Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown #2 mit Klarke vom Retronom in Erfurt
In unserer neuen Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir ein Jahr später erneut mit Klarke vom Retronom in Erfurt. Die Szene-Bar/Galerie organisiert Kunst-Ausstellungen und betreibt eine Kleinkunstbühne, in der die verschiedensten Veranstaltungen stattfinden. Das Retronom wird vom vom Snokksen e.V. geführt und liegt im Herzen der Erfurter Altstadt.
Wie sieht aktuell die Lage bei euch aktuell aus?
Das Eis, auf dem wir uns bewegen, wird immer dünner. Wie den arktischen Eisbären schmilzt uns der Lebensraum unter den Füßen weg. Die Einnahmen bleiben aus, aber Rechnungen flattern weiter munter herein. Es ist schwer zu sagen, wie lange diese Schieflage noch aufrechterhalten werden kann. Zusätzlich ist die Planung für die Zukunft fast nicht mehr möglich. Wenn ich heute eine Band für den Oktober buche, weiß ich nicht ob die Veranstaltung überhaupt jemals stattfinden wird. Das gibt dem Ganzen eine sehr obskure Dimension.
Wie steht es um die Finanzen, gab es Hilfe von außen?
Von den milliardenschweren Hilfspaketen ist bis jetzt leider nicht wirklich viel bei uns angekommen. Klar gab es finanzielle Unterstützung, ohne die vielleicht schon lange die Lichter ausgegangen wären. Aber wie man damit wirklich längerfristig überleben soll ist mir schleierhaft. Viele Fördermöglichkeiten sind an Bedingungen geknüpft oder sind nur reine Darlehen. Auch wenn sich oft mit dem Erfolg von diversen Hilfspaketen gebrüstet wird, so ist die Realität meistens eine andere. Anspruch und Wirklichkeit liegen meiner Meinung nach hier sehr weit auseinander.
Was hat sich im vergangenen Jahr alles für euch verändert?
Alles ist im ständigen Wandel. Frühere Weggefährten ziehen dir vielleicht die Beine weg, aber dir vorher völlig fremde Personen fangen dich wieder auf. Wichtig ist nur, dass dein Team einen guten Kern hat. Dann kann man an diesen Herausforderungen wachsen und gestärkt daraus hervor gehen.
Was habt ihr im vergangenen Jahr gemacht – konntet ihr die Zeit nutzen?
Eigentlich kämpfe ich jeden Tag für die Zukunft des Retronoms. Das mag sich pathetisch anhören, entspricht aber schon sehr der Wahrheit. Wenige wissen, wie viel Arbeit und Herzblut eigentlich in so einem Laden stecken und wie unglaublich steinig der Weg ist, den man dafür gehen muss. Ämter, Verwertungsgesellschaften, Nachbarn, selbst Leute aus den eigenen Reihen – eigentlich werfen dir Alle konstant Steine in den Weg. Man darf nur nie aufhören um diese Steine herum zu tanzen.
Ziehst du etwas Positives aus der Zeit?
Das Wissen, dass meine Crew einen guten Kern hat. Und dass es noch immer Menschen gibt, die mit mir zusammen diese fantastische Vision am Leben halten. Alleine hätte ich das nie geschafft. Wie intonierte Joe Cocker einst so treffend? „With a little help from my friends!“
Wie blickt ihr in die Zukunft?
Semipermeabel. Jugendlich hoffnungsvoll und dabei altklug pessimistisch. Es wird für alle Kulturschaffenden von Tag zu Tag schwerer zu überleben. Das Retronom wird es packen, weil hier nur die besten Jungs und Mädels ihre Zeit und ihre Liebe investieren. Außerdem freue ich mich sehr auf den fünften Retronom Geburtstag am 20.3., der dieses Jahr standesgemäß mit einem großartigen Doppelkassetten Release zelebriert wird.
Lest hier das Interview mit Jan-Phillip vom Retronom vor einem Jahr
Hard Facts:
- Wo? Johannesstraße 17A | Erfurt
- Mehr Informationen auf Facebook, Instagram oder unter www.retronom.net
Mehr coole News vom t.akt Magazin:
-
Kultur Shutdown #2: Interview mit LES Sound and Light aus Erfurt
-
Kultur Shutdown #2: Interview mit Annette vom Stadt-Bad Gotha
-
Kultur Shutdown #2: Interview mit Karina vom Bistro-Café-Restaurant „Peckham’s“ in Erfurt