Am 4. Februar erscheint ein Album, auf das ich mich schon lange freue. „Shoreline“ aus Münster veröffentlichen ihre neue Platte „GROWTH“. Mit Sänger und Gitarrist Hansol durfte ich ein spannendes Interview führen, aber lest selbst:
Was müssen wir unbedingt über Shoreline wissen?
Shoreline ist eine vierköpfige Band aus Münster und wir machen im weitesten Sinne des Wortes Punkrock/Emo. Wenn ich eine Sache herausstellen müsste, die mir besonders wichtig bei Shoreline ist, dann wäre es vermutlich unser Versuch und Anspruch eine faire Band zu sein. Das fängt damit an, dass man sich nicht zu wichtig nimmt, nur weil man auf einer Bühne steht und reicht bis dahin, dass man Produkte (T-Shirts, Tonträger etc.) fair produziert und auch fair verkauft, sowohl für die Menschen, die es hergestellt haben und diejenigen, die es kaufen. Ich habe mich durch DIY-Hardcore-Bands in diese Musik verliebt, wo Hierarchien zwischen Musikern und Publikum absolut verpönt sind. Je mehr ich mit der Musikindustrie zu tun habe, desto mehr tut es gut sich darauf zurückzuberufen und sich nicht zu wichtig zu nehmen.
Wie lange macht ihr bereits zusammen Musik?
Wir fingen Ende 2015 an, haben Anfang 2016 unser erstes Konzert gespielt und im gleichen Jahr noch unsere erste Europatour gemacht. Damals waren wir alle gerade mal 19 Jahre alt, frisch nach Münster gezogen und dadurch war alles noch aufregender. Zusammen an der Sache zu wachsen, Musik zu veröffentlichen und durch viele Länder zu touren, hat uns ziemlich zusammengeschweißt.
Ich finde, eure Musik kann man schlecht in eine Schublade stecken. Wie beschreibst du die Musik, die ihr macht, wenn dich jemand fragt?
Kommt darauf an, wer fragt (lacht). Wenn meine Eltern fragen, dann sage ich Rockmusik. Wenn ich es detaillierter – und auch vermutlich korrekter – beschreiben muss, dann würde Emo/Punkrock am ehesten passen. Wir sind alle stark beeinflusst von Hardcore und Punkrockbands der frühen 2000er, was auf aktuelle Einflüsse von modernem Pop und Rap stößt.
Am 4. Februar erscheint euer neues Album „GROWTH“. Ich habe gehört, dass es eigentlich schon viel früher rauskommen sollte. Was war los?
Eigentlich planten wir schon Anfang Dezember zu veröffentlichen, allerdings ist die Situation in den Vinyl-Presswerken sehr angespannt. Wir haben die Master schon im April ans Label und auch ans Presswerk abgegeben, trotzdem kommt es wegen einer Reihe von Gründen wie Covid, Rohstoffmangel, Auftragslage und so weiter zu massiven Lieferschwierigkeiten. Da es für uns wichtig ist, dass die Vinyl zur Albumveröffentlichung auch verfügbar ist, haben wir uns dazu entschieden, das Ganze zu verschieben – was gar nicht mal so schlimm war. Dadurch gab es Platz und Zeit noch eine Single mehr zu veröffentlichen, und zwar den Song „Disconnected“. Er handelt vom Generationskonflikt über die Klimakatastrophe und ist abgesehen davon auch musikalisch einer meiner Lieblingssongs des Albums. Ich bin froh, dass der Song somit noch mehr Raum und Aufmerksamkeit bekommen hat.
In eurem Song „Konichiwa“ geht es um anti-asiatischen Rassismus. Stecken in diesem Song persönliche Erfahrungen?
Ja. Ich würde sogar sagen, es ist einer der persönlichsten Songs, die ich jemals geschrieben habe. Ganz konkrete Begegnungen mit Menschen, die mich rassistisch beleidigten, haben den Song entstehen lassen. Es reicht von ewigen Asiaten-Witzen schon aus der Schulzeit, die ich immer noch höre, bis hin zum Typen, der mich auf offener Straße anschreit und Schlitzaugen zieht. Ich hatte um die Veröffentlichung die Möglichkeit, mit vielen verschiedenen Asiat:innen auch außerhalb meines Umfeldes zu sprechen. So war ich zum Beispiel mit Linh von „Bad Cop/Bad Cop“ oder Mike Park von Asian Man Records im Kontakt – zwei Personen, deren Schaffen ich schon lange verfolge und es superschön war sie in diesem Kontext kennenzulernen. Allgemein war es ein sehr bestärkendes Gefühl mit so vielen Personen zu sprechen, die gleiche Erfahrungen aus ähnlicher Perspektive gemacht haben.
Hat die Pandemie diesen Rassismus noch verstärkt?
Ja. Da bin ich mir sicher. Dazu trug vor allem die Rhetorik von wichtigen politischen Akteuren wie Donald Trump bei, der zu jeder Gelegenheit vom „chinese virus“ gesprochen hat. Neben den rassistisch motivierten Morden in Atlanta und gewaltvollen Übergriffen in Berlin und weiteren Städten hat auch merklich die „Hate Speech“ im Internet zugenommen. Ich habe in meiner sozialen Bubble zum Glück keine offene Gewalt erfahren müssen.
Welche weiteren Themen greift ihr im neuen Album auf? Was möchtet ihr den Hörern über eure Texte mit auf den Weg geben?
Neben den Dingen, über die wir eben schon gesprochen haben, geht es unter anderem um Tierrechte, die Klimakatastrophe und die Verschwendung von Lebensmitteln. Ich bilde mir nicht ein, dass wir irgendwie große gesellschaftliche Veränderungen durch das Album erreichen werden und sich die Welt zum Besseren wendet, nur weil eine Punkband ein Album veröffentlicht hat. Aber ich hoffe, dass wir Dialoge entstehen lassen können, vielleicht Gesprächsstarter sind. Oder dass wir einen Raum für Austausch und Empowerment schaffen können, für Menschen die einen ähnlichen Standpunkt wie wir vertreten. Beim Thema „Asian Empowerment“ um die Single „Konichiwa“ hat das hervorragend geklappt. Zudem erreichen mich vereinzelt Nachrichten, dass jemand tatsächlich durch unsere Musik aufgehört hat, Fleisch zu essen. Das macht mich manchmal etwas baff, wenn ich daran denke.
Wer schreibt bei euch die Songs und woher nehmt ihr die Inspiration?
Die Hauptsongwriter der Band sind Julius und ich. Musikalisch inspiriert mich nichts mehr als eine gute Liveband. In letzter Zeit suche ich Inspiration ganz abseits von unseren Heimatgenres, höre dabei viel Popmusik und Rap. Bei GROWTH hatten vor allem LoFi-Beats für mich einen Einfluss auf mein Songwriting. Wenn ich jetzt auf die Platte zurückschaue, ist sie aber doch sehr Emopunk/Hardcore geworden. Ich hoffe, wenn man solche „Ausflüge“ in weiter entfernte Genres erlaubt, dann hat es mehr Potential etwas Frisches und Innovatives zu machen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Song „Konichiwa“ den du vorhin ansprachst. Die Verse des Songs sind, zumindest meiner Meinung nach, sehr poppig, sowohl was das Songwriting und das Arrangement als auch die Produktion angeht. Der Chorus hingegen ist wieder superheavy und vor allem im Kontrast zum Rest des Songs deswegen umso härter.
Ich hatte mich sehr auf eure Tour zusammen mit Nathan Gray vergangenen Dezember gefreut, leider konnte die aus bekannten Gründen nicht stattfinden. Wird sie nachgeholt? Und habt ihr sonst schon Live-Shows für 2022 Jahr geplant?
Oh ja, wir hatten uns auch schon sehr darauf gefreut. Aktuell sieht es nicht so aus, dass sie 1:1 nachgeholt wird. Ich bin aber sicher, dass Nathan bald wieder in Europa spielen wird und vielleicht passt es ja, dass wir zusammen auftreten. Für 2022 haben wir einiges an Shows geplant, aber es fängt schon wieder mit Verlegungen an, also schaue ich vor allem zuversichtlich in den Sommer.
Wenn sie nicht gerade auf einem Festival oder Konzert rockt, dann spricht unsere Rockund Punk-Reporterin Ronja in ihrem Interview-Blog „Ronja rockt“ regelmäßig mit Bands aus der Szene. Mehr findet ihr unter www.taktmagazin.de.
Hart Facts:
- Homepage: www.shorelineband.com
- Instagram: @shoreline_band
- Facebook: @shorelinepunk
Mehr coole News für Euch:
-
Lokale Musikhelden: Chill String aus Erfurt
-
Fenster in die Vergangenheit – Stadtmuseum Jena zeigt Bilder von Fotografenfamilie
-
Studierende der Bauhaus Uni Weimar zeigen in Winterwerkschau, was sie können