Am 6. Dezember kommt Joey Bargeld nach Erfurt. Der Musiker tritt als Support für Trettmann in der Thüringenhalle auf. Grund genug, um mit ihm über Tattoos, Punk und Koikarpfen zu reden.
Was kommt dir in den Sinn, wenn du an Thüringen denkst?
Ich bin bei der letzten Tour mit Trettmann schon einmal durchgefahren und mir ist aufgefallen, dass es sehr waldig und nicht sehr dicht besiedelt ist. Erfurt kenne ich eigentlich nur als Hauptstadt von Thüringen. Ich war zum letzten Konzert als Support für Trettmann auch das erste Mal in meinem Leben hier.
Apropos Thüringen. Vor kurzem wurde bei uns gewählt. Die AfD ist zweitstärkste Kraft. Was hältst du von dieser Entwicklung in Deutschland?
Es ist schlimm, dass diese Partei immer mehr Wahlerfolge einfährt. Und ich hoffe, dass irgendwann der Peak erreicht ist und es in Zukunft eher wieder abnimmt. Es zeigt zwar die Unzufriedenheit vieler Menschen, aber es ist trotzdem der falsche Weg, sich nach rechts zu orientieren. Man merkt, wie in einigen Bundesländern ein Graben zwischen Links und Rechts entsteht. In Hamburg, wo ich her komme, scheint das nicht der Fall zu sein. Hier ist die Vielfalt der politischen Meinungen größer.
Für mehr freshe News und geilen Scheiß:
„Punk is dead“ heißt dein Debütalbum. In Interviews sagtest du, dass du kein Rapper bist. Du machst dich über Trap lustig und hast groovy Dancesongs wie „Dancing Shoes“ auf dem Album. Welche Art Musiker bist du?
Ich würde mich selbst eher als Dilettanten bezeichnen, weil ich einfach drauf los mache. Außerdem bin ich auch kein Instrumentalist oder ein gelernter Musiker. Vieles entsteht aus Spaß an der Freude. Ich möchte mich nie auf etwas festlegen und mache deshalb oft einfach das, worauf ich Lust habe. Am liebsten will ich alles mindestens einmal machen – jedes Genre, dass es gibt, mal ausprobieren.
Auch Schlager?
Ja. 100 Pro. Gerne auch mal einen Schlagersong!
Born Trippy ist eine Anspielung zu Born Slippy, mit den Zeilen von Disco zu Disco spielst du auf ein Houselied von Whirlpool Productions an, du singst über Britney Spears und machst dich im Song „Trappen“ meiner Meinung nach etwas über Yung Hurn und seine Cloudrap-Kollegen lustig. Magst du popkulturelle Referenzen, oder wie kommt es zu dem ganzen Subtext in deinen Liedern?
Referenzen in Liedern finde ich gut. Ich hör‘ das auch gerne bei anderen Musikern raus. Es ist halt die Frage, ob man es einfach kopiert, oder ob es eher eine Hommage ist. Ich lasse mich von den verschiedensten Künstlern inspirieren. Da kann’s schon mal passieren, dass ich ‘ne Referenz einbaue oder eine Idee basierend auf einen Song habe wie bei „Born Trippy“ zum Beispiel.
Hör dir Joey Bargeld auf Spotify an
Noch eine Frage zu deinem aktuellen Album. Punk ist ja eine Haltung, die durch provozierendes Aussehen, eine rebellische Haltung und nonkonformistisches Verhalten auffällt. Würdest du sagen, solche Lebenseinstellungen sind tot, oder warum proklamierst du den Tod des Punks?
Ich finde, dass er weichgespülter ist als vor 30 Jahren. Damals war Punk ein bisschen härter, ernstzunehmender auch. Heutzutage ist vieles eine große breiige Masse mit wenig Rebellion. Das ist in den letzten Jahren alles sehr verschwommen. Die Klimaaktivisten sind die ersten seit langem, die sich mal wieder auflehnen.
Den Leuten geht’s gut und die allgemeine Zufriedenheit der Menschen spiegelt sich auch in der Musik und so auch im Punk wieder. Alles wird angepasst und massentauglich gemacht. Auch Hip Hop ist ja quasi mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das rebellische Image verschwindet immer mehr. Die Musik wird kommerzieller gestaltet. Und so auch der Punk.
Den Song „Fast nichts an“ gibts auf Youtube
Würdest du sagen, dass du deshalb eine rebellische Haltung einnimmst?
Schon. Zumindest versuche ich, in der Musik alles etwas aufzubrechen.
Das stimmt in der Tat. So kann man ja im Song wie „Wie teuer bist du“ Gesellschaftskritik raushören. Willst du da gesellschaftskritisch sein?
Ja. Es ist das Thema Konsum, das mich etwas umtreibt. Unser Wohlstand fußt ja auf dem Nicht-Wohlstand anderer Länder der Erde – vom Kaffee über Avocados bis hin zu Jeans, die mit 800 Litern Wasser gewaschen werden und die man sich alle paar Monate neu kauft. Ich finde, man sollte diese ganzen Sachen mal überdenken. Generell sollten die Menschen schnellstmöglich ihr Konsumverhalten hinterfragen. Ich träume von einer grünen Wirtschaft weltweit, die für alle die Grundsicherung bereithält. Das wäre rein wirtschaftlich gesehen, glaube ich, gut möglich.
Wie entstehen bei dir eigentlich ein typischer Songs?
Zuhause probiere ich mich selbst ein bisschen an Sounds wie New-Wave und Techno aus. Ansonsten sitze ich viel mit Produzenten zusammen. Da probieren wir rum und die besten Sounds picken wir uns raus. Meistens baue ich zuerst den Refrain und dann alles andere drumherum.
Das Album gibts exclusiv auf der Trettmantour
https://www.instagram.com/p/B5NohmmIU4c/
Etwas ganz anderes: „Tattoo Sucks“ hast du dir auf deinen Bauch tätowieren lassen. Ungewöhnlich. Aus welchen Gründen lässt du dich Tätowieren? Wir kommst du auf die Motive?
Dieses Tattoo habe ich mir spontan von meiner Ex-Freundin stechen lassen und es war eher das Ergebnis einer Suff-Nacht. Ich hab ihr aber auch eins auf dem Arm gemalt. Da steckt natürlich ganz viel Selbstironie drin. Industrietätowieren ist nicht so mein Ding.
Ich hab‘ mir mal ein Tattoo in Berlin stechen lassen für 350 Euro und das gefällt mir nicht so sehr wie die anderen. Da hab‘ ich mich entschieden, dass ich keine Tattoos mehr nach irgendwelchen Trends mache, sondern mich lieber von Bekannten und Freunden stechen lasse. Oder bei Newcomern oder kleinere Studios, um die zu supporten. Ich steh‘ auch auf hässliche Tattoos. (lacht)
Ich auch! Also bist du auch nicht so der Tattoo-Arm-Typ?
Neee. So einen Koikarpfenteich will ich mir nicht auf den Arm machen lassen.
Du hast bereits Musik mit Haiti, KitschKrieg und vielen anderen Musikern gemacht. Seit kurzem bist du auch im Musikvideo von „Dinge“ von Deichkind zu sehen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Sie haben mich plötzlich angerufen und gefragt, ob ich Lust hätte, mit ihnen Musik zu machen. Da hab‘ ich natürlich ja gesagt, weil ich ein großer Fan bin und ebenfalls aus Hamburg komme. Gerade ihre Rap-Sachen von früher fand ich immer super. Damals war ich Deichkind-Fanboy. Naja. Ein halbes Jahr später kam es dann zu einem Treffen an der Nordsee und da haben wir drei Tage lang gemeinsam an dem Song geschrieben. Deichkind war natürlich länger da. Ein paar Wochen später bin ich dann zu Deichkind nach Berlin gefahren und habe dort meinen Part aufgenommen und nochmal ein paar Wochen später dann das Video mit gedreht.
Joey Bargeld veröffentlichte „Trotzdem“ auf Youtube
Die Videos von Deichkind sehen ja immer sehr aufregend aus.
Ja. Es war auch aufregend. Leider war ich nur am ersten Tag da. Am zweiten haben sie dann alles kaputt gemacht. Ich hab‘ nur noch die Waschmaschinen aus dem Haus fallen sehen. Das Ganze war auf jeden Fall sehr spannend. Der ganze Aufbau, das Setting, die Arbeit, die da drin steckt und die ganzen Menschen, die da mitmachen – das kann man sich gar nicht vorstellen. Das ist bei der Tour nicht anders. Da sind noch mehr Leute dabei. Die ziehen ja ‘ne riesen Show ab. Das ist schon krass.
Im Song „Trotzdem“ singst du, dass du dich von nichts unterkriegen lässt. Ist das dein Lebensmotto?
Ja, schon. Ich hab‘ mich oft in schwierige Situationen hineinmanövriert, wie Schul- und Arbeitsstress. Auch, weil ich immer gegen den Strom schwimme. Ich war immer sehr unzufrieden mit der Situation, in der ich mich befand, aber nicht, weil ich nicht so viele Chancen habe wie andere. Vielmehr, weil ich von Grund auf unzufriedener bin. (lacht)
Durch die Musik merkte ich, dass man im Leben das tun muss, was einem Spaß macht, um wirklich Glücklich zu sein. Man muss auf sich selbst hören und das durchziehen, was man sich in den Kopf setzt, damit man die eigenen Ziele erreichen kann, auch wenn es mal nicht so leicht ist. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mal mein eigenes kleines Business aufbaue und mit Trettmann auf Tour gehe …
Hard Facts
- Trettmann Live 2019 | Support: Joey Bargeld
- Thüringenhalle Erfurt
- Einlass: 18 Uhr
- Beginn: 19 Uhr