Warum geht man fort, wenn alles um einen herum scheinbar zum Bleiben auffordert? Und wohin überhaupt, wenn man eigentlich längst angekommen war – nur eben dummerweise eine Weile zu früh? Manchmal gibt es sie ja, diese tiefe Sehnsucht, ohne dass klar wäre, wonach. Und dann? So genau hat Malte Huck, der ehemalige Bassist der Band AnnenMayKantereit, diese Fragen nie gestellt. Eine Antwort hat er trotzdem gefunden; zumindest für sich: Er gründete 2021 Beachpeople, die seine Vorstellung davon sind, wer er sein könnte und wie er klingen will. Nach erfolgreichen, zehrenden, pandemischen und trennungsreichen Zeiten hat er mit dem Projekt eine Projektionsfläche für alles geschaffen, was zu sagen ist.
Beachpeople in Erfurt
Der von Low Fidelity (mit simplem technischen Equipment aufgenommene Musik) geprägte Stil benötigt zunächst nur eine Gitarre, ein bisschen Drums und eine Stimme, die den Spagat zwischen Zurückhaltung und Ausdrucksstärke beeindruckend meistert, um mit wenigen Worten und viel Gefühl alle Zuhörer:innen zu berühren und mitzunehmen. Stilistisch lässt sich eine gewisse Nähe weder zum Folk abstreiten noch zum Indie-Rock oder Bedroom-Pop abstreiten. Trotzdem würde man Beachpeople mit dem Stempel eines bestimmten Genres nicht gerecht, zu vielfältig sind die wahrnehmbaren und aus allen Richtungen kommenden Einflüsse. Mitte September erschien die erste LP der Beachpeople „i`ll be gone for a little while“. Zu hören auf allen gängigen Streaming-Plattformen. Mit der Platte im Gepäck gab Malte, der Mann hinter dem Projekt, im November wenige Konzerte. Glücklicherweise wurde bei der Mini-Tour die Franz Mehlhose in Erfurt bedacht, wo die Beachpeople am 4. November auftraten. Wir sprachen vorab mit dem ehemaligen Bassisten von AnnenMayKantereit über Strand, Sehnsucht und Giraffen.
Interview mit Beachpeople
Hallo Malte, du hast den Sehnsuchtsort Strand in deinem Künstlernamen. Warum hast du ihn auserkoren?
Ich fand es interessant, die beiden Wörter „Beach“ und „People“ zu kombinieren. Das ist im Englischen ja eigentlich nicht üblich. Zusammengesetzte Wörter gibt es eher in der deutschen Sprache. Es ist schön, ein eigenes neues Wort zu haben; ein Wort, das fröhlich aussieht, aber wenn man darüber nachdenkt, steckt ganz schön viel Traurigkeit drin. Wenn ich länger darüber sinniere, wer Beachpeople sein könnten, komme ich immer irgendwie an einen traurigen Ort. Das ist ein schöner Widerspruch.
Unabhängig vom Strand: Wie würdest du dann deinen Sound beschreiben?
Das ist schwierig. Bei den Songs hab‘ ich einfach drauf los geschrieben. Aber natürlich hab’ ich mir auch viele Gedanken über den Sound gemacht. Ich arbeitete aber so lange an Songs, dass es mir schwerfällt, den Sound zu beurteilen. Das können andere viel besser. In Rezensionen fiel oft das Genre „Low Fidelity“ oder „Indie“. Das bedeutet im Endeffekt einfach nur, dass ich die Aufnahmen nicht im Studio, sondern in meinem Proberaum aufgenommen habe und fast Aufnahmen selber eingespielt habe. Da ich aber nicht alle Instrumente on Point beherrsche, habe ich viel nachbearbeitet und geschnitten. Zudem wollte ich, ähnlich wie im Hip-Hop viel über „Vibe“ entscheiden. Also ein Gefühl herzustellen, dass teilweise schon am Anfang des Liedes klar wird und sich durchzieht.
Was hat dich sonst bei der Soundfindung inspiriert?
Eigentlich inspiriert mich alles, bei dem ich das Gefühl habe, dass es ehrlich ist. Ich hab mir in der Entstehungszeit der ersten EP viel Stand-Up-Comedy und Hip-Hop angehört. Aber auch Musik, mit der ich aufgewachsen bin, wie Bon Iver und eben Mac DeMarco. Es war eine Zeit, in der ich mir viele Sachen einverleibt habe und von vielem inspiriert wurde. Das war manchmal auch einfach ein langer Spaziergang.
Deine Songs handeln von Sehnsucht, von Natur, von Leben und Freiheit. Was würdest du sagen, beschäftigt dich in deinen Texten?
Es ging viel um die Verarbeitung einer Trennung und das Loskommen von Gefühlen, die man nicht mehr haben will, um dann doch wieder an einen Punkt anzukommen, an dem man sich den Sachen stellen muss, weil man merkt, dass man sich nur ablenkt. In den Liedern beschreibe ich alle Stufen, durch die man geht, wenn man solche Sachen verarbeitet.
Dein Sound hört sich sehr nach Band an. Hast du jetzt eine neue? Wie ist das live mit neuen Menschen? Einem anderen Publikum?
Total spannend. Die Menschen, mit denen ich gerade auf der Bühne stehe, sind alles ganz fantastische Musiker:innen. Beim Umsetzen der Songs geben wir uns ganz viele Freiheiten und das macht viel Spaß. Wir wollen die Songs auf keinen Fall einfach 1:1 auf die Bühne bringen. Der Charme der Songs liegt in der Produktion. Das können wir live gar nicht reproduzieren. Auf der Bühne wollen wir die Stimmung der Lieder wiederherstellen. Wenn es sich dann gut anfühlt, ist es auch gut. Umso mehr wir gemeinsam auf der Bühne stehen, umso runder wird der Sound. Das spiegelt auch das Publikum. Es ist spannend. Ich freue mich, wenn Leute bei Festivals unvoreingenommen auf uns stoßen und sich mitreisen lassen.
Beachpeople ist in sich eine runde Sache. Man fühlt, dass es natürlich entsteht und authentisch ist.
Der rote Faden entsteht, weil die Entscheidungen komplett von zwei Leuten getroffen werden. Das sind zum einen ich und zum anderen Christoph, mein ältester Freund, der sich um alles Visuelle kümmert. Wir hatten uns nicht von Anfang an überlegt, wie alles aussehen soll. Das entstand organisch. Durch Probieren. Ich hab’ zum Beispiel Christoph als erste Person den Namen geschickt und er hat direkt gesagt, dass er es auch fühlt. Ähnlich war es, als er für die Videos eine Super-8-Kamera benutzt hat. Es passte und fühlte sich gleich richtig an. Dass alles so rund erscheint, entsteht, weil wir immer mit dem gleichen Gefühl entschieden haben. Ich merke aber jetzt schon, wie ich anfange, das Album zu schreiben und da will ich dieses Gefühl wieder loslassen. Ich hätte gerne ein Album, dass etwas anders als die EP klingt. Deshalb versuche ich, in ein neues Gefühl zu kommen.
Machst du dann jetzt wieder einen Urlaub, bei dem du dir Inspiration einholst?
Kann ich mir gut vorstellen. Auf der EP ging es viel um Abhauen und Vermeidung von Themen. Vielleicht sollte es sich auf dem Album mehr darum drehen, sich bestimmten Themen zu stellen, weshalb es vielleicht gut sein könnte, dass ich das Album zu Hause in Leipzig schreibe. Ich weiß das aber noch nicht genau. Ich habe auf jeden Fall Lust zu reisen. Aber neue Pläne gibt es noch nicht. Ich bin gerade in der Tour-Vorbereitung und freue mich, danach Zeit dafür zu haben.
So viele Tour-Stopps hast du nicht. Wie kommt es, dass du dich gerade für Erfurt entschieden hast?
Die Tour ist deshalb so kurz, weil ich nie dachte, dass ich eine Tour spielen werde. Die Musikbranche hat gerade viele Probleme, weil die Nachwehen der Pandemie noch längst nicht vorüber sind. Die Leute haben weniger Geld und generell herrscht eine große Unsicherheit. Unabhängig davon hab ich mit AnnenMayKantereit mehrmals in der Mehlhose in Erfurt gespielt und ich finde, die Leute, die das machen, mega. Ich mag diesen Ort. Er hat ein ganz besonderes Flair. Es gibt für mich wenige Clubs, die so angenehm sind und auf die ich mich so freue wie die Mehlhose. Das Team vor Ort macht einfach einen wahnsinnig tollen Job. Zudem wohne ich in Leipzig und Erfurt ist nicht weit weg. Mir war schnell klar, dass ich das Konzert dort spielen will.
Abschließend hab‘ ich noch eine kleine Schnellfragerunde vorbereitet, die du bitte kurz und knapp beantwortest.
Klar.
Beschreibe doch mal die Beachpeople mit drei Worten.
Für mich persönlich: neu, aufregend und kompliziert.
Wenn Beachpeople ein Tier wäre, welches wäre das?
Eine Giraffe.
Warum?
Ich weiß nicht. Das passt. Ein widersprüchliches Tier, das keinen Sinn macht, aber eine starke Präsenz und eine schöne Ausstrahlung hat. Wenn man im Leipzig am Zoo vorbeikommt, kann man Glück haben und die Giraffen von außen sehen. Das ist geil.
Dein Lieblingsstrand liegt wo?
Ich war lange nicht mehr am Strand. Meine schönsten Erinnerungen an Strand sind, glaube ich, in Frankreich. An der Atlantikküste.
Hard Facts:
Mehr coole News für euch:
-
Lokaler Musikheld – Sorin aus Erfurt
-
Gedenken an Rosa-Winkel-Häftlinge in Thüringen – Heinrich Weidingers Stolperstein in Jena
-
Mit kosmopolitischem Blick auf die Welt – Milliarden spielen in Erfurt