propaganda“ mit merkwürdigen Banjo-Riffs und in seinem gehauchten Gesang à la Prince wie ein absurder Stilmix anmutet.
Pop-Grütze und Sommerhit-Versuch
„Break It To Me“ erinnert im Untermischen verschiedener verzerrter Stimmen phasenweise an „Future Sex Love Songs“, die Pop-Grütze eines Justin Timberlake, während die Single-Auskopplung „Something Human“ mit warmer Stimme und seichten Rhythmen daherkommt und wie ein missglückter Versuch eines Sommerhits wirkt. „Thought Contagion“ mit einem grölenden Stadionrock-Refrain („Ohohohohohoh“) ist schon besser, aber nun wahrlich nicht mehr alternativ oder progressiv. Umso mehr bleibt der elfte und letzte Track „The Void“ in bleibender Erinnerung: eine leise piepende Akkord-Miniatur wird unter Bellamys fein akzentuierter Stimme spürbar mit künstlichen Synthies angereichert, nimmt Fahrt auf, variiert das Tempo, transformiert sich zur fragilen Klaviersonate mit dröhnendem Basskompositionen. Vielleicht nicht das beste Outro, aber eins, das nachwirkt.
Für mehr freshe News und geilen Scheiß:
Spotify zeigt Plattenlabels Stinkefinger
Denn eines ist sicher: Es können noch so viele Motive mit Neonfarben für Platten- und CD-Cover entworfen werden: Spotify zeigt den großen Plattenlabels längst den Stinkefinger. Und beim Durchhören von „Simulation Theory“ macht das allzu gewollte Retro-Feeling unmissverständlich klar, dass Muse tief im Heute verankert sind – und ihre stilistisch vielfältig beeinflusste Musik früher, um die Jahrtausendwende, zu seligen „Absolution“-Zeiten ungleich erfrischender klang. Vielleicht ist das die Erklärung für die Retrowelle: Die Sehnsucht nach einer Zeit, in der wir noch jung und unschuldig waren – abseits der Verlockungen des Kommerz.
Hard Facts:
- Titel: Muse – Simulation Theory
- Label: Warner Music
- Verkaufsstart: 9. November
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