„Rap ist epische Dichtung. Rap ist Vielfalt jegliche Richtung (…)“, heißt es in dem Song „Rap ist“ des deutschen Ausnahmekünstlers Max Herre. Der Song ist vor 10 Jahren auf seinem Gold-Album „Hallo Welt“ erschienen und nach wie vor Richtwert für sein musikalisches Schaffen. Etwa zur gleichen Zeit gründete der Violonist Mihalj Kekenj alias Miki das „Takeover! Ensemble“. Der gebürtige Braunschweiger spielt die erste Geige bei den Bergischen Symphonikern und arrangiert obendrein für sein „Takeover! Ensemble“ Rap-, Soul- und Popmusik so, dass sie in einem eigentümlich-intimen, klassischen Gewand erscheinen. Nach Curse, Elif, Fabian Römer, Joy Denalane, Max Mutzke und anderen Künstlern folgt nun eine Tour mit dem großen Geschichtenerzähler und Rap-Musiker Max Herre – der erst kürzlich ein Jazzalbum veröffentlichte ohne eine einzige Zeile darin zu singen. „Er wird sie alle für sich gewinnen“, so verspricht es Miki im Interview mit dem t.akt-Magazin.
Takeover! Ensemble und Max Herre im Theater Erfurt
Während der kommenden Tour durch die großen Opernbühnen Deutschlands und den klassischen Theaterhäusern treffen also neben zwei musikalischen Welten auch zwei talentierte Musiker mit offenem Geist und einem unbedingten Faible zum Experimentieren aufeinander. Am 20. März präsentieren Max Herre, Miki Kekenj und das „Takeover! Ensemble“ ihre Fusion aus Hip Hop und Klassik in dem ausverkauften Saal des Theater Erfurt. Stefanie Müller-Durand sprach für das t.akt-Magazin mit Max Herre und Miki Kekenj über die Kraft von Musik und ihre Fähigkeit Welten zu verbinden.
Ein derartiges Crossover-Projekt ist ein besonderes Kulturereignis, vor allem für das Theater Erfurt. Wie ist es zu eurer gemeinsamen musikalischen Reise gekommen?
Miki: Wir haben als „Takeover! Ensemble“ vor ein paar Jahren mit Max’ Frau Joy Denalane schon zusammengearbeitet. Max war in dem Zuge bei einem Konzert von uns. Für mich war klar, dass ich Max irgendwann fragen werde, ob er auch mit uns diese Reise antreten möchte. Erfreulicherweise hat er ja gesagt.
Ihr habt im letzten Jahr schon ein paar Konzerte gemeinsam gespielt, jetzt folgt die Tour im März. Welche Erwartungen hattest du, Max, zu Beginn eurer Zusammenarbeit?
Max: Ohne, dass es klingen soll, als hätte ich keinen Anspruch gehabt, aber ich bin nicht mit einer großen Erwartungshaltung in das Projekt gestartet. Ich hatte für mich nicht festgelegt was passieren muss und habe Miki keine Vorgaben gegeben. Aus den vorangegangenen Takeover-Projekten, die er mit Künstlerinnen und Künstlern wie Joy Denalane oder Erykah Badu gemacht hatte, wusste ich, wie Miki arbeitet. Mich reizte an der Sache, mein Sujet, meine Musik an ihn zu übergeben und zu hören, was er daraus macht. Bei meinen anderen musikalischen Projekten habe ich sonst sehr viel Erwartung und gebe viel vor. Ich war in diesem Fall sehr offen.
Wie blickst du auf die ersten Konzerte zurück? Hast du einen veränderten Blick auf deine Musik?
Max: (Lachen von beiden) Das ist eine große Frage! Es macht natürlich Spaß, mit neuen Musikern auf der Bühne zu stehen und sich auf ein neues Projekt einzulassen. Es hat mir eine neue Perspektive auf meine Songs gegeben, so fragil und so nackt wurden sie vorher noch nie gespielt. Ich habe schon in verschiedensten Konstellationen gearbeitet, große Bands, kleine Bands. Aber ein komplettes Konzert mit Rapmusik zu bestreiten, ohne dass ein Schlaginstrument eingesetzt wird, das war für mich neu. Mir macht es total Spaß mich darauf einzulassen, da viele der Mechanismen, die ich sonst auf der Bühne abrufe, nicht greifen, wie etwa Aufzustehen und zu tanzen oder das Publikum zu animieren …
Miki: Ich würde das gerne mal sehen, wie du aufstehst und tanzt. Du bist ja ein großer Tänzer.
Max: (Lacht) Tja, wie tanzt man auf Musik, die keinen Beat hat?
Ja, das wäre jetzt auch meine Frage an Miki gewesen. Wie tanzt man da?
Miki: Wie man möchte. Tanz ist eine so schöne, freie Ausdrucksform. Rhythmus geben wir schon vor, wie etwa einen Tango oder so etwas ähnliches wie Walzer …
Max: Ich bring das Tutu und die Spitzen mit nach Erfurt.
Miki: Wir spielen auf einer Theaterbühne, die Ausstattung hat bestimmt ganz großartige Kostüme für dich.
Wie seid ihr denn eigentlich auf das Theater Erfurt gekommen?
Miki: Das war unkompliziert. Ich habe schon lange eine Verbindung zum Theater Erfurt. Wir fragten an, ob sie sich das vorstellen können. Ich glaube die musikalische Vision wurde schnell verstanden und so entschied man, dass das gut auf die Bühne nach Erfurt passt. Der Rest ist dann hoffentlich bald Geschichte.
Zu der Vision möchte ich gleich noch einmal was fragen. Doch vorher interessiert mich noch die instrumentale Zusammenstellung des „Takeover! Ensembles“. Mir ist aufgefallen, dass in der Pressemitteilung von eurer Agentur sechs Instrumente aufgelistet waren, u.a. eine Klarinette und eine Harfe. In der Ankündigung vom Theater Erfurt sind es acht Instrumente, u.a. ein Klavier. Veränderst du die Zusammensetzung des Ensembles immer mal wieder?
Miki: Da kann ich nur sagen, das ist ein Fehler! Wir haben kein Klavier auf der Bühne stehen.
Ach so? (Alle lachen.)
Max: Ach schade …
Miki: Hast dich schon gefreut?!
Miki, ich geh davon aus, dass du dir die Instrumente genau überlegst. Wieso ist es denn kein Klavier?
Miki: Das ist tatsächlich abhängig von meiner musikalischen Lust in dem Moment. Ich frage mich dann, welches Instrument verwendete ich bisher noch nie oder welche Kombination … Bei Max wollte ich die Harfe unbedingt mit auf der Bühne haben, anstelle eines Klaviers. Auch wenn sie eine ähnliche Funktion erfüllt, so bildet die Harfe doch bestimmte Farben in den Arrangements zu den Stücken viel passender ab.
Wir können also resümieren, dass zu Max Musik die Harfe sehr gut passt …
Miki: Meiner Meinung nach sehr gut sogar!
Max: Ich bestand zu meinem MTV Unplugged Album 2013 auf die Harfe. Ich habe tatsächlich ein Faible für die Harfe. Das wusste Miki intuitiv. Bei meinem letzten Projekt, einem Jazzalbum, arbeiteten wir mit Brandee Younger, einer sehr berühmten Harfenistin aus New York zusammen.
Miki, Du verbindest jetzt schon seit fast einem Jahrzehnt Pop, Soul und Hip Hop mit klassischer Musik. Für dich sind diese Crossover-Projekte fast sowas wie musikalischer Alltag. Doch gerade für große Opernhäuser oder Theaterbühnen ist das zum Teil noch neu. Demnach begegnet ihr dort auch einem Publikum, das vermutlich noch nie was vom Max Herre gehört hat, oder denen Freundeskreis kein Begriff ist. Wie erlebt ihr das Publikum, und wie ist es für euch, euch als Experiment vorzustellen?
Miki: Das haben wir tatsächlich jedes Mal, dass Menschen in unsere Konzerte finden, die mit klassischen Instrumenten wenig oder keine Berührung haben oder mit den Gastkünstlerinnen und Gastkünstlern bzw. Popkultur keine Berührung hatten. Man könnte vielleicht sagen, HipHop ist jetzt nicht meine Musik, aber auch das habe ich noch nicht erlebt. Ich halte Max für jemanden, bei dem ich es mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass man am Ende rausgeht und sagt, „Nee, das ist nix für mich“. Wer eher aus der klassischen Richtung kommt und in unser Konzert findet, die bringen eine Offenheit mit. Die gehen am Ende auch begeistert raus, denn die Erzählungen, die Geschichten, die Max teilt, die sind für jede und jeden etwas. Das sind Geschichten, die gehen uns alle an. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Besucherinnen und Besucher die klassische Tonsprache genießen und auch das Narrativ. An diesem Abend sind Musik und Text ganz eng und zerbrechlich miteinander verwoben.
Max, wie ist das für dich? Da sind bestimmt Besucherinnen und Besucher, die dich als Musiker schon die letzten 20 Jahre begleiten und nun neu hören. Was gab es da für Feedback?
Max: Die Leute sind seit 25 Jahren von mir gewöhnt, dass viel „outside the box“ passiert. Ich war nie ein reiner Hip -Hop-Künstler. Ich habe mich immer an verschiedenen Genres probiert und den Rahmen seit Freundeskreiszeiten stetig geweitet. Der musikalische Korpus, also das, was da passiert, ist für die Leute neu, aber dass so etwas passiert, nicht. Insofern ist es interessant, den Songs auf diese Weise zu begegnen.
Was können wir denn von dir an dem Abend erwarten? Neben den Klassikern vielleicht auch neuere Songs, wie „Mir kann nichts passieren“ mit Danger Dan und dir?
Max: Wir eröffnen mit Songs von der Athen-Platte und arbeiten uns dann quer durch die letzten 25 Jahre. Es sind Freundeskreis-Songs dabei, aber vor allem Songs, die in den vergangenen 15 Jahren in meiner Solokarriere entstanden sind. Den Song von Danger Dan haben wir nicht im Repertoire.
Es scheint, als würden die klassischen Instrumente mehr und mehr auch im Hip-Hop-Bereich in den Vordergrund rücken, wie ja der Kollege Danger Dan zuletzt mit seinem sehr erfolgreichen Klavieralbum zeigt. Ist das ein kurzweiliger Trend oder Zukunftsmusik?
Max: Hip Hop ist vor allem eine Jugendkultur, und Leute werden in diesem Genre älter. Ich gehöre zu den älteren Semestern, aber Danger Dan ist auch kein 21-Jähriger mehr. Und dass wir neue Formen suchen, um unser Songwriting, unsere Geschichten weiterzuentwickeln, ohne einem Jugendwahn zu erliegen oder uns zu wiederholen, das glaube ich, ist ziemlich nachvollziehbar. Dan und ich haben einen anderen Horizont als nur Rap. Sein musikalischer Beginn war das Klavierspielen, und ich begann mit 15 Jahren Reggae und Soul mit Bands zu spielen. Für uns war Hip Hop nie ein hermetisch abgeriegelter Raum. Hip Hop selbst hat sich schon immer auf alle möglichen Genres bezogen. Und wir, die einen Hang dazu haben, mit Instrumenten zu hantieren und mit Bands zu spielen, ja wir probieren uns aus und suchen Wege, aus diesem Genre kommend in Würde zu altern. (Alle lachen.)
Du wirst ja nächstes Jahr 50 Jahre alt, oder?
Max: Warte mal … ja.
Ich bin jetzt Ende 30 und habe das Gefühl, du bist seit 20 Jahren dreißig Jahre alt. Aber das kann ja nicht gehen, also habe ich nachgeschaut …
Miki: Das ist ja ein schönes Kompliment.
Max: Geht mir runter wie Öl.
(Alle Lachen).
Miki, ich habe noch eine Frage an dich. Takeover heißt übersetzt „Übernahme“. Ist das eine flammende Vision für das, was du weiterhin machen möchtest?
Miki: Der Name ist nicht zufällig gewählt. Das ist das Programm des „Takeover! Ensembles“. Wir übernehmen jemanden für eine gemeinsame Zeit, für einen Abend oder eine ganze Tour. Wir verleiben uns jemanden ein und transportieren auf die Bühne eine gemeinsame Vision. Das Schöne daran ist, dass sich die gestandenen Künstlerinnen und Künstler, mit denen wir zusammengearbeitet haben, übernehmen ließen, ob Joy Denalane, Maxim, Curse. Das schafft Freiheiten im Spielen und für mich bei der Erstellung der Arrangements. Eine Musikerin oder einen Musiker für einen Abend neu zu erfinden, ist das Größte, dass es künstlerisch geben kann.
Das hat viel mit Vertrauen zu tun. Hast du weitere Übernahmen in der Zukunft geplant, wird sich das Projekt erweitern?
Miki: Das geht munter weiter. Zweimal im Jahr haben wir in der Philharmonie Essen ein neues Takeover-Projekt. Und dann mache ich mir immer neue Gedanken, wen könnte man als nächstes einladen. Das sind öfter Künstlerinnen und Künstler aus dem Hip-Hop- oder Soul-Bereich, weil ich das sehr gerne mag. Ich arbeite aber auch mit einem Technoproduzenten oder einem Singer-Song-Writer. Das ist sehr unterschiedlich, und das ist das Schöne. Wenn Musik mit Liebe gemacht wird und ich die Vision der Künstler verstehe, dann let´s go! Das zeichnet Musik für mich aus: du kommst aus verschiedenen Richtungen, triffst gemeinsam auf einer Bühne zusammen und schaffst etwas Neues, etwas ganz Großartiges …
Hart Facts:
Termin:
- Mikis Takeover! Ensemble und Max Herre: Theater Erfurt | Großes Haus | Theaterpl. 1 Sonntag | 20. März | 20 Uhr
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