Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown #2 mit dem Chef der „My Music Company“ Paul Raufeisen
In unserer neuen Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir ein Jahr später erneut mit Paul Raufeisen. Er ist der Gründer der „My Music Company Erfurt“. Das junge Kulturunternehmen möchte die Leidenschaft für Musik mit anderen teilen und Menschen aller Altersklassen die bestmögliche Freizeitgestaltung ermöglichen.
Wie sieht aktuell die Lage bei euch aus?
Im Moment haben wir weiterhin geschlossen und warten auf eine Information, wann wir wieder öffnen dürfen. Grundschulen und Kitas sollen nach aktueller Info bald wieder öffnen dürfen. Wir hoffen, dass wir in diesem Zuge ebenso wieder vor Ort unterrichten können. Das fehlt uns sehr.
Wie steht es um die Finanzen, gab es Hilfe von außen?
Finanziell ist es für uns eine riesige Herausforderung – wie für viele. Leider erhalten wir keine Hilfen. Wir sind nicht berechtigt, da wir noch „zu viele“ Umsätze erzielen. Leider reichen diese aber nicht, um unsere Fixkosten problemlos zu bedienen. Im ersten Lockdown gab es die 5.000€ Sofort-Hilfe. Allerdings ist dies im gesamten Gefüge und nach nun einem Jahr erheblicher Schäden leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Was hat sich im vergangenen Jahr alles verändert?
Wir haben den gesamten Unterricht auf ein digitales Angebot umgestellt – wir bieten den Unterricht also „online“ an, per Video. Das ist natürlich nicht im „Sinne des Erfinders“, nicht das, was wir als Kulturunternehmen mit persönlicher Note anstreben. Aber es gibt uns und den vielen Schüler*innen die Möglichkeit, weiterhin am Ball zu bleiben. Natürlich kommt das nicht an den Austausch vor Ort heran. Wir sind dennoch dankbar, dass es auf diese Weise weitergehen konnte, sonst wären wir jetzt noch dramatischer betroffen.
Was habt ihr im vergangenen Jahr gemacht?
Viel nachgedacht. Viel versucht. Viel gelitten. Viel gelernt. Wir haben von der musikalischen Frühförderung über unsere Musicalklasse bin hin zum Chor alles digital umsetzen können. Darüber sind wir sehr froh. Der Einzelunterricht wird ebenso per Videolesson fortgesetzt. Dank unserer wirklich großartigen und sehr engagierten Kolleg*innen können wir das so gut verwirklichen. Einmal mehr wird mir seither bewusst, wie wichtig Zusammenhalt und ein gutes Team sind. Sowohl auf der Arbeit wie auch zu Hause.
Ziehst du etwas Positives aus der Zeit?
Ich bin – so würde ich es selbst von mir sagen – ein optimistischer Mensch und ziehe aus vielen Dingen etwas Positives. Es fällt mir diesmal allerdings auch schwer, wenn ich ehrlich bin. Die gesamte Situation fühlt sich für mich nach einem echt gruseligen Film mit fadem Beigeschmack an. Selbstverständlich behalte ich aber das Gute im Blick und fokussiere mich auf das Schöne, wann immer ich nur kann: Ich habe z.B. die Zeit mit meiner Familie noch mehr schätzen gelernt. Auch wenn wir uns ab und zu auf der Pelle lagen, das ist auch klar und kennen wahrscheinlich auch alle anderen 🙂 Ich habe viel über mich gelernt und viel darüber entdeckt, was mir gut und was nicht. Und natürlich kam ich auch zu Dingen, die ich sonst nicht angeschoben hätte: So habe ich ein paar Holzmöbel für Zuhause selbst gebaut und seither meine Leidenschaft für Holz entdeckt. Zudem habe ich noch eine schöne Produktidee mit eigenen Händen verwirklichen können, die ich seit langem hatte. Und Musik mache ich natürlich auch.
Wie blickt ihr in die Zukunft?
Das ist eine sehr gute Frage. Was mein Unternehmen angeht – wir müssen endlich wieder öffnen. Nicht nur, um zu überleben, sondern auch um wieder Freude durch Musik zu teilen. Und privat? Ich möchte glücklich und einfach leben, weniger in Sorge sein. Und eine Gesellschaft, die ihrem Namen alle Ehre macht. Die zwischenmenschlichen Beziehungen und die damit entstehende Freude sind viel zu kurz gekommen im vergangenen Jahr. Das muss und darf sich wieder ändern, dann klappt’s auch mit der Gesundheit. Also raus aus der Angst. Wenn ihr mich fragt: Es wird Zeit, wieder glücklich sein.
Lest hier das Interview mit Paul vor einem Jahr
Hard Facts
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