Lisa Hilpert ist überzeugte Feministin und legt unter dem Namen Lismour beste R’n‘B- sowie HipHopBeats auf. Als DJ ist sie Teil des Kollektivs Gruppe Versus, die unter anderem diverse und vielfältige Veranstaltungsformate realisieren, die es so sonst nicht allzu oft in Thüringen zu erleben gibt. Außerdem ist sie Gründungsmitglied des cccapsula-Kollektivs aus Erfurt, mit dem sie unter anderem FLINTA*-DJ-Workshops, -Panels und -Partys organisiert hat. Und weil sie neben ihrem Hauptberuf als Pressereferentin noch immer Energie für Ehrenamt übrighat, engagiert sie sich in der Ständigen Kulturvertretung Erfurt, die sich für die Belange der freien Kulturszene der Thüringer Landeshauptstadt einsetzt. Mit uns sprach sie über Vielfalt bei Partys, Diskriminierung im Alltag und Gleichberechtigungsutopien.
Du bezeichnest den 8. März bewusst nicht nur als Internationalen Frauentag, sondern als feministischen Kampftag. Warum?
Heutzutage werden Frauen an solchen Tagen oft Blumen geschenkt und das kann man auch immer gern machen. Blumen mag ja jede:r (lacht)! Aber ursprünglich ging es um den Kampf für die Gleichberechtigung und das Wahlrecht der Frauen sowie um die Emanzipation der Arbeiterinnen. Diese politischen Kämpfe um Rechte und die Sichtbarmachung von Ungleichbehandlungen sind auch heute noch sehr aktuell. Zahlreiche Studien zum Beispiel zum Gender-Pay-Gap oder GenderHealth-Gap belegen, dass Geschlechtergerechtigkeit noch lange nicht erreicht ist und reale negativ Folgen für Lebenssituation von Frauen hat. Es geht aber nicht nur um cis (= als weiblich wahrgenommene und identifizierte) Frauen. Unter patriarchalen Strukturen und daraus resultierender Diskriminierung leiden leider alle FLINTA*-Personen (cis Frauen, Lesben, Inter*, non-binary, Trans*, Agender u. a.). Der 8. März ist deshalb auch ein feministischer Kampftag, weil an diesem Tag die allgegenwärtige Diskriminierung sichtbar gemacht werden soll und der Kampf gegen diese Diskriminierung das Ziel ist.
Du bist selbst auch als Veranstalterin und DJ mit der Gruppe Versus unterwegs. Hast du die herrschende Diskriminierung bereits selbst erfahren?
Persönlich mache ich das im Moment nur neben dem Hauptberuf. Aber ja, auch da gibt es Situationen, in denen man denkt: Hättest du das jetzt einen Mann gefragt? Der Klassiker ist zum Beispiel, wenn man mit seinem Plattenkoffer ankommt und erst mal erstaunt angeschaut wird und die Frage ist, ob das die Platten meines Freundes sind. Auffällig ist auch, wenn man bei DJ-Anfragen nur den ersten oder letzten Slot bekommt und nie zur Primetime angefragt wird. Oder wenn man zwei Tage vor einer Party angefragt wird, weil den Veranstaltenden aufgefallen ist, dass sie keine Frau im Line-up haben.
Wie bist du damit umgegangen?
Wenn das im Vorfeld passiert, dann spreche ich das direkt an. Ich möchte den Leuten die Möglichkeit geben, das zu klären oder sie zumindest darauf aufmerksam machen. In den Situationen selbst suche ich dann eher nicht das Gespräch – weil man ja meistens auch etwas anderes zu tun hat – sondern versuche, mit meinem Gesichtsausdruck meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen (lacht).
Ist es nicht so, dass man als Frau immer wieder von der männlich geprägten Gesellschaft im Alltag einfach durch herrschende Umstände diskriminiert wird?
Natürlich hat sich viel getan und es wurde viel erreicht, aber die Gesellschaft entwickelt sich weiter und die Emanzipation sollte sich auch weiterentwickeln. Menschen werden oft nicht nur wegen ihres Geschlechts diskriminiert, sondern wegen mehrerer Merkmale. Zum Beispiel wegen ihrer sexuellen Orientierung, weil sie eine Behinderung haben, weil sie Schwarz sind usw. Die Perspektive der Diskriminierung muss mehrdimensional, man sagt auch „intersektional“, betrachtet werden.
Warum ist es deiner Meinung nach auch wichtig, dass Männer feministisch sind oder sich mit dem Thema auseinandersetzen?
Veränderung kann nur gemeinsam gelingen. Ich würde nicht sagen, dass Männer, nur weil sie strukturell privilegiert sind, das Gerüst ihrer Privilegien nicht auch kritisieren können. Aber erst, wenn sie sich damit auseinandersetzen, kann die tatsächliche Kritik beginnen. Und ich bin davon überzeugt, dass wir alle ein besseres, ein friedlicheres und freieres Leben führen würden, wenn die patriarchalen Strukturen abgeschafft würden. Auch Männer.
Ist es utopisch an absolute Gleichberechtigung aller zu glauben?
Utopisch heißt ja, dass es nur in der Phantasie existieren kann und mit der Realität unvereinbar ist. Ich glaube, Gleichberechtigung wäre möglich, aber dazu müsste man tiefer an die Wurzel gehen. Und das hieße, den Kapitalismus abzuschaffen. So platt es klingt: Wenn das Kapital bestimmt, wie unsere Gesellschaft gestaltet wird, wird es immer Unterdrückung geben. Ich wünsche mir, dass wir an dieser großen Aufgabe nicht verzweifeln, sondern Schritt für Schritt versuchen, über den IstZustand hinauszukommen.
Hast du einen Tipp, wie ich im Alltag konkret feministischer handeln oder denken kann?
Ich würde sagen, einfach mal versuchen die Perspektive zu wechseln. Nicht immer nur sich und seine Lebenssituation als Basis jeder Einordnung zu nehmen, sondern zumindest einzubeziehen, dass es noch viele andere Ausgangslagen gibt. Und: Wenn man Ungerechtigkeiten und Diskriminierung wahrnimmt, diese offen Anzusprechen. Auch wenn es wehtut.