Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit Katharina Vötter und Daniela Rockstuhl vom „art der Stadt e. V.“ in Gotha
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Katharina Vötter und Daniela Rockstuhl vom „art der stadt e. V.“ in Gotha. Der Verein ist ein Schmelztiegel des künstlerischen Ausdrucks seiner Heimatstadt. Er besteht seit 1995 und ist Heimstatt kreativer Ideen und Geister und somit ein Abbild für die künstlerische Art und Weise der Stadt Gotha und seiner Region.
Ihr vereint jegliche Formen von künstlerischem Ausdruck, beispielsweise Theater, Tanz, Film und mehr. Das sind Formen, die das Halten von Abstand doch eher schwierig machen. Wie ist denn eure aktuelle Lage?
Wir haben sofort nach dem Shutdown auf Online-Kurse umgestellt, das heißt, die Werkstattleitenden haben wöchentlich Aufgaben formuliert und andere haben sich in Videocalls getroffen. Unsere Präsenz fern des Werkstattbetriebs haben wir durch einen Kunstwettbewerb erhalten, der in einer Versteigerung endete. Aber auch durch Spendenaufrufe, durch Videoposts (für eine ausgefallene Premiere), durch eine Crowdfunding-Aktion und durch Vorleseangebote. Wir waren präsent, aber natürlich alles ohne Einnahmen wie Eintrittsgelder.
Wie war die Schließzeit für euch? Was habt ihr in der Zeit gemacht?
Wir würden es als Prozess oder Verlauf beschreiben. Die anfängliche Enttäuschung darüber, dass die Premiere ausfällt und wir schließen müssen, setzte zunächst Energien frei und viel Improvisationslust und Experimentierfreude. Es war also eine Kreativzeit. Nach und nach haben wir gemerkt, dass sich die Strukturen auflösen, dass die vertrauensvollen Räume fehlen – Kunst braucht Raum zum Entstehen – dass unser Bezug zu den Teilnehmern und Teilnehmerinnen verloren geht und auch die Inspiration.
Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen waren überfordert durch die neue Zeit und durch die Anforderungen in der Schule und zu Hause. Viele mögen diese Zeit überhaupt nicht und wollen ihre Freunde sehen und die Dinge tun, die sie vorher auch getan haben. Das haben wir auch in den wöchentlichen Treffen gespürt, bei denen immer weniger Beteiligung war. Die anfängliche Experimentierfreude wandelte sich allmählich zu Erkenntnissen, wie man arbeiten will und wie eben nicht. Es ist für uns von grundlegender Wichtigkeit in Resonanz mit den Menschen zu gehen und das geht über das Internet nur schwer, beziehungsweise gar nicht.
Wir dachten zunächst auch: „Endlich Zeit, Dinge aufzuholen, die sonst liegen bleiben“, aber auch das stellte sich als Irrtum heraus. Die Arbeit wurde nicht weniger, sie veränderte sich so stark, dass wir unsere Arbeit „neu“ lernen mussten. Die Umstrukturierung und das Planen neuer Formate kostete Zeit, zusätzlich die Entwicklung von Hygieneschutzkonzepten und die Bereitstellung aller Dinge für die Eröffnung, Anträge ausfüllen, Dokumentation und so weiter. Alles Bürokratie, die Arbeitszeit frisst.
Jetzt denken wir: „Endlich dürfen wir wieder!“ Vor Kurzem war die erste Werkstatt mit den Jugendlichen. Die Gruppe ist da, alle halten sich an die Regeln und wir suchen nach unseren Ausdrucksmöglichkeiten in dieser Reglementierung. Auch das setzt kreative Energie frei – durch die Abwesenheit von Freiheit wird einem bewusst, wie wichtig sie ist.
Was wäre euer Wunsch an die Politik für die Zukunft, wenn ihr auf die Handlungen wie Soforthilfen und so schaut?
Schnellere Benachrichtigungen, was möglich ist und was nicht. Schnellere finanzielle Hilfe für soziokulturelle Einrichtungen und für freischaffende Künstler und Künstlerinnen, die bei uns arbeiten. Unterstützung und mehr Spielraum in der Umsetzung von neuen Formaten und einfach klare Aussagen.
Wie ist eure finanzielle Lage? Habt ihr Unterstützung, finanziell, aber auch durch Zuspruch von außen, bekommen?
Auch bei uns haben von heute auf morgen die Einnahmen aus den Veranstaltungen und Projekten gefehlt und damit unsere Eigenmittel, die wir aber für die Erfüllung unserer Förderkonzepte brauchen. Doch alle Fördergeber, die uns bis dahin unterstützt haben, gaben uns ihr Wort uns nicht im Stich zu lassen. Die Fördergelder wurden uns in voller Höhe zugesagt, auch bei geringeren Einnahmen. An dieser Stelle möchten wir ganz herzlich unseren Hauptförderern der Thüringer Staatskanzlei, der Stadt Gotha, dem Landkreis Gotha und der Drosos Stiftung danken!
Aber leider hätte das nicht ausgereicht, um die Zeit zu überstehen. Deshalb haben auch wir die Soforthilfe, die wir auch bekommen haben, und Geld bei dem Programm „Neustart“ über den Bundesverband Soziokultur e. V., was noch aussteht, beantragt. Damit eine Wiedereröffnung unter den Hygieneanforderungen möglich ist. Vier unserer Mitarbeiter mussten in die Kurzarbeit und wir haben eine Crowdfunding-Aktion und eine Kunstversteigerung gestartet.
Viel Zuspruch haben wir von unseren Mitgliedern, Paten und Teilnehmern und Teilnehmerinnen bekommen und auch die ein oder andere Spende war dabei. Uns fehlen Folgeaufträge und Aufführungen an Schulen, Kitas und anderen Institutionen, die auch weiterhin finanzielle Löcher hinterlassen werden. Aber wir hoffen auf unsere jahrelangen Partnerschaften, aber auch auf neue Kontakte durch diese Krise.
Was hat sich durch die Corona-Krise für euch auch nachträglich verändert?
Wir könnten uns vorstellen, dass wir wöchentliche Teammeetings im Videocall belassen – sie sind einfach effizienter. Wir könnten uns vorstellen, dass wir mehr im Home Office arbeiten und die Präsenzzeit im Büro für einige Angestellte weniger wird. Wir könnten uns vorstellen, dass der Verein auch im zweiten Halbjahr keine ausreichenden Einnahmen generiert, durch die Minimierung von Zuschauerzahlen, dass wir in unserer Existenz bedroht sind. Wir könnten uns vorstellen, dass ästhetische Zeichen aus dieser Zeit bleiben (auf der Bühne werden Masken, Abstandshalter, Schutzschilder, Tapes am Boden und Desinfektionsspray sicher auftauchen). Wir könnten uns aber auch vorstellen, dass, sobald die Politik es entscheidet, alles wieder so ist wie vorher.
Hatte die Schließzeit auch was Positives an sich?
Die Freisetzung von Potenzial und neue Kommunikationsformen. Veränderung bringt das Gute. Man geht raus aus der Gewohnheit und kann an dieser Zeit schätzen. Man hinterfragt die eigene Arbeit und gewinnt Erkenntnisse über die eigenen Methoden und Arbeitsweisen. Es konnten einige Bau- und Aufräumarbeiten erledigt werden – hätten wir aber vermutlich auch so gemacht.
Ihr seid Kulturakteur oder kreativer Einzelhändler in Thüringen und wollt mit uns über euer Leben in der Krise sprechen? Schreibt uns mit dem Betreff “Kultur Shutdown” an: f.dobenecker@mediengruppe-thueringen.de
Hard Facts:
- Wo? art der stadt e. V. | Ekhofplatz 3 | Gotha
- Mehr Informationen findest du auf der Website
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