So richtig lässt sich die Musik von DJ Hornhaut nicht beschreiben. Sie ist ein bunter Mix aus Punk, elektronischer Musik, Dada und Spaß. Der gebürtige Bremer – jetzt wohnhaft in Berlin – tritt am 21. Mai samt Band in Weimar auf. Das Konzert soll die Mini-Tour des Musikers krönen. Uns gab der Tausendsassa vorab eine Telefonaudienz.
Beschreib deine Musik bitte mit wenigen Worten?
Schwierige Frage, da meine Musik so viele verschiedene Genres anspricht. Ich würde meine Musik als wild, aber auch harmonisch und als nicht total anspruchslos beschreiben (lacht). Am Ende aber auch als tanzbar und oft sehr schnell.
In welche Genre-Schubladen kann ich dich stecken?
Ich glaube, man kann mich nicht wirklich in eine Schublade stecken.
Elektro-Punk hätte ich geschätzt. Kommst du aus dem Punk? Wie ist deine musikalische Genese?
Ganz klassisch. Ich wechselte die Schule und war dann in einer Klasse mit den coolen Kids. Dort hörten wir hauptsächlich Techno anstelle von Punk. Obwohl ich immer noch eine Verbindung zur Punkmusik pflegte. Ich verlies Bremen und zog nach Berlin. Dort entdeckte ich das Produzieren von Musik am Computer. Ich produzierte viele Stunden allein Musik und begann damit Konzerte zu geben. Anfangs trat ich allein auf, aber die dialektische Auflösung ist jetzt, dass ich eine Live-Band habe, mit der ich Konzerte gebe. Der Sound klingt deutlich punkiger. Und das mit der Dialektik muss unbedingt rein. Das hört sich schlau an (lacht).
Natürlich. Das hört sich nach Hegel an. Das lassen wir drin. Aber eine Frage darf nicht fehlen: Wie erarbeitet man sich einen solch virtuosen Künstlernamen?
Ja, ich sage mal, er kam nicht ganz freiwillig. Mehr Angaben möchte ich dazu nicht machen. Irgendwann bekannte ich mich dazu. Aber ich dachte ihn mir nicht aus und ich ärgerte mich auch lange darüber. Aber jetzt ist es mein Name und man kann nichts dagegen tun (lacht).
Der Name ist sehr einzigartig und er passt. Kannst du dich mittlerweile gut damit identifizieren?
Mittlerweile kann ich das gut (lacht).
Dein aktueller Song „Bagger mich ab“ spielt mit Zweideutigkeit. Zum einen willst du abgeschleppt werden, zum anderen erinnert mich der Text an Lützerat und die Klimabewegung. Wie entstand der Song?
Der Song entstand aus einem Gefühl, das viele Menschen – nicht nur meiner Generation – teilen. Es ist eigentlich absurd, wie viel Zustimmung in der Gesellschaft für eine Politik existiert, die feindlich unserem eigenen Leben gegenüber gesinnt ist. Es gibt eine Zeile im Song: „Nimm mir die zukunft, in der ich schon lebe.“ Die Auswirkungen der Klimakrise, wie Hitze und extreme Sommer, sind bereits spürbar. Global betrachtet ist die Krise schon lange präsent. In dem Song verwende ich das Bild von angebaggert werden, um diese Thematik zu verdeutlichen. Es steckt auch der masochistische Wunsch darin, dass jemand meine Drinks ungefragt an der Bar bezahlt. Sowas wünscht man sich ja nicht. Dann wäre es nicht ungefragt. Und damit spielt der Song.
Generell bist du ein musikalischer Tausendsassa. Du springst zwischen den Genres. Warum?
Ich glaube, das hängt einfach damit zusammen, dass ich viele verschiedene Genres wirklich gerne mag und immer schon unterschiedliche Arten von Musik gehört habe. Ich wollte schon immer auf vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzen und das mache ich jetzt auch.
Du singst in deinen Songs. Da hört man den Punk-Einschlag. Hattest du eine Gesangsausbildung?
Also ich hoffe, man hört, dass ich das nicht hatte (lacht). Oft verwende ich in den Liedern deshalb auch Autotune. Ich würde nicht behaupten, dass ich ein herausragender Sänger bin, aber wenn man viele Konzerte gibt und die Lieder oft singt, verbessert man sich mit der Zeit. Mittlerweile würde ich sagen, dass ich sie live ziemlich gut singen kann. Früher habe ich auch im Chor gesungen, aber meine Stimme ist nicht der Hauptgrund, warum man meine Musik hört (lacht).
In deinem 2022 veröffentlichen Album huldigst du der Messestadt Hannover. Aber das zugehörige Lied „Messestadt“ erklärt nicht warum. Hilfst du uns?
Ich finde, Hannover ist eine absolut spannende Stadt. Ich habe das Gefühl, dass sie sich eigentlich nicht so sehr von meiner Heimatstadt Bremen unterscheidet und eine ähnliche Struktur aufweist. Aber irgendwie hassen viele Menschen Hannover, und das finde ich einerseits witzig, weil ich die Stadt überhaupt nicht schlimm finde, sondern wirklich sehenswert. Es ist ein hässlicher Kult. Aber eine tolle Stadt. Daher nannte ich mein Album so.
Warum ist der Song „Messestadt“ ein Instrumental?
Das spiegelt das Gefühl der Stadt wider. Alle Hannoveraner:innen werden es kennen (lacht).
Generell changieren deine Songs zwischen Trash, Spaß und tiefsinniger Kritik am Mainstream, dem Kapitalismus und der Jetztzeit. Wie kommt’s?
Ich glaube, die Welt ist viel zu schlimm, als dass man sie die ganze Zeit ernst nehmen kann. Außerdem ist Humor wichtig, um sich mit ernsten Sachen auseinanderzusetzen. Humor kann Kraft spenden und bringt Menschen zusammen. Ich denke, man kann Dinge ernst nehmen und trotzdem über sie lachen. Und ich hoffe, meine Texte drücken aus, dass beides sehr gut zusammen geht.
Manchmal sind deine Songs aber auch einfach nur witzig, so wie der Song „Scheibenkleister“.
Ja. Aber das ist ein absolut seriöses House-Lied (lacht). Dazu tanzen dann auch ernste House-Hörer:innen. Der Text bricht das Ganze dann auf.
Ganz knapp schrammst du hin und wieder am Dadaismus vorbei. Wie entstehen deine Texte?
Sie entstehen oft im Unbewussten. Ab und zu singe ich irgendwas vor mich hin. Irgendeinen Satz, oder eine Melodie, wie bei „Frankfurter Aale“. Viele Sachen sind einfach da. Es passiert oft, dass man sich mal verspricht und dabei kommt etwas Komisches aus einem heraus. Das Anstrengende daran ist, etwas rundherum zu erfinden. Aber wenn man das hat, ist der Songtext auch schon fertig.
Wohnst du in der Frankfurter Allee in Berlin?
Ich wohnte da tatsächlich mal. In der 183 – falls du es genau wissen willst (lacht).
Deine Hymne „Frankfurter Aale“ entstand also, weil du dort gewohnt hast?
Das entstand auf der Danziger Straße, die alle Berliner:innen kennen sollten. Ich war mit dem Rad auf dem Weg von Friedrichshain nach Prenzlauer Berg. Da passierte ich die ganzen Straßen, nach denen die Ringbahn-Haltestellen benannt sind. Ich fragte mich: „Wo bin ich eigentlich. Ist das schon die Landsberger Allee oder die Frankfurter Allee?“ Ich versprach mich im Kopf und fertig war „Frankfurter Aale“.
Die Songs fließen offenbar nur so aus dir heraus. in den vergangenen fünf Jahren hast du sieben Alben veröffentlicht. Wie schaffst du es, so produktiv zu sein.
Stimmt. Eigentlich sollte schon längst wieder eines da sein. Vielleicht hatte ich mehr Muse. Und die brauche ich, um meine Ideen im Kopf auszuformulieren.
Du hast den Song „Vorgesetzter“ von Team Scheiße geremixt, den Shooting-Stars der deutsch Punk-Szene. Die kommen zum Teil aus Thüringen. Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Die kommen zum Teil aus Thüringen und zum Teil aus Bremen, wo ich auch herkommen. Bei vier Konzerten war ich vergangenes Jahr Support. Also fragte ich und bekam die Erlaubnis.
Da wir schon bei Scheiße, äh Team Scheiße waren. Bist du das erste Mal in Thüringen? Was verbindest du mit unserem wunderschönen Bundesland?
Ich hatte das Glück, schon zweimal im Café Wagner in Jena spielen zu dürfen. Das war beide Male sehr schön. Ich bin dann noch in der Stadt geblieben und war auch für eine Tag wandern im Thüringer Wald. Das war gut, aber zu kurz.
Wirst du mit Band in Weimar spielen? Seit wann bist du im Team mit Band unterwegs?
Es war schon immer mein Traum, mit einer Band zu spielen und Konzerte zu geben. Und ich muss ganz ehrlich sagen, dass allein irgendwo auftreten nicht so prickelnd ist. Das Leben eines DJs, der recht oft allein auflegt, ist das ein wahnsinnig einsamer Job. Man fährt in irgendeine Stadt. Fährt allein hin. Ist dort allein. Erlebt irgendetwas mit wildfremden Menschen und dann fährt man allein wieder ab. Das kann man ein paar Mal machen. Aber ich fand das deprimierend. Außerdem klingt die Musik mit Band ganz anders. Und ich hatte Lust, aus der elektronischen Welt etwas herauszukommen. Ehrlich gesagt höre ich in meiner Freizeit mehr Rockmusik. Zudem hatte ich das Glück, vier super Musiker:innen kennenzulernen, mit denen ich ganz viel Spaß habe.
Was können wir in Weimar von deiner Band und dir erwarten?
Euch erwartet ein wilder Mix durch zahlreiche Genres. Darüber hinaus spielen wir unser Tour-Finale in Weimar. Meine Stimme ist dann geölt und wir haben gute Laune im Gepäck! Es wir ein toller Abend, nicht zuletzt wegen der fantastischen Vorbands.
Hard Facts:
- Was?: DJ Hornhaut in Weimar | 21. Mai | 19 Uhr | Funkhaus
- Wo?: Humboldstraße 36
- Mehr: djhornhaut.bandcamp.com