Immer diese „Alphabetenmenschen“ mit ihren Buchstaben und Forderungen. Mit ihrem Wunsch nach Safe Spaces, Selbstbestimmung, gegenseitigem Respekt und… – Moment mal. So schlimm klingt das ja gar nicht. Könnte es sein, dass an dieser ganzen Bewegung etwas dran ist? Dass es wichtig ist, Situationen zu schaffen, in denen sich bestimmte Personengruppen wohl und respektiert fühlen? Das Feministische Clubkollektiv Erfurt, kurz FCK Erfurt, ist auf jeden Fall dieser Meinung. Das Kollektiv möchte dafür sorgen, dass Flinta*-Personen Kultur schaffen und erleben können, ohne kleingeredet zu werden. Ohne das Erlebnis von den Effekten einer patriarchalen Gesellschaft ruiniert zu sehen, wie sie selbst sagen.
Austausch über feministische Kulturveranstaltungen
„Flinta*“ steht dabei für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen. Diese müssen häufig negative Erfahrungen in der Feierkultur machen. Um auch für sie Kulturerlebnisse zu schaffen, in denen sie einen Safe Space – einen sicheren Platz – haben, lädt das Kollektiv zu Veranstaltungen ein. Ende November 2023 hat sich FCK Erfurt gegründet und besteht derzeitig aus etwa 15 Personen. Das Kollektiv hält regelmäßig Plena und Stammtische ab, bei denen sich über eigene Ideen und Wünsche für feministische Kulturveranstaltungen in und um Erfurt ausgetauscht werden kann.
Erste „flinta*only Party am 20. April in Erfurt
Unter dem Motto „Cis-Dudes auf Bühnen und dahinter gibt’s genug“ soll das feministische Leitbild und der Traum von pro-Flinta* Veranstaltungen umgesetzt werden. („Cis“ steht hier für die Eigenschaft, dass die Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das einer Person bei der Geburt zugewiesen wurde.) Sein Debüt feiert das Kollektiv am 20. April im Erfurter Domizil, Am Alten Nordhäuser Bahnhof 14. Dort wird zur ersten „flina*only Party“ eingeladen. „Wir machen Schluss mit Männerbünden und Musikbromances in der Erfurter Club- und Kulturszene und wollen miteinander selbstorganisiert und fürsorglich feiern“, schreibt FCK Erfurt auf seiner Instagram-Seite. Wir haben vorab das Kollektiv ausgefragt, um ein paar Einblick in seine Arbeit und die bevorstehende Veranstaltung zu bekommen.
Es gab Kollektive, die wir uns zum Vorbild genommen haben oder deren Arbeit wir sehr stabil fanden. Manche DJs von uns lernten beispielsweise in den Flinta*-Workshops von Metaware das Auflegen. Skillsharing und Wissenshierarchien abbauen ist eins unserer Ziele und was wir uns unter solidarischer Feierkultur vorstellen. In endo-cis-männlich-dominierten Clubs ,was in Erfurt eigentlich auf alle Clubs zutrifft, fehlt oft der Blick auf die Bedürfnisse von Flinta* in der Feierkultur. (Anm. d. Red.: „endo“ bedeutet, dass sich der Körper nach medizinischen Normen eindeutig als nur weiblich oder nur männlich einordnen lässt. Das Gegenteil zu „inter“.) Sei es als Clubbesucher:in, Crewmitglied oder als Artist. Flinta* müssen Feierkultur anders und oft weitaus weniger sicher als cis Männer erleben.
Räume, die Sichtbarkeit und Sicherheit schaffen
Letztlich eint uns alle aber, dass wir Lust haben, Kultur zu machen, ohne im schlimmsten Fall von Endo-Cis-Männern klein geredet oder nicht ernstgenommen zu werden. Von erniedrigenden oder sexistischen Vorfällen ganz zu schweigen. Es ist anstrengend, sich mit Endo-Cis-Männern auf eine Austauschebene zu begeben, weil oft leider noch nicht allen die Erfahrungen von Flinta* bewusst ist. Deswegen wollen wir Räume schaffen, in die nicht mit der Frage reingegangen wird: „Werde ich denn jetzt ernst genommen und bin ich hier sicher?“
Veranstaltungen aus einer intersektional feministischen Perspektive
Wir wollen Erfurt um eine feministische Kulturgruppe erweitern, die versucht, niedrigschwellige Möglichkeiten zu schaffen und sich in einer Gemeinschaft zu engagieren. Dazu gehören gute Veranstaltungen, die aus einer intersektional feministischen Perspektive entstehen, aber nicht immer auf voller Breitseite politisch sein müssen. Das Private ist politisch, aber wir brauchen eine Balance zwischen politischer Praxis und dem guten Leben.
Ist euer Name „FCK Erfurt“ nur eine Abkürzung, oder wollt ihr damit weitere Bedeutungen transportieren?
Die Abkürzung FCK ist oft auf Stickern zu finden, die einen antifaschistischen Bezug haben. Das passt sehr gut zu uns. Gleichzeitig ist die Abkürzung in Kombination mit Erfurt eine Art von Antwort auf unseren Frust und unsere Wut, bezogen auf die lokale Kulturszene. Quasi ein „fuck-it“: Wir machen’s uns selbst schön.
Wie kommt es dazu dass ihr am 20. April eure erste Flinta*-Party veranstaltet, auf der Endo-Cis-Männer nichts zu suchen haben?
Als Flinta* leben wir in einer patriarchalen Gesellschaft grundsätzlich anders als männlich gelesene Personen. Uns schlägt viel Hass und (Cis-)Sexismus, teilweise unterschwellig, teilweise offen gewalttätig entgegen. Dementsprechend sind auch Partys für Flinta*, obwohl man einfach nur tanzen und Spaß haben möchte, oft keine sicheren Orte. Das beginnt schon bei der Kleiderwahl. Die Problematik geht weiter über aufdringliche Gespräche, Angrapschen, bis hin zu K.O.-Tropfen im Getränk. Dass diese Erfahrungen für schwarze Flinta* oder Flinta* mit Behinderung nochmal eine ganz andere Dimension an Diskriminierung bedeutet, muss gesehen werden. Intersektionalität in die Praxis umzusetzen, heißt auch, die eigenen (weißen) Strukturen zu hinterfragen. Unsere Debütparty soll eine sein, in der ihr einfach mal nur tanzen, feiern und euch vernetzen könnt. Wir wollen es euch und uns schön machen, abseits vom endo-cis-männlichen Blick. Es wird außerdem eine Awareness- Struktur geben: Jederzeit werden Personen ansprechbar sein, um euch bei Bedarf zu unterstützen.
Wie viele DJs sind dabei und welche Musikrichtungen werden gespielt?
Wir sind nicht primär ein DJ-Kollektiv, wir wollen alle Bereiche des gemeinsamen Feierns abdecken und eine gute Zeit für alle ins Zentrum stellen. Auch wenn wir uns immer über Menschen freuen, die Lust haben, aufzulegen. Wir freuen uns genauso über Menschen, die Bock auf Schutzkonzepte, Getränkeplanung, Dekobasteln und alle anderen Organisationsbereiche haben, welche es für ein fürsorgliches Feiern zusammen braucht. Im Moment sind wir vier Leute, die auflegen. Alle davon spielen auf der Debütparty am 20. April. Musikalisch ist es eine bunte Mischung aus Post-Punk, Wave, Pop und elektronischen Genres wie House, Indie-Dance und Techno.
Ihr veranstaltet regelmäßig Flinta*-Only-Plena: Worum geht es da?
Als Flinta*-Kollektiv sind wir auch in der Struktur grundsätzlich Flinta* only, auch wenn Veranstaltungen in Zukunft hin und wieder für alle offen sein werden. Zu Beginn lernten wir uns kennen, um herauszufinden, worauf wir in Zukunft Lust haben. Vor dem 8. März überlegten wir, wie wir bei der Demo auftreten wollen und gestalteten ein Banner. Seitdem geht es um die Partyplanung. Aber auch abseits davon gibt es bei Bedarf immer den Raum, um sich zu Ereignissen, die uns bewegen oder belasten, auszutauschen. Uns ist es wichtig, dass alle, die zu uns gehören, den größtmöglichen Schutzraum erhalten und das bedeutet auch, sich als Kollektiv entsprechend solidarisch zu positionieren und das im Zweifel so nach außen zu tragen.
„Veränderung kann nur gemeinsam gelingen“ – DJ Lismour kämpft für Feminismus in Erfurt
Was habt ihr noch so vor?
Gerade fließt ein großer Teil unserer Kapazitäten in die Party am 20. April. In Zukunft wird es aber auf jeden Fall weitere Events geben, auch in Kooperation mit anderen Kollektiven und Einzelpersonen aus der Erfurter Soziokultur. Nach unserer Party wollen wir in die Planung von ersten Workshops und Skill-Sharing Veranstaltungen gehen.
Wird es auch Veranstaltungen geben, die nicht nur für Flinta* sind?
Unser Kollektiv besteht aus vielen unterschiedlichen Personen und könnte trotzdem diverser sein. Bevor wir also darüber nachdenken, wie wir Endo-Cis-Männer bei unserer Arbeit berücksichtigen, wollen wir stärker daran arbeiten, einen Raum aufzubauen, in dem sich alle Flinta* wohlfühlen. Daher richten sich unsere Veranstaltungen vorrangig an Flinta* Personen. Vielleicht fühlen sich feministische Männer ja auch motiviert, sichere Räume zu schaffen, so dass diese Arbeit nicht nur an Flinta* hängen bleibt.
Hard Facts:
- Erste Flinta*Only-Party: 20. April | 21 Uhr | Domizil Erfurt | Am Alten Nordhäuser Ghf 14 (Ort ist barrierearm)
- Mehr zu Fck Erfurt: www.instagram.com/fck_erfurt
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