Die Freie Kulturkarawane (FKK) ruft gemeinsam mit rund 30 Kulturinitiativen und Kollektiven aus ganz Thüringen zur Tanzdemonstration am Pfingstsonntag auf. Ziel ist, den politischen Forderungen verschiedener Kulturschaffender aus dem soziokulturellen Bereich des Tanz- und Nachtkulturlebens Nachdruck zu verleihen. Im Vordergrund steht dabei die Wertschätzung kultureller Diversität. Mit sieben Wägen, auf denen unterschiedliche Musikgenres wie Techno, House und Rap gespielt werden, zieht dann die Loveparade ähnliche Parade durch die Erfurter Innenstadt. Die FKK ruft deshalb auf, an der Tanz-Demonstration teilzunehmen und gemeinsam ein starkes Zeichen für die Kulturszene in Thüringen zu setzen. Wir sprachen vorab mit dem Organisator von der FKK, Thorsten Glaser.
Ihr seid über 30 Kulturinitiativen und Kollektiven aus ganz Thüringen, die am 28. Mai auf die Straße gehen. Wer ist thüringenweit so dabei, und wie habt Ihr zusammengefunden?
Von den 30 Kollektiven sind etwa 25 aktive Unterstützer*innen und fünf sind indirekte Unterstützer*innen. Wir arbeiten beispielsweise mit Biotopt aus Jena zusammen. Ein anderes Kollektiv aus Jena, die Fractaliens, fungieren aufgrund der Festivalplanung an diesem Wochenende eher als stille Unterstützer*innen. Unterstützt werden wir außerdem aus Rudolstadt, Weimar, Ilmenau, Gotha, Nordthüringen und Eisenach. Aus Erfurt kommen viele Kollektive bzw. Initiativen, wie bspw. der Kalif Storch, das Retronom, Traumraum e.V., das Klanggerüst e.V., Linie 9 und viele andere …
Ist es euch besonders wichtig, dass es musikalische Kollektive sind?
Ursprünglich kommen wir aus dem soziokulturellen Bereich der elektronischen Tanzmusik und haben in der Vergangenheit kleinere nicht kommerzielle Raves mit einer Teilnehmerzahl von etwa 200 bis 1000 Personen organisiert, die meistens in der Umgebung oder im Wald stattfanden. Wir haben uns vor 5, 6 Jahren als „Diskostammtisch“ erstmalig zusammengesetzt, wobei der Name ironisch gemeint war, da wir natürlich damit keine Verbindung haben. Bei diesem Treffen waren etwa 15 Vertreter*innen verschiedener Kollektive aus Erfurt dabei. Es war das erste Mal, dass wir uns über Termine oder Technik wie beispielsweise gegenseitige Technikverleihe abgesprochen haben.
Unsere damaligen Events geschahen oftmals in einem rechtlichen Graubereich, was dazu führte, dass wir nicht gerne zu viel preisgaben. Um Repressalien zu vermeiden, ließ man sich natürlich nicht gerne in die Karten schauen. Wir durchbrachen jedoch diese Barriere und vernetzten uns. Mittlerweile werden wir auch durch Künstler*innen aus der Hiphop- und Rap-Szene unterstützt, was mich persönlich unheimlich freut. So entstand erst die EFKK, also die Erfurter Kulturkarawane, welche sich später zur thüringenweiten FKK weiterentwickelte. 2019 haben wir dann die Kulturkarawane in Eigenregie geplant, angemeldet und durchgeführt. Wir waren mit etwa 600 Menschen in Erfurt unterwegs. Das war für uns und die Teilnehmer*innen ziemlich cool, und aus diesem Erfolg ergaben sich weitere Aktivitäten. 2020 wollten wir alles noch etwas größer aufziehen, doch dann kam Corona.
Was würdest Du kurz und knackig sagen, welche Idee vereint Euch?
Die Idee, Kulturräume zu schaffen, wie wir sie uns in unserer Gesellschaft wünschen. Es ist grundlegend, überhaupt erstmal die Möglichkeit zu bekommen. Soziokultur steht vor verschiedenen Herausforderungen, wie zum Beispiel die Suche nach bezahlbarem Raum und die Finanzierung von Veranstaltungen, insbesondere wenn die Teilnehmerzahl gering ist. Trotzdem möchten wir Räume schaffen, die durch Heterogenität und Diversität geprägt sind, in denen man sein kann, wie man möchte, ohne viel Geld ausgeben zu müssen.
Wie sind Eure Forderungen entstanden?
Insgesamt geht es darum, soziokulturelle Räume in Thüringen zu schützen und zu fördern. Dafür ist es wichtig, dass bestimmte Haushaltsbudgets in den kommunalen und landesweiten Haushalten bereitgestellt werden. Die Veranstaltungen und Räume, die wir schaffen bzw. betreiben, haben es im kommerziellen Wettbewerb schwer, da es nicht um Profit geht, sondern darum, dass Menschen ihre Kreativität ausleben können und eine schöne Zeit miteinander verbringen. Die meisten von uns arbeiten ehrenamtlich und erhalten keine finanzielle Entlohnung. Uns geht es wirklich um das Herzblut, das wir in diese Projekte stecken, um unsere Gesellschaft so mitzugestalten, wie sie unserer Meinung nach sein sollte.
Es geht auch um die Akzeptanz unserer Kollektive, die teilweise aus einer rechtlichen Grauzone stammen. Wir veranstalteten in der Vergangenheit Raves im Wald, da wir in der Stadt keine Räume bekamen oder uns diese nicht leisten konnten. Es gibt verschiedene andere Themen, die eine Rolle spielen. Es geht auch um das soziale Anliegen, Akzeptanz in der Gesellschaft zu finden. Die Menschen, die zu unseren Veranstaltungen kommen, nehmen teilweise eine lange Fahrtzeit von einer halben Stunde oder sogar einer Stunde mit dem Fahrrad auf sich, um teilzuhaben. Das zeigt, dass es definitiv ein Bedürfnis in der Bevölkerung gibt, dem wir nur gerecht werden können, indem wir uns teilweise in rechtliche Grauzonen begeben, was natürlich nicht akzeptabel ist.
Eine Eurer Forderungen ist die Entstigmatisierung des Tanz- und Nachtkulturlebens. Wie soll das aussehen?
Genau, dieses Problem betrifft nicht nur uns, sondern viele Veranstaltungsorte. Oft müssen wir uns an veraltete Schutzgesetze halten, die bereits 50 oder 60 Jahre alt sind und sich kulturell nicht mitentwickelt haben. Das bedeutet, dass wir laut dem Lärmschutzgesetz beispielsweise um 22 Uhr abends leise sein müssen, obwohl unsere Partys manchmal erst kurz vor Mitternacht beginnen. Die Lebensrealität der Menschen, hat sich geändert, aber die Gesetzeslage wurde nicht entsprechend angepasst. Hier besteht definitiv Handlungsbedarf. Die Bundesgesetze sollten sich an die aktuelle Lage anpassen. Es gibt auch kaum Räume in Erfurt, die unseren Bedürfnissen gerecht werden, obwohl eine große Nachfrage herrscht. Daher ist es wichtig, dass unsere umfangreichen Erfahrungen und Kenntnisse bei der Gestaltung einer neuen Gesetzeslage berücksichtigt werden. Warum dürfen wir nicht unter freiem Himmel diese Veranstaltungen durchführen, sondern sind gezwungen im städtischen Raum immer nach 22 Uhr leise zu sein?
Warum sollen die Thüringer nach Erfurt kommen und mitmachen?
Es ist von großer Bedeutung, dass junge Menschen, die sich mit diesen Forderungen identifizieren und ähnliche Erfahrungen machen oder solche Räume nutzen, ein Zeichen setzen. Es ist wichtig, dass wir auf die Straße gehen und deutlich machen, dass wir hier sind und uns den Raum nehmen, der uns sonst verwehrt bleibt. Wir können ein aktiver Teil der Gesellschaft sein und uns Gehör verschaffen. Indem wir beispielsweise einen schönen, lustigen und bunten Tag in der Innenstadt gestalten. Wir können tanzen und die Gelegenheit nutzen, unsere Anliegen sichtbar zu machen.
Und die Probleme damit beleuchten.
Genau. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass wir etwa vier oder fünf Jahre lang mit der Ständigen Kulturvertretung und verschiedenen anderen Initiativen für einen Raum kämpften. Die freie Veranstaltungsfläche am Lutherstein. Wir wollten unbedingt einen Ort, an dem wir unsere Veranstaltungen legal realisieren können. Letztendlich bekamen wir einen Platz ein paar Kilometer außerhalb der Stadt, was ein guter erster Schritt in die richtige Richtung ist. Allerdings nahmen uns die Stadtverwaltung und Politik erst ernst, als wir die Karawane organisiert und mit 600 Leuten durch die Straßen gezogen sind, lautstark unsere Forderungen geäußert und klargemacht haben, dass wir ein Teil der Gesellschaft sind und einen Raum im Stadtgebiet brauchen. Deswegen ist es so wichtig, dass Menschen, die sich mit unserer Sache identifizieren, nach Erfurt kommen und sich gemeinsam mit uns für unsere Rechte einsetzen.
Hard Facts:
- Die Demo beginnt 14 Uhr am Nordbahnhof Erfurt und führt über Fischmarkt und Domplatz
- Aftershowparty: Kalif Storch | 22 Uhr
- Mehr: Instagram: @freie_kulturkarawane