Im Homoffice irgendeiner beliebigen Wohnung an irgendeinem beliebigen Ort dudelt im Hintergrund eine leise Melodie: „Are we human or are we dancer?”. Während die durchschnittlichen Radiohörer damit beschäftigt sind, herauszufinden, ob sie nun Mensch oder Tänzer seien, sind Musiker in diesen Zeiten vor allem eins: Existenzbedroht. Damit sie nicht ganz vergessen werden, setzt sich die LAG Songkultur für ihre Interessen ein. Wir haben mit dem Vorstandsvorsitzenden und Gründungsmitglied Tobias Marx über den Musikstandort Thüringen und Musik in der Corona-Krise gesprochen.
Wer oder was ist die LAG Songkultur?
Wir sind die Landesarbeitsgemeinschaft für Improvisations- und Songkultur in Thüringen e. V., also der Landesverband für Popmusikförderung. “Songkultur” ist in der Musikwissenschaft eine Definition für eine bestimmte Strömung des Musikmachens, bei der das Songwriting das zentrale Handwerk ist. Allerdings haben wir die Improvisationskunst mit reingenommen, damit sich auch die Jazzmusiker angesprochen fühlen. Also vertreten wir populäre Musik im weitesten Sinne.
Wer gehört zu euch?
Wir sind eine politische Interessensvertretung, bestehend aus verschiedenen Institutionen und Musikern, Einzelpersonen und Vereinen, die sich 2017 gegründet haben zum Zweck, Thüringen zu einem starken Musikstandort zu entwickeln. Vorher herrschte hier einfach eine große Lücke, es hat nichts stattgefunden in Hinblick auf Förderung populärer Musik. Diese Lücke haben wir jetzt gefüllt.
Wenn man an musikalisch relevante Orte denkt, fallen einem eher große Metropolen wie Berlin oder New York ein. Wie passt Thüringen in dieses Bild?
Also wenn man bei der “Initiative Musik”, also der Bundesbehörde zur Förderung populärer Musik schaut, dann sieht man, dass für verschiedene Bundesländer verschiedene bekannte Interpreten genannt sind. Für Thüringen stehen da nur zwei Personen, die allerdings nicht mehr hier agieren; das heißt, Thüringen ist nicht mehr präsent. Uns geht es darum, aus Thüringen einen relevanten Musikstandort zu machen. Es gibt wahnsinnig viel Musik hier im Land. Das Problem ist aber, dass die Musiker zwar untereinander gut vernetzt, aber kaum politisch aktiv sind und sich deshalb kaum sichtbar machen.
Was sind typische Projekte des Vereins und wie sind sie aufgebaut?
Eines unserer großen Projekte ist der Thüringen Sampler, den wir seit 2019 jährlich herausgeben; 2020 erstmals inklusive der Videos der fünf Bands mit den besten Ratings. Das soll fortgeführt werden, weil es Thüringen auch außerhalb unseres Landes sichtbar macht.
Weitere aktuelle Projekte sind Workshops space in concert zur Vernetzung von Nachwuchskünstlern und Kreativwirtschaft vom Netzwerkpunkt Jena und die Musik-durchs-Land-Tour der Initiative diePOP.
Wir kooperieren aber auch mit der „Initiative Musik“ und mit den anderen Landesvertretungen. Inzwischen sind wir auch von der Staatskanzlei gefördert. Die Popmusik ist so organisiert, dass es in jedem Bundesland eine Vertretung gibt, die alle im Bundesverband Pop zusammengeführt werden. In diesem Kontext haben wir über 40 POPIIGO-Projekte in Thüringen beantragt, begleitet und abgerechnet.
https://www.facebook.com/LAGSongkultur/posts/760611434727383?__cft__[0]=AZV_iHxAL46T2i5m5ycntEDaNhFdC8OpsHSlIho9GALp3JOpSm9IcuhucjqT3kXGEnNqoNSVltCawa_nS0GkgwbUt8pwmhrEU5kJXuHzZ9u7wC7Vg_GodBKyDNXChiklNSZPxgmthWB-AvDl4PVp7XLI&__tn__=%2CO%2CP-R
Wie kann man bei euch aktiv werden?
Wir sind zunächst ein ganz normaler Verein, also kann auch jeder kommen, der sich für das Thema interessiert. Dann machen wir jährlich eine Mitgliedsversammlung mit einem öffentlichen Teil. Dort können alle Interessierten auf uns zukommen, Fragen stellen und bei uns einsteigen. Am besten funktioniert es aber über die Netzwerkpunkte der verschiedenen Städte, wo es Leute gibt, die die lokale Musikszene kennen.
Oder über die Arbeitsgruppen, die wir gegründet haben, zum Beispiel zu den Themen Fördermittel, Musikforschung oder Öffentlichkeitsarbeit. Die sind auch alle auf unserer Website vorgestellt. Dann kann man natürlich jederzeit den Sampler mitgestalten. Und wer noch andere Themen hat, die er für relevant hält, dafür sind wir auch sehr offen.
Wie geht es der LAG Songkultur mit und in der Pandemie?
Wir sind sehr beschäftigt, weil wir selbst nicht direkt unter der Pandemie leiden. Eigentlich haben wir noch mehr zu tun als vor Corona. Unsere Aufgabe ist es, den Musikern und den Clubs die Informationen über Fördermöglichkeiten, die jede Woche neu kommen, aufzubereiten und auch digital aktiv zu werden. Das heißt, wir informieren über den Newsletter und die Website über aktuelle Möglichkeiten Anträge zu stellen. Wir haben aber auch Erfahrungsberichte gesammelt, wie es den Musikern in der Krise geht und auch welche Fördermöglichkeiten funktioniert haben und welche nicht. Im Grunde versuchen wir ein Spiegel der Musikszene zu sein. Auf unserer Website gibt es viele Artikel darüber, wie Musiker mit der Pandemie umgehen und welche Hilfsmittel es gibt.
Lassen sich durch Corona neue Akzente im Klang und der Art des Musikmachens erkennen?
Die Musik hat natürlich in der Krise und dem Digitalisierungsschub ausgesetzt. Aktuell bereiten wir eine Studie vor, aber vorläufige Schätzungen ergeben, dass etwa die Hälfte aller Musiker durch Corona aufgeben mussten. Die Möglichkeit, sich digital weiter zu beschäftigen und dadurch ein Einkommen zu generieren, hängt von ganz vielen Rahmenbedingungen ab, wie Zeit, Ressourcen und Technikaffinität. Wenn diese Bedingungen nicht gegeben sind, haben Musiker aktuell keine Chance, sich hörbar zu machen. Da werden Weiterbildungen und auch Beratungen zur Umschulung notwendig, denn es gibt Leute mit so wenig digitalem Vorwissen, dass sie den Sprung nicht schaffen können. Die Situation ist so schwierig, dass Existenzen gefährdet sind.
Kann Musik dabei helfen, optimistisch zu bleiben?
Also ein realistischer Optimismus ist immer gesund, das war auch schon vor der Krise so. Man muss schon risikobereit sein, um als Künstler bestehen zu können und sich ständig anpassen und weiterentwickeln. Jetzt im Moment ist es aber für viele schwer, diesen Optimismus aufrecht zu erhalten.
Versuchen wir trotzdem mit Optimismus in die Zukunft zu blicken: Was sind denn eure Ziele?
Im Moment ist unser Ziel einfach nur die Musiker so gut wie möglich dabei zu unterstützen, durch diese Zeit zu kommen. Mittel- bis langfristig wollen wir durch Projekte unterstützen, indem wir zum Beispiel eine Songkultur-App programmieren, in der sich Musiker mit Musikfans vernetzen können. Es geht einfach darum, die Szene zusammen zu bringen, denn nur gemeinsam ist man stark.
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Hard Facts:
- hier geht’s zur Website der LAG Songkultur
- LAG Songkultur auf YouTube und Facebook
- Für aktuelle Projekte: besucht doch den Netzwerkpunkt Jena, die Initiative diePOP und die POPIIGO-Projekte
- zur Initiative Musik geht’s hier
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