Nach zahllosen Singles, Features und EPs in den letzten drei Jahren, nach Shows und Touren mit der Antilopen Gang, Fatoni oder Roy Bianco & den Abbrunzanti Boys, nach Festivalauftritten von Fusion über Splash bis Lollapalooza und Melt, kündigt die ehemalige Wahlerfurterin futurebae endlich ihr Debütalbum an: BLA wird es heißen – Berlin Love Affair – und am 3. November bei Virgin Music erscheinen. Am 9. November startet die Musikerin im Kalif Storch in Erfurt ihre Tour. Wir sprachen vorab mit ihr über Schaumwein, riesige Festivals und die kleine Thüringer Provinz.
Vor etwa drei Jahren sprachen wir mit dir das erste Mal. Damals hast du noch in Erfurt gewohnt und deine erste EP veröffentlich. Mittlerweile lebst du in Berlin. Anfang November erscheint dein erstes Album bei einem Majorlabel. Du spieltest auf zahlreichen Festivals vor tausenden Menschen. Wie fühlt sich das an?
Ich kann immer noch nicht so richtig fassen, was alles in den vergangenen drei Jahren passiert ist. Es fühlt sich an wie im Rausch. Kennst du im Schwimmbad diese warmen Strudel, mit denen man mit getrieben wird? So fühlt sich das an. Ein bisschen selbst lenken ist möglich, aber es geschehen auch Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Man fließt da durch und denkt sich „irgendwie ist das ganz schön”, aber alles ist ziemlich schnell. Ich habe immer noch Flashbacks von den Festivals letzten Sommer, als ich anfing, live zu spielen. Da denke ich mir häufig: Krass, was ich alles erleben durfte.
Beschreib doch mal die vergangenen drei Jahre mit drei Begriffen.
Lass mich kurz überlegen. Schnell, aufregend und sektreich (lacht).
Wie war es, das erste Mal auf einem riesigen Festival mit mehr als tausend Menschen aufzutreten?
Megageil! Ich weiß nicht warum, aber ich bin nicht wirklich nervös, bevor ich auf die Bühne gehe. Wenn ich da oben stehe, fühlt sich das ganz natürlich und richtig an. Mich würde es eher nervös machen, wenn die Zuschauer*innen nicht mitgehen oder sich von der Bühne entfernen. Diese Angst habe ich immer. Ich denke mir jedes Mal: „Oh Gott, hoffentlich sind auch Leute da.” Dann zu merken, dass viele meine Texte schon mitsingen können, ist das allergeilste Gefühl. Es macht keinen Unterschied, ob da fünf Leute stehen oder 10.000, ich bin nicht nervös, sondern ich freue mich nur. Ich bin freudig-nervös.
Die Tour und dein erstes Album heißen „Berlin Love Affair“? Ist Berlin nur eine Affäre? Geht’s irgendwann zurück an die Küste Schleswig-Holsteins, wo du aufgewachsen bist?
Ich habe mich noch nicht entschieden, ob Berlin mein Langzeit-Lover ist oder nicht. Wir haben eine Auf-und-Ab-Beziehung. Mal läuft es gut zwischen uns, mal weniger. Ich finde, das Lebensgefühl der Stadt ist sehr kurzweilig. Es ist kein Ort, der einlädt, zu verweilen, sondern er ist für viele ein Zwischenschritt für so zwei, drei Jahre und dann zieht man weiter. Deswegen hat es so einen Affären-Charakter. Man bindet sich nicht und hat auch kaum die Möglichkeit sich zu binden, da man auf unbegrenzte Zeit keinen Mietraum bekommt. Also auch, wenn du wollen würdest, springst du von Zwischenmiete zu Zwischenmiete und findest nichts Langfristiges, weil alles unbezahlbar ist. Man kann die Stadt mit vielen Dingen aus der Liebe vergleichen und daher war der Titel „Berlin Love Affair” sehr passend.
Einer der ersten musikalischen Vorboten deines Albums ist der Song „Slay Queen“. Was macht eine Slay Queen aus?
Sie ist selbstbewusst und fühlt sich gut in ihrer Haut. Ich erkläre es mal anders. Ich schrieb den Song, als es mir überhaupt nicht gut ging. Ich hatte Liebeskummer und wollte aber keinen Song über Herzschmerz schreiben, sondern etwas, das mir selbst wieder Kraft gibt. Etwas, das mich em- powered. Wodurch ich mich stark fühle. Es ist wie ein Mantra. Die Aussage „ich fühle mich Beyoncé” hat sich bei mir irgendwann einfach etabliert, sodass ich das immer gesagt habe, wenn ich mich gut und selbstsicher fühlte. Eine Slay Queen zu sein bedeutet für mich Gefühle zuzulassen, in Schwäche eine Stärke zu sehen, selbstbewusst durchs Leben zu gehen und selbst zu entscheiden, was man will.
Die Songs „Slay Queen“ oder „Männer LoL“ sind die musikalischen Beispiele. Dein selbstbewusstes Auftreten ein anderes: Ist Female Empowerment ein wichtiges Thema für dich?
Auf jeden Fall. Mir ist es wichtig, in meiner Musik nicht mit einem ausgestreckten Zeigefinger auf etwas zu zeigen und zu sagen „oh, oh das ist böse”. Das wissen wir alle schon. Ich möchte mit meinen Songs widerspiegeln, was mich als Frau in einer männer-bewegten Welt beschäftigt. Ich finde das sehr wichtig. Mich empowered es, Leute zu sehen, die als gutes Beispiel vorangehen und einfach machen. Ich finde, es kann nie genug Frauen geben, denen es egal ist, ob sie früh am Morgen zerstreut auf Instagram zu sehen sind, die realitätsnah leben und ihr Ding machen. Das ist leider noch nicht präsent genug.
Bei deinen Konzerten sind viele junge Mädchen anwesend und als Sänger*in hat man oft auch eine Art Vorbild-Rolle. Ist das etwas, was dich auch beeinflusst?
Das ist nicht wirklich etwas, das ich bewusst wahrnehme. Ich dachte nie: „So, ich bin jetzt ein Vorbild!” Außerdem traf ich auch schon einige nicht so gute Entscheidungen in meinem Leben. Da fühlte ich mich nicht wirklich wie ein Vorbild. Allerdings ist mir nach der Veröffentlichung von „Männer LoL” bewusst geworden, dass viele aus diesem Song Stärke ziehen. Ich erhielt viele liebe Nachrichten, dass das Lied empowered und die Menschen jetzt lernen wollen, laut zu sein und sich nicht alles gefallen zu lassen. Dafür bin ich sehr gerne ein Vorbild. Es ist sehr wichtig, dazu zu lernen. Ich finde aber das Wort „Inspiration” passt besser als „Vorbild”. Ich inspiriere andere mit meiner Musik …
Aber nicht nur starke Frauen sind Thema. Auch Sprudelbrause. Du veröffentlichst Songs wie Sektfrühstück oder Sekt auf Eis. Hast du einen Hang zum Perlwein?
Ich trinke gerne Sekt. Aber es war nicht beabsichtigt, dass das so ein zentrales Moment bei mir ist. Es wird sehr gerne medial aufgegriffen und gerade bei Konzerten kommt es gut an, Sekt zu trinken und Spaß zu haben. Aber es ist für mich nicht ganz so identitätsstiftend, wie man annehmen mag. Ich trinke übrigens auch Tee (lacht).
Es geht in deinen Liedern ja nicht um unkontrollierten Sektkonsum. Eher sprichst du ein Lebensgefühl an. Viele trinken gerne mal einen Sekt auf Eis und haben ein prickelndes Lebensgefühl. Könnte das eine Art Aufhänger für dich sein?
Auf jeden Fall. Sei es nun ein Sekt-Frühstück, wo man sich trifft, und einen schönen gemeinsamen Moment erlebt, oder ein lockerer Abend mit Freunden, wo man gerne mal anstößt. Es hat etwas Besonderes. Oft erscheint es mir so, als genießen wir Momente nicht mehr. Und wenn man so eine Flasche Sekt aufploppt – vom Geräusch, vom Einschenken und den Blubberblasen, bis hin zum Anstoßen und natürlich auch die Stimmung, die danach herrscht – das ist einfach toll.
Wo wir gerade bei „Sekt auf Eis“ sind, einem deiner ersten Songs – wie würdest du sagen, hat sich dein Sound in den vergangenen drei Jahren verändert?
Ich bin selbstsicherer geworden. Als ich anfing, Musik zu machen, habe ich auch erst mit dem Schreiben von Texten begonnen. Es kam damals alles gleichzeitig. Textlich habe ich mich verbessert und meine Stimme hat sich weiterentwickelt. Ich würde mich damals wie eine Art Kleinkind, das gerade laufen lernt, beschreiben. Mittlerweile bin ich schon sehr solide und kann auch mal kurze Strecken rennen. Dennoch falle ich ab und an mal hin. Aber ich lerne dazu und denke, das hört man der Musik an.
Angefangen hast du mit der Musik in Erfurt. Am Zughafen, wo du am 9. November deine erste eigene Tour startest. Wie ist das für dich?
Es ist wirklich cool und berührt mich sehr. Die Tour macht mich eh extrem emotional, und ich finde es sehr aufregend, dass es jetzt wirklich so weit ist. Ich überlegte sehr lange, ob ich toure oder nicht. Die Musikindustrie, wie so viel anderes auch, wurde nicht von Corona verschont. Vieles ist teurer geworden und die Menschen sind vorsichtiger beim Kaufen von Karten – vor allem im Voraus. Man kann also schlechter planen und einschätzen, ob es funktioniert. Ein Restrisiko ist da, aber ich möchte mit meinem neuen Album auf Tour gehen, egal ob da zehn Leute stehen oder 200. Auf Erfurt als Startort freue ich mich besonders, weil dort alles begann. Die Tour da zu beginnen, ist ein supertolles Gefühl für mich.
Was verbindest du mit der Thüringer Landeshauptstadt?
Eine Art Entschleunigung. Immer wenn ich in Erfurt bin, fühle ich mich etwas abgebremst. Die Stadt selbst verändert sich nicht so schnell wie beispielsweise Berlin. Man weiß immer, was wo ist, Geschäfte ändern sich nicht oft. Alles bleibt stabil. Wenn ich raus gehe, treffe ich immer jemanden, den ich kenne. Es ist einfach schön.
Eine Art Nachhausekommen?
So ein richtiges Gefühl, nach Hause zu kommen, gibt es mir nicht. Allerdings erinnert es mich immer wieder daran, wie krass und intensiv, aber auch schön die Zeit in Erfurt war. Für futurebae ist es vielleicht ein Nachhausekommen.
Auf was können sich die Thüringer Fans bei deinem Tourstart in Erfurt freuen? Neben einem genrefluiden Feuerwerk mit Hang zum Perlwein …
Sagen wir mal so, ich komme nicht allein. Es wird auf jeden Fall ein Fest!
Zum ersten futurebae-Text von 2020: Zwischen Cloud-Rap und R’n’B – Futurebae aus Erfurt veröffentlicht Debüt-EP
Hard Facts:
- Futurebae – BLA-Tour: 9. November | 20 Uhr
- Wo: Kalif Storch | Zum Güterbahnhof 20 | Erfurt
- Tickets: www.kalifstorch.com/konzert/programm
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