Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit Geschäftsführerin Annette Engel-Adlung vom Stadt-Bad Gotha
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Annette Engel-Adlung. Sie ist die Geschäftsführerin der Badbetreibung Gotha GmbH. Das 1908 eröffnete Bad lässt heute in längst vergangene Zeiten eintauchen. Die Kombination aus Jugendstil und modernen Anbauten macht das Bad einzigartig. Zum Stadt-Bad gehören ein Sport- und Familienbad sowie eine Saunalandschaft. In den Sommermonaten kommt die Betreibung eines Freibades im Süden der Stadt hinzu.
Wie ist eure aktuelle Lage?
Die Hallenbäder sind noch geschlossen, das sind alle Spaß-, Freizeit- und Sportbäder, also alles, was in den Hallenbad-Bereich fällt. Das betrifft aber nicht die Freibäder, da gibt es eine Regelung, dass seit Juni geöffnet werden darf. Natürlich unter den bekannten Auflagen. Das sind ganz klar die Abstandsregeln und die Desinfektionsanforderungen an die Betriebe.
Wie ist die Situation im Freibad, um diese Regeln auch einzuhalten? Steht am Eingang eine Security, um nur eine bestimmte Zahl von Leuten einzulassen?
Das regelt jedes Bad anders und bemüht sich da um ein eigenes Konzept, was die Einlasssituation, ob mit oder ohne Security, angeht. Viele versuchen es erst einmal ohne Security, denn die Menschen haben sich an diese Zutrittsbeschränkungen in Handel und Gastronomie gewöhnt. Es ist also bekannt, dass Einrichtungen nur mit Abstand und Angabe seiner persönlichen Daten betreten werden können. Von daher ist das jetzt nicht neu.
Es kann natürlich sein, dass, wenn es sehr heiß und ein großer Andrang da ist, nicht alle Menschen reinkommen und es dann Probleme gibt. Inwieweit man da also mit Security unterwegs sein muss, werden wir sehen. Wir selber versuchen es erstmal ohne und schauen, wie wir im Ablauf klar kommen. Ich kann aber auch nur für unser Freibad hier in Gotha sprechen. Da muss von Stadt zu Stadt und Einrichtung zu Einrichtung geschaut werden.
Wie läuft das mit den Hallenbädern? Trotz Schließung müssen diese weiter betreut und instand gehalten werden.
Auch da gibt es Unterschiede, was ich in der Branche so gehört habe. Die gibt es vor allem darin, ob die Bäderbetriebe ihre Technik außer Betrieb genommen haben, also die Becken leer sind, oder nicht. Ist das der Fall, sind die technischen Anlagen außer Betrieb genommen und auch konserviert worden, so wie bei uns hier im Stadt-Bad Gotha. So schaffen wir einen Übergang und lösen uns von hohen Energiekosten. Wir haben uns dafür entschieden, weil ich relativ schnell zu der Einschätzung gekommen bin, dass diese Schließung sich nicht nur ein paar Wochen hinziehen wird, sondern mitunter Monate dauern kann.
Und dann gibt es die zweite Variante, dass die Bäderbetriebe das Wasser in den Becken gelassen haben und die Wassertechnik jeden Tag laufen lassen. Das muss man ein bisschen davon abhängig machen, was man für eine technische Anlage hat. Einige haben vielleicht auch gedacht, dass das nur ein kurzer Übergang sein wird. Auch das ist bei den Bäder-Kollegen, mit denen ich gesprochen habe, unterschiedlich.
Das Personal ist also weiterhin anwesend?
Genau. Auch wenn wir die Technik außer Betrieb genommen haben, muss diese weiter betreut werden. Ein Bad ist immer in einer gewissen Betreuung. Außerdem haben wir auch die Revision, also die Wartungsarbeiten, vorgezogen. Diesen Schritt haben viele Bäder gemacht. Normalerweise findet unsere Revision in den Sommermonaten statt, wenn auch die Freibäder geöffnet sind. Aber aktuell macht das natürlich Sinn, wenn man sowieso schließen muss, weil das angeordnet wurde. Und auch das muss natürlich betreut werden.
Da sind dann hier ganz viele Firmen unterwegs, von Elektrikern über Fliesenleger bis hin zu Sanitärtechnikern. Die Brandmeldeanlage wird gewartet und so weiter. Also die Techniker sind im Dienst hier im Stadt-Bad und wir haben noch eine ganz kleine Besetzung in der Verwaltung. Alle anderen Kollegen sind in der Kurzarbeit, so wie man es überall hört. Denn wir können die Mitarbeiter aktuell einfach nicht beschäftigen.
Wie funktioniert dann die Finanzierung? Durch die Schließung fehlen Einnahmen, bekommt ihr dahingehend Unterstützung?
Wir haben als einer der ersten Betriebe die Soforthilfe des Freistaates Thüringen beantragt und die Bewilligung, und damit den Zuschuss, auch bekommen. Es sind sämtliche Einnahmen weggebrochen. Das war wie eine Vollbremsung. Wir haben Schwimmlernkurse für Kinder mittendrin abbrechen müssen.
Alles wurde von heute auf morgen geschlossen. Die Soforthilfe hat da natürlich geholfen, aber Bäderbetriebe sind sehr kostenintensiv. Und sie kosten auch Geld, wenn sie außer Betrieb sind. Die Pumpen müssen bewegt werden, die Brandmeldeanlage läuft und so weiter. Also es ist immer ein bestimmter Kostenfaktor da, das ist bei großtechnischen Anlagen aber normal.
Was denkst du, wie es weitergeht, wenn ihr wieder öffnen könnt? Wird es da bestimmte Regelungen geben?
Über das Eröffnungsszenario machen wir uns jeden Tag Gedanken. Es ist erstmal gar nicht abschätzbar, inwieweit verschiedene Nutzergruppen zurückkommen können oder dürfen. Wenn wir als Beispiel jetzt mal das Schulschwimmen nehmen: Wir sind als Stadt-Bad Gotha im gesamten Landkreis der Ort, in dem das meiste Schulschwimmen stattfindet. Und es ist so gut wie sicher, dass das Schulschwimmen erst einmal nicht vor dem neuen Schuljahr starten wird. Das heißt also, die Schulen kommen nicht und das sind natürlich Umsätze für uns, die fehlen werden.
Bei der Bundeswehr, der Feuerwehr und der Polizei sieht das ganz ähnlich aus. Der Bereich Dienstschwimmen oder Dienstsport ist mit den aktuellen Bestimmungen auch noch stark eingeschränkt. Wir müssen also damit rechnen, dass verschiedene Nutzergruppen vorerst nicht zurückkommen werden. Und das wird problematisch, denn wenn wir öffnen, von Tag eins an, haben wir diese hohen Energiekosten, die ganz typisch sind für Bäderbetriebe und einen Zuschussbedarf erzeugen. Wir können dann auch nicht das Wasser kälter machen oder nur die Hälfte einlassen, es gibt also praktisch keinen Teillastbetrieb in einem Bad.
Wir müssen schauen, ob wir trotz Einschränkungen der Öffnungszeiten eine bestimmte Auslastung in den Badebetrieb bekommen können. Und inwieweit das mit den Einschränkungen machbar ist. Wir warten immer auf die Verordnungen und müssen das dann bewerten. Meiner Voraussicht nach wird es Badbetreiber und kommunale Einrichtungen geben, die unter diesen Bedingungen wie sie jetzt behördlicherseits gestellt werden – und mit den Auswirkungen, dass verschiedene Nutzergruppen vorerst nicht zurückkommen können – sagen „Dann kann ich das Hallenbad im Moment nicht betreiben. Das ist zu teuer.“, weil sich der Zuschussbedarf unter diesen Bedingungen massiv erhöht.
Und das wird sich nicht jede Stadt leisten können. Das ist ein Aspekt, der, meiner Meinung nach, noch gar nicht oder wenig betrachtet wurde. Man muss erstmal ermitteln, was das für die Stadt, für die Gemeinde an Zuschussbedarf bedeutet und das lässt sich ohnehin schwer abschätzen. Wir wissen ja nicht, ob das öffentliche Schwimmen in dieser Höhe zurückkommt oder die Sauna-Besucher. Wie für viele andere Betriebe ist das ein Blick in die Glaskugel. Wir müssen eben über Recherche und Anfragen unserer Drittnutzer versuchen zu ermitteln, mit welcher Auslastung wir rechnen können.
Wie steht das Stadt-Bad Gotha dazu? Wenn mit Bedingungen, beispielsweise ausreichender Hygiene und Abstand, geöffnet werden darf. Würdet ihr das Bad öffnen?
Wir machen das mal an einem Beispiel: Das Stadt-Bad hat im Durchschnitt ungefähr 460 Bade- und Saunagäste am Tag, da ist das Vereins- und Schulschwimmen mit dabei. Wenn wir durch Beschränkungen in etwa noch 150 oder 200 Gäste einlassen können, entstehen zusätzliche Kosten aus dem Umsatzrückgang und daraus müsste dann ein unglaublicher Zuschussbedarf realisiert werden, der nicht eingeplant war. Das kann man dann einfach nicht empfehlen.
Man kann sich ja hochrechnen, was das bedeutet, wenn die Gegenfinanzierung aus den Tarifen nicht kommt. Das wäre auf jeden Fall ein Szenario in der Größenordnung, bei dem ich sagen würde, dass eine Öffnung mit höherem Zuschuss abgestimmt werden muss. Gegebenenfalls wird man sich hier für eine spätere Öffnung entschließen. Es muss wirtschaftlich vernünftig und vertretbar sein, auch wenn es ein herber Einschnitt ist.
Du hast ja gerade gesagt, dass die ganzen Kosten von der Politik noch gar nicht richtig bedacht worden sind. Würdest du dir dahingehend etwas von der Politik wünschen?
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir der Politik Hinweise geben und die Politikerinnen und Politiker dabei unterstützen, richtige Entscheidungen zu treffen. Denn man kann natürlich nicht erwarten, dass die Politik in jedem Detail steckt. Wir haben beispielsweise über unseren Bundesverband, das ist die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen, relativ frühzeitig Hinweise gegeben und einen Pandemieplan entwickelt, um die Politik zu unterstützen.
Und ich finde, dass das der richtige Weg ist. Dass man sich gemeinsam über die Bedingungen austauscht. Es ist wichtig, dass man verstanden wird, damit gute Entscheidungen getroffen werden können. Für die Betreibung der Bäder in Thüringen brauchen wir gerade in dieser Zeit den Schulterschluss mit politischen Mitdenkern und Mitstreitern, damit die Bäderstandorte gestärkt werden können.
Wie sieht es denn bezüglich der Sauna aus? Die Situation ist wahrscheinlich ähnlich wie bei den Bädern, dass auch hier weiterhin Vorsorge nötig ist, oder?
Die Sauna benötigt nicht ganz so viel Pflege und Wartung wie die bädertechnischen Anlagen. Also die ist im Grunde genommen aus und damit ist das okay. Aber was man beispielsweise machen muss, ist jeden Tag die Wasserleitungen laufen und spülen lassen, um Verkeimungen zu vermeiden. Normalerweise würden ja jeden Tag Menschen duschen. Das sind so kleine Details, an die eigentlich gar nicht so gedacht wird.
Thüringen hebt ab dem 13. Juni die Kontaktbeschränkungen auf. Hallenbäder, Thermen und auch Saunen dürften dann unter Vorlage eines Hygienekonzeptes öffnen. Wie wirkt sich das auf euch aus?
Wir als Badbetreiber in Gotha wollen einen sicheren Bade – und Saunabetrieb für unsere Gäste. Das Hygienekonzept muss sich sowohl in den Ablauf einfügen, als auch in die historische Bausubstanz, die wir mit unserem Stadt-Bad in unserer Stadt haben. Es wird zu einer Bewertung kommen, wie und ob wir das Stadt-Bad und nunmehr auch unser Freibad, unter den Corona-Hygieneanforderungen, betreiben können. Denkbar ist, dass wir mit einem Stufenmodell starten werden.
Möchtest du noch etwas sagen, dass dir auf dem Herzen liegt?
Durch die Pandemie verändert sich das Empfinden für die Gesundheit und erhöht sich. Ich glaube, die Menschen werden mit den Erfahrungen aus der Pandemie mehr für ihre Gesundheit und ihre Fitness tun. Sport im Wasser ist ein positiver Trend, der in den letzten Jahren sehr gereift ist und ich hoffe, dass die Bäder- und Saunabetriebe in Thüringen davon profitieren werden, um wieder auf die Beine zu kommen.
Außerdem ist es enorm wichtig, dass die Kinder, obwohl der Schwimmunterricht eingeschränkt ist, schwimmen lernen. Das darf nicht verpasst werden! Das ist eine wichtige Fähigkeit für die Kinder. Und gerade hier wollen wir Bäderbetriebe engagierte Partner auf dem Weg zum Schwimmer sein.
Ihr seid Kulturakteur oder kreativer Einzelhändler in Thüringen und wollt mit uns über euer Leben in der Krise sprechen? Schreibt uns mit dem Betreff “Kultur Shutdown” an: f.dobenecker@mediengruppe-thueringen.de
Hard Facts:
- Öffnen werden das Gothaer Stadt-Bad und die dazugehörige Sauna nach der Sommer-Saison
- Wo? Stadt-Bad Gotha | Bohnstedtstraße 6 | Gotha
- Öffnungszeiten: Mo. 15 – 22 Uhr | Di. – Sa. 10 – 22 Uhr | Sonn- und Feiertage 10 – 22 Uhr | Frühschwimmen Di. und Do. 6 – 7.30 Uhr
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