Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown #2 mit Sebastian vom Safer-Nightlife-Projekt „Drogerie“ aus Erfurt
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir nach einem Jahr Shutdown erneut Sebastian Franke, dem stellvertretenden Leiter des Präventionszentrum in Erfurt. Das Drogerie-Projekt ist ein Projekt zur akzeptierenden Drogenprävention. Sie sind unter anderem auf Electro-Partys und Raves in Thüringen und darüber hinaus vertreten, um Drogenaufklärung sowie Prävention zu leisten – und zwar direkt vor Ort.
Wie sieht aktuell die Lage nach einem Jahr Corona bei euch/dir aktuell aus?
2021 wird anders als das vergangene Jahr. Soviel steht fest. Um ehrlich zu sein, hatten wir die letzten Monate Sorge ob und vor allem wie wir weitermachen können. Alle sehnen sich nach Normalität und der Rückkehr in den Alltag wie wir ihn kennen und leben wollen. Ende 2020 sind wir in uns gegangen und haben die Weichen gestellt für ein neues Jahr mit neuen Möglichkeiten. Wir wollen dieses Jahr wieder durchstarten sobald die Pandemie es zulässt, um im Sommer wieder das zu tun, was wir lieben: Ein Teil der Partykultur sein, zu feiern, zu tanzen, Festivals zu besuchen und das Leben zu genießen. Für uns als Drogerie bedeutet das natürlich auch, uns für Mündigkeit im Umgang mit Substanzen und Rauscherfahrungen einzusetzen, Menschen zu begleiten und zu helfen und unser Wissen zu teilen einen verantwortungsvollen und reflektierten Umgang mit psychotropen Substanzen nach außen zu tragen. So tragen wir bei für ein sichereres Nachtleben.
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Wie steht es um die Finanzen, gab es Hilfe von außen?
Natürlich sind alle Bereiche des Lebens durch die Pandemie und deren Folgen betroffen – auch was die Finanzen betrifft. Wir haben das Glück auch für 2021 wieder eine Förderung durch das Thüringer Gesundheitsministerium erwarten zu dürfen. – Auch, wenn wir mit Einschränkungen rechnen müssen.
Was hat sich im vergangenen Jahr alles für dich/euch verändert? (Umstrukturierungen, etc.)
2020 hat uns alle ganz schön kalt erwischt. Durch das Ausbleiben von Veranstaltungen, wie großen Festivals, Open Airs und Raves konnten wir mit unserer Arbeit im Rahmen der Drogerie nicht weitermachen wie bisher. Für uns als Teil der Party- und Feier-Community ist das eine ganz schön bittere Pille gewesen. Stillstand ist niemals gut. So haben wir mit unseren Ehrenamtlichen kleinere Teamevents im Sommer mit kurzen Fach-Inputs verknüpft sowie Online-Workshops angeboten. Wenn wir schon nicht gemeinsam auf Festivals fahren konnten, wollten wir wenigstens für die Menschen etwas bieten, die unsere Arbeit vor Ort ausmachen, uns unterstützen und sich in ihrer Freizeit für unser Projekt engagieren.
Was hast du/habt ihr im vergangenen Jahr gemacht – konntest du die Zeit nutzen?
Wir Hauptamtlichen der Drogerie sind sozusagen zurück ans Reißbrett und haben uns inhaltlich intensiv damit befasst, wie wir trotz der Pandemie weiter für unsere Zielgruppe da sein können. So konnten wir uns dem Reboot all unserer Infomaterialien widmen. Zudem haben wir unser SaferUse-Sortiment um Desinfektionstücher, Hackkärtchen und NaCL-Lösung zur Nasenpflege erweitert. Gerade zu Zeiten von Corona ist Safer Use für konsumierende Menschen noch wichtiger geworden. Um weiterhin für Menschen da zu sein, die Fragen über Wirkungen, Risiken und Folgen des Konsums psychotroper Substanzen haben und diese direkt mit uns in einer vertrauensvollen Atmosphäre besprechen wollen, haben wir uns darum bemüht einen Online-Infopoint auf unserer Webseite drogerie-projekt.de zu etablieren und live zu schalten. Über diese Plattform beraten wir anonym, verschlüsselt und vor allem kostenfrei!
Worauf wir besonders stolz sind, war das erfolgreiche Ausrichten einer mehrtägigen, bundesweiten Netzwerktagung für Safer-Nightlife-Projekte durch unseren Bundesverband SONICS e.V. die im September 2020 im Klanggerüst Erfurt stattfinden konnte. Diese Netzwerktreffen finden jährlich in einer anderen Region Deutschlands statt und haben üblicherweise mehr als 100 Teilnehmende. Natürlich fiel es im vergangenen Jahr aufgrund der geltenden Hygienemaßnahmen deutlich kleiner aus, dennoch konnten wir eine großartige Veranstaltung und damit einen tiefgreifenden Erfahrungsaustausch organisieren. Gerade durch die beiden Schwerpunkte „Feiern und Corona“ sowie „Sexualisierte Gewalt im Partykontext“ konnten zwei wichtige Themen unserer Zeit intensiv und zielführend bearbeitet werden.
Ziehst du etwas Positives aus der Zeit?
Ich habe das Gefühl, gerade in der Zeit der Kontaktbeschränkungen privat als auch beruflich mit den Personen, die ich um mich habe, enger zusammengewachsen zu sein. Wir sehen uns teilweise öfter als vorher – zwar nicht persönlich aber im digitalen Raum. Zu wissen, dass man trotz der räumlichen Distanz nicht allein ist, gibt mir selber einigen Halt.
Außerdem hatten wir so die Zeit uns langfristige Gedanken rund um unser Projekt zu machen und vor allem wie die Reise in den nächsten Jahren weitergehen soll.
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Wie blickst du/ihr in die Zukunft?
Die Drogerie wird dieses Jahr 21 und das wird ordentlich gefeiert. Zudem geht es hoffentlich zurück auf Veranstaltungen! Und ein ganz besonderer Meilenstein: Wir haben eine Kooperation mit unserem Pilotprojekt SubCheck der SiT – Suchthilfe in Thüringen gGmbH sowie dem Projekt Miraculix aus Jena in Aussicht. Das Ziel: Drug Checking noch in diesem Jahr direkt auf Partys und Raves anzubieten! Miraculix hat innovative Testkits entwickelt, die es uns erlauben, Substanzen unmittelbar vor Ort auf ihre Bestandteile hin zu analysieren und Aussagen über die Dosis der Stoffe zu treffen! Gerade so eine Substanzanalyse vor Ort ist nach Erfahrungen von bereits langjährig praktizierenden Drug-Checking Projekten im Ausland für konsumierende Personen der beste Zugang zur Drogenaufklärung.
Wir docken hier direkt mit unserer Beratung zur Schadenminimierung und Wissensvermittlung Rund um das Thema Drogenkonsum an. Außerdem suchen wir immer Menschen, die Lust haben unsere Arbeit mitzugestalten! Ihr besucht gern Musikevents, seid Teil der Partyszene, kommunikativ, reflektiert und empathisch und habt Bock euch ehrenamtlich zu engagieren? Dann meldet euch gern bei uns! Neben der Arbeit auf den Partys gibt es noch jede Menge andere interessante Themen und Projekte, bei denen wir Unterstützung gut gebrauchen können. Natürlich entscheidet ihr selbst, in welchen Bereichen ihr euch beteiligen wollt und wie viel Zeit ihr dafür investiert. Ihr fühlt euch angesprochen? Dann meldet euch gern unter drogerie@sit-online.org! Wir haben 2021 noch so einiges mehr vor. Lasst euch überraschen!
Lest hier das Interview mit Sebastian vom „Drogerie“ -Projekt vor einem Jahr
Hard Facts
- Auch wenn Veranstaltungen aktuell ausfallen, ist das „Drogerie“-Projekt weiterhin für euch da
- Ihr könnt das Team über Facebook, Instagram und die Webseite erreichen
- Kontakt per Mail: drogerie@sit-online.org