Du betrittst den Raum. Dunkelheit, Nebel, schweißgetränkte heiße Luft. Such dir den Weg durch den Keller-Club. Blitze, Strobo, keine klare Sicht. Ein tiefer Sinuston schiebt alles weg. Ein mieser Rhythmus peitscht dir ins Gesicht. Dirty. Weiße Klamotten. Fuck, da steht ja eine Band auf der Bühne! Der Einsatz der Bass-Drum bringt alle zum Ausrasten. Sofort wirst du Teil der Maschine, die von Komfortrauschen angetrieben wird. Drei präzisionsbesessene Kontrollfreaks, die ihr Handwerk bis zur Industrienorm verfeinert haben. Ein kompromissloser Sound, zusammengeschweißt aus treibendem Schlagzeug, tiefen monotonen Basslinien und einer Gitarre, die sich wie Acid durch deinen Gehörgang frisst. Die Drei wandeln ihre mechanische Energie in einen ausgelassenen Techno-Sound um, dem man nicht widerstehen kann. Aber Achtung: Es gibt keinen Not-Aus-Schalter.
Rockband-Band-Energie mit Ravesound – Komfortrauschen live in Erfurt
Komfortrauschen ist eine Live-Techno-Band aus Berlin, die auf innovative Art und Weise mit traditionellen Instrumenten den kraftvollen harten Sound eines DJ-Sets erzeugt. Man stelle sich vor: eine Punkband gefangen in einem Drum-Computer, The Prodigy als Berghain-Resident, Richie Hawtin meets Rammstein. Die pure Ekstase und maschinelle Genauigkeit von Techno, angereichert mit der frischen Energie und Verspieltheit einer Live-Band. Seit der Bandgründung 2014 spielen Laurenz Karsten (Gitarre), Phillip Oertel (Bass) und Tim Sarhan (Schlagzeug) alias Komfortrauschen regelmäßig in namhaften Clubs wie dem Sisyphos, der Kantine am Berghain und dem Kater Blau, auf unzähligen Festivals in Deutschland sowie in ganz Europa und darüber hinaus. Am kommenden Wochenende sind sie in Erfurt im Kalif Storch zu sehen. Wir haben uns vorab von Laurenz erklären lassen, wie es funktioniert als Band Techno zu spielen.
Hallo Laurenz, beschreibt bitte Komfortrauschen mit drei Begriffen.
Live. Minimal. Techno
Wer ist eigentlich Komfortrauschen?
Wir sind eine Band, die live Techno spielt. Das ist etwas Besonderes, weil Live-Techno eigentlich immer an Drumcomputern, Synthesizer, elektronischen Geräten oder nur am Computer produziert wird. Zudem muss man nicht DJ sein, um Techno erklingen zu lassen. Dafür gibt es eine Szene. Was es jedoch wirklich selten gibt, ist eine Band, die diese Musik im Moment spielen. Wenn wir an einer Saite zupfen oder auf eine Drum hauen, erzeugen wir Geräusche – sonst nicht. Dass man bei uns tatsächlich beim Entstehen der Musik zuschauen kann, ist das Besondere. Wir haben eine Band-Energie wie eine Rockband, aber wir spielen eben Techno. Das Publikum bekommt Liveshow-Energie mit Ravesound. Das ist etwas Eigenes.
Das sind wir schon beim Thema. Wie würdet ihr selbst euren Sound beschreiben? Raw, groovy Techno. Wir klingen oft etwas dreckig. Unsere Musik ist nicht zu langsam, denn alles, was unter 128 Beats pro Minute läuft, bezeichnet man in manchen Kreisen schon nicht mehr als Techno. Wir lassen aber auch Elemente der Housemusik einfließen. Weil wir alle gelernte Jazzmusiker sind, gibt es ab und zu kleine Jazz-Referenzen.
Wie kommt man als Band auf die Idee, Techno zu machen? Das erscheint ja eher ungewöhnlich. Das ist schon etwas länger her. Wir studierten gemeinsam Musik, besuchten zu dieser Zeit oft Raves und dachten uns irgendwann, das kann doch nicht so schwer sein, das selbst zu machen. Kohle für Drumcomputer hatten wir nicht. Und eigentlich hatten wir alles, was es braucht – Drums, Bass und Harmonie-Instrumente. Also probierten wir das aus. Zunächst improvisierten wir in Jam-Sessions und tasteten uns so immer weiter ran. Wie das eine Jazzband auch machen würde. Irgendwann stellten wir fest, dass wir Effektgeräte brauchen, dass es nicht immer nur nach Gitarre und reinem Instrument klingt. So entwickelte sich das. Irgendwann fanden wir heraus, welche Methoden gut funktionieren, um einen Technosound mit einer Gitarre zu kreieren. Oder was man machen muss, damit eine Kickdrum massiv genug klingt, damit Leute dazu tanzen. Über die Jahre sammelten wir Erfahrung und mittlerweile sind wir glücklich mit dem Sound, weil das Set-up funktioniert.
Auf der Bühne seid ihr ohne Laptop und Loops unterwegs? Wie macht ihr das?
Wenn wir spielen, haben wir einen Sequenzer, den wir auch als Metronom nutzen. Damit wir alle exakt im gleichen Tempo spielen, was superwichtig für Techno ist. Zeitbasierte Effekte sind alle mit diesem Sequenzer synchronisiert. Wenn ich einen Ton zupfe, geht er in ein Echo-Effektgerät und kommt in dem Rhythmus heraus, den ich will und der zu dem passt, was die anderen spielen. Ohne die Sync-Einrichtung würde die Musik eiern oder verwaschen. Bei Pop-Bands ist das schön, aber bei Techno ist es immens wichtig, dass es passt. Ganz wichtig sind Filter: So spielt Phillip eine Basslinie, die er die nächsten fünf Minuten nicht verändert. Damit das interessant bleibt, filtert er die Bassline. Sie wird dumpfer oder heller, fängt irgendwann an zu kreischen. Das ist ein Prinzip von Techno, es läuft eine Loop und der oder die Musiker:in verändert ihn nicht an sich, sondern spielt mit den Klangfarben. Ein weiteres wichtiges Element sind die Pausen. Auf ein Zeichen stoppen wir mit den Instrumenten und setzen ebenso wieder auf Zeichen ein.
Das sind dann die Breaks, die Spannung aufbauen?
Genau. Das ist minuziös eingeplant oder funktioniert durch Zeichen.
Klappt das denn immer? Da ist gutes Timing nötig. Ihr müsst gut aufeinander eingespielt sein. Könnt ihr da trotzdem noch freestylen?
Wir haben Freiheiten. Aber dramatische angelegte Breaks müssen geprobt werden, damit sie sitzen. Es ist total uncool, wenn etwas überhängt oder nicht kommt. Dann ist der Effekt weg. Das muss alles auf den Punkt sein.
Ihr habt schon einige Tracks selbst herausgebracht. Wenn ein DJ diese auflegt, würde der Zuhörer nicht erkennen, dass ihr eine Band seid?
Es ist uns wichtig, dass DJs mit unserer Musik arbeiten können. Dabei ist das Bedeutendste die Kickdrum, die wir so verändert haben, dass es zum Techno passt. Wenn Tim auf das Fußpedal tritt, schlägt er auf das Trommelfell, aber das ist tonmäßig reduziert. Durch den Kick wird eine synthetische Drum ausgelöst. Die Trommel ist also umprogrammiert. So kann man jeden erdenklichen Sound auslösen. Das war das Erste, was wir veränderten. Das Zweite, was wir nutzen, sind Synthesizer-Pedale, die ähnlich funktionieren, aber den Gitarrensound verändern. Das dritte Element im Techno sind Samples, also Soundschnipsel, die wir via Samplepad einspielen. Schlägt Tim auf ein Pad, dann erklingt der Sound seiner Wahl.
Also seid ihr nicht nur Musiker, sondern schon fast Soundingenieure?
Ja. Das ist viel Studioarbeit. Viel Getüftel. Mittlerweile arbeiten wir im Studio weniger wie eine Band und mehr wie ein Technoproduzent.
Wie lange dauert bei euch ein Auftritt? Das muss als Band bei dieser Geschwindigkeit bestimmt anstrengend sein.
Anderthalb Stunde. Endlos geht das nicht.
Am Wochenende steht ihr im Kalif Storch in Erfurt auf der Bühne. Zur Clubnight, wo sonst nur DJs auflegen. Was macht Live-Techno in so einem Kontext mit dem Publikum?
Wenn alles cool ist, wovon ich am Wochenende im Kalif Storch ausgehe, wird das fett klingen! Es ist ein Highlight, weil das Publikum die Live-Energie spürt. Man kann zusehen, wie die Musik entsteht. Das ist schon irgendwie energetischer, als wenn ein DJ auflegt. Ein DJ muss viel tiefer in die Trickkiste greifen, damit dieses Momentum entsteht.
Hard Facts
- Was? Klubnacht mit Komfortrauschen, Rocko Garoni und Quele
- Wann? 4. Februar | 23 Uhr
- Wo? Kalif Storch | Zum Güterbahnhof 20 | Erfurt
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