Die roten Blätter sind schon abgefallen. Die gelben fallen gerade. Und die blauen? Es ist Herbst geworden und das Jahr geht zu Ende – das Bauhaus- Jubiläumsjahr. Zeit für eine kleine Bauhaus-Reise dorthin, wo in Thüringen. die Bäume sind: im Süden. Während in Gera über 50 denkmalgeschützte Gebäude der vom Bauhaus geprägten Architektur stehen, das Bauhaus nun einmal aus Weimar kommt und Walter Gropius seine ersten Villen in Jena baute, sind es im gesamten Süden Thüringens zusammengenommen keine fünf Gebäude mit Bauhaus-Bezug. Dafür sind es besonders spannende, mitunter sogar original erhaltene, wie gleich der erste Abstecher nach Arnstadt zeigt.
Ein Bauhausspaziergang im Süden Thüringens
Dort, keine 20 Kilometer Luftlinie südlich des Erfurter Stadtzentrums, steht der „Milchhof“. 1928/29 als Ziegelbau errichtet, sieht man sofort, dass es sich um ein Denkmal der klassischen Moderne handelt: Fensterbänder, Flachdach, Fassadenschrift. Doch der Name des Architekten ist eher unbekannt: Martin Schwarz. Schwarz war weder Dozent noch Student am Bauhaus, er kam aus Frankfurt über Darmstadt nach Thüringen, wobei Darmstadt seit der Jahrhundertwende durchaus ein Hotspot modernen Architekturdenkens war.
Einflüsse der Bauhausarchitektur in Arnstadt
Schwarz machte sich in Arnstadt schnell einen Namen: Er konzipierte die – von den Nationalsozialisten bereits 1938 vollständig zerstörte – Synagoge, baute eine große Schule oder auch die Villa des Arnstädter Industriellen Alfred Ley. Doch nirgendwo zeigen sich die Einflüsse des Neuen Bauens in seinen Entwürfen so deutlich wie im Milchhof, den er im Auftrag der Genossenschaft der Milchbauern konzipierte. Zum Glück wurde das Gebäude 2014 vor dem Verfall gerettet. Seither wird es behutsam von einem Verein wieder instandgesetzt. Da es auch von innen eine Besichtigung wert ist, sollte man seinen Besuch, der vorab angemeldet werden muss, mit Jan Kobel, dem Geschäftsführer der Baudenkmal Milchhof Arnstadt GmbH, abstimmen. Alle Infos hierzu findet man auf der Homepage des Milchhofs.
Die Ideen des neuen Bauens auch in Meiningen
Von Arnstadt nach Meiningen, von Martin Schwarz zu Armin Trautmann. Auch Trautmann ist selbst vielen Architekturhistorikern nicht bekannt. In Meiningen hat er ein kleines Juwel im Bauhausstil hinterlassen: In den 1920er-Jahren baute er dort in der Friedrichstraße die Postgaragen. Zum Teil noch heute von DHL genutzt – und leider auch nur in diesem, oberen Gebäude-Teil saniert – schmiegt sich der Funktionsbau ebenso intelligent wie elegant an den Hang. Die Postgaragen sind ein gutes Beispiel dafür, wie frühzeitig Ideen des Neuen Bauens auch in Regionen Spuren hinterließen, die nicht gerade für Avantgarde bekannt waren.
Auf Spurensuche moderner Architektur
dass Trautmann, Jahrgang 1905, ein ziemlich begabter und eigenwilliger Baumeister war, zeigt sich auch an seinem eigenen Wohnhaus in der Schwedenstraße. 1939 gebaut, ist es mit seinem Giebeldach offiziell NS-konform, innen gibt es Ideen der klassischen Moderne. Auch nach 1945 blieb Trautmann Freiberufler, was in der DDR ungewöhnlich war. Noch ungewöhnlicher waren Sakralneubauten. Ein solcher steht in der Mauergasse im Meininger Stadtzentrum. Die katholische Kirche „Unsere liebe Frau“ aus hellem Beton mit beeindruckender bunter Glaskunst aus den frühen 1970er-Jahren nach Plänen Armin Trautmanns sollte man sich unbedingt auch ansehen, wenn man in der südthüringischen Theaterstadt auf Spurensuche moderner Architektur geht. Danach kann es über Suhl und Lauscha quer durch den Thüringer Wald weiter nach Probstzella gehen.
Spießigkeit aus 100 Jahren
Quizfrage: Wo steht das größte Bauhaus- Ensemble Thüringens? Genau, in Probstzella. Es heißt „Haus des Volkes“ und wurde 1925 von einem Studenten und späteren Dozenten am Bauhaus entworfen: Alfred Arndt. Charakteristische Farben, ja, aber mit Walmdach und Wucht wirkt es so gar nicht wie Bauhaus. Das liegt daran, dass das Äußere in groben Zügen bereits geplant und beschlossen war, als Arndt übernehmen durfte. Und so lohnt sich für Bauhaus-Fans eher der Blick ins Innere des Komplexes, in dem sich Ideen des Bauhauses mit Anfällen von Spießigkeit aus 100 Jahren einen kleinen optischen Kampf zu liefern scheinen. Das riesige Gebäude war als Erholungsheim für Jedermann gedacht und darf genau in dieser Funktion ja vielleicht auch spießiger und gemütlicher sein als es die Gebäude der klassischen Moderne und konsequent denkmalgerecht sanierte Bauten sonst so sind.